Antiamerikanismus in Deutschland
Unvollständige Anmerkungen
zum Antiamerikanismus in Deutschland und dem Erschrecken darüber in
den USA.
"[Der
Anti-Amerikanismus] ist Ausdruck nicht einer durchdachten,
kontinuierlichen politischen Gegnerschaft, sonder Anti-Amerikanismus
ist die eine Seite einer Hassliebe und darin dem Anti-Semitismus
verwandt, der den Juden in wechselnder Folge alles Gute und alles
Schlechte nachsagt, und sie, dabei nur den eigenen triebökonomischen
Bedürfnissen gehorchend, je nach Bedarf mystifiziert oder
dämonisiert." (Wolfgang Pohrt 1984)
Wenngleich Pohrt damals bereits den
Antiimperialismus der deutschen Linken seit den späten Siebzigern
als vornehmlich antiamerikanisches Ressentiment und wenig mehr als
eine völkische Ideologie analysierte, und den sich
internationalistisch gebenden Antiimperialisten attestierte, sie
hätten sich in hauptberufliche deutsche Staatsbürger
zurückverwandelt, so hatte er doch die Hoffnung, der
Anti-Amerikanismus bleibe folgenlos "und [werde] wie ein böser Spuk
in sich selbst zusammenbrechen" (1).
Friedliebende BRD" versus "kriegstreiberischen
USA
Der Antiamerikanismus, so Pohrt, der eine "irrige Annahme" sei,
stelle die "friedliebende BRD" einer "kriegstreiberischen USA"
gegenüber. Die Wahrheit allerdings werde sich auf Dauer nicht
verschweigen lassen, denn die USA sei zwar genauso wie die BRD zu
kritisieren, da mittels ihrer Politik tatkräftig eine Welt ohne
Elend, Hunger, Folter verhindert werde, jedoch sei andererseits die
USA "das gelobte Land", wenn man "die Wirklichkeit und besonders die
der Bundesrepublik in Betracht zieh[e]«" (2), wie er am Beispiel des
Staatsbürgerrecht, dem Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus
oder die Verdienste der amerikanischen Medien öffentliche Debatten
anzustoßen, verdeutlicht.
Der Antiamerikanismus, jedoch auch für die Linke
mehr als bloß "eine irrige Annahme", ist seit dem 19. Jahrhundert
konstitutiv für das deutsche Selbstverständnis "sei es in Form der
Abgrenzung eines besonderen "deutschen Kapitalismus" gegenüber dem
"amerikanisch-jüdischen materialistischen Kapitalismus", dem
"amerikanischen Pragmatismus" oder der "kalten Gesellschaft" versus
der "warmen deutschen Gemeinschaft", oder des "Morgenthau-Plans"
nach 1945, um nur einige Beispiele zu nennen.
Wobei letzterer, wahlweise als "jüdischer Plan"
beschrieben wurde, dessen "alttestamentarische Charakter" sich nicht
leugnen lasse, da er allein von "Hass und Rache" motiviert sei, um
das "industrialisierte Deutschland in einen riesigen Kartoffelacker
zu verwandeln"2. Oder von linker Seite als: "Der Reihe nach düpierte
Morgenthau eine Exilregierung nach der anderen mit seinem
rücksichtslosen monetären Herrschaftsanspruch." (3)
Ein sich antiimperialistisch gerierender
Antiamerikanismus blieb in der Zeit der BRD vornehmlich der
außerparlamentarischen Linken vorbehalten, während von offizieller
Seite der Rekurs auf die "westliche Wertegemeinschaft" stattfand und
zugleich der "amerikanische Kulturimperialismus" zutiefst bedauert
wurde, welcher auch vor der BRD nicht halt mache.
Mit dieser Zurückhaltung war es nach der
"Wiedervereinigung" und der zunehmenden "Normalisierung der Nation"
vorbei: war es während des 2. Golfkrieges 1991 noch die Aufgabe der
"Friedensbewegung" von links und rechts unter der Parole "Kein Krieg
für Öl" auf die Strasse zu gehen, und die Regierung sich seinerzeit
darauf beschränkte von den USA Zurückhaltung anzumahnen, sowie zu
beklagen, man sei mal wieder auf die Rolle des "Scheckbuchhalters"
reduziert worden, praktizierte Deutschland am Objekt Irak den
demonstrativen Schulterschluss mit den "imperialistisch,
unterdrückten Völkern" gegen die USA, der nicht nur in Durban schon
geübt worden war.
Die Zweifel an der Gefährlichkeit des Iraks unter
Saddam Husseins bis hin zur offenen Unterstützung des ba‘thistischen
Regimes von Seiten Deutschlands nach dem Verweis der
us-amerikanischen Regierung auf die Produktion von
Vernichtungswaffen im Irak und den daran anschließenden
Überlegungen, ob Saddam Hussein nicht endgültig gestürzt gehöre,
wurden noch bis in den September hinein von den amerikanischen
Medien belustigt unter "Wahlkampfrhetorik" verbucht.
Einschnitt Möllemann-Affäre
Eher als besorgniserregend wurde der zunehmende Antisemitismus in
Europa wahrgenommen, "der sich bösartiger gegenüber Israel äußere,
als die notorische arabische Straße", wobei sich Europa unter
Aufbietung aller Kräfte gebärde als müsse es Arafat persönlich vor
dem "nächsten Holocaust" erretten (4). Als schon "seit Monaten ein
gewalttätiger Antisemitismus in Europa wiedererstarkte, erschien
Deutschland eine ruhige Insel im Gegensatz zu den anderen
europäischen Staaten.
Damit war es spätestens mit der Möllemann-Affäre
zu Ende. Doch nicht nur die FDP versuchte in dreckigem Wasser auf
Stimmenfang zu gehen, das Tabu welches Möllemann zu brechen vorgab,
existierte schon seit 1967 nicht mehr. Der Antisemitismus, als
Versuch politisches Kapital daraus zu schlagen, äußerte sich nicht
nur unter dem Deckmantel einer pro-palästinensischen Rhetorik,
sondern wie Walser mit seinem Buch Tod eines Kritikers vorführte,
auch in den traditionellen alten Stereotypen" (5).
Herta Däubler-Gmelins Hitler-Bush Vergleich
Herta Däubler-Gmelins Hitler-Bush Vergleich, ihrer Leugnung dies
gesagt zu haben wie der mauen Entschuldigung "es täte ihr leid, wenn
dies die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten würde" und
Schroeders Brief in dem er sich nur zu der Formulierung "er bedauere
es, wenn diese Äußerung Bush verletzt haben sollte" aufraffen konnte
(6), löste Entsetzen und ungläubiges Erstaunen aus. Wenn vor der
Bundestagswahl die offiziellen Beziehungen zwischen den USA und
Deutschland schon als vergiftet bezeichnet wurden, fiel mit dem
Wahlsieg der SPD der us-amerikanischen Öffentlichkeit ihr bis
zuletzt verteidigter Glaube Deutschland sei ein besonders enger
Verbündeter der USA endgültig auf die Füße. (7)
Im Gegensatz zu der in Deutschland weit
verbreiteten Meinung, die Verstimmung zwischen den "ehemaligen
Verbündeten", (8) werde sich schnell wieder legen, wie auch der, die
amerikanische Bevölkerung hätte andere Probleme und würde sich
deshalb weder für den Sturz Saddams Husseins noch über deutschen
Antisemitismus und Antiamerikanismus Gedanken machen, wurde ich
nicht nur durch die Medien sondern durch die ständige Konfrontation
mit diesem Thema im Bus, im Cafe oder einfach auf der Strasse in LA
schnell eines besseren belehrt.
"Pazifistische
Eiseskälte"
Wie es komme, dass Scharping von der "übermächtigen jüdischen Lobby"
in den USA spräche, warum Deutschland, das behaupte so
friedensliebend im Gegensatz zur USA zu sein, offen einen
faschistischen Diktator unterstütze, und mit "pazifistischer
Eiseskälte" die Bedrohung Israels durch Saddam Hussein leugne. Und
wenn es für Deutsche momentan so wichtig sei, sich offen von den USA
abzugrenzen, ob es denn gar keine Erinnerung daran gäbe, dass man
1945 die Deutschen von Hitler befreit habe.
Wobei weniger Schröders Bemerkungen über Amerikas
"beabsichtigtes Abenteuer im Irak" als Problem gesehen wurden und
werden, wie z.B. Hanson schrieb (9), sondern die Wahlkampfrhetorik
in ihrer Gesamtheit. Die Rede von der "jüdischen Lobby", dem
"deutschen Weg", von den Deutschen, die "nicht länger bereit seien,
die Hacken zusammenzuschlagen", da inzwischen Deutschland ein
"modernes Land" sei, in welchem die "Entscheidungen in Berlin – und
allein in Berlin gefällt würden", und das den
"verantwortungsvolleren Kapitalismus" repräsentiere, weckt in den
USA die Erinnerung an ein Deutschland der 30er Jahre des letzten
Jahrhunderts.
Die zunehmende Verwunderung, wie in Deutschland
nicht nur innenpolitisch mit der eigenen Geschichte umgegangen wird,
sondern diese auch außenpolitisch derart funktionalisiert wird, dass
"die USA die neuen Faschisten seien, während an die eigentlichen
Faschisten munter strategisches Material verkauft wird, damit sie
weiterhin Waffen produzieren können, um dieses gegen Israel zu
richten" findet ihren Niederschlag nicht nur in us-amerikanischen
Medien, sondern scheint auch weiterhin in der öffentlichen
Diskussion noch Thema zu sein (10).
Andrea Woeldike
Anmerkungen
1 Wolfgang Pohrt: Anti-Amerikanismus, Anti-Imperialismus. In: ders:
Stammesbewusstsein und Kulturnation. Berlin 1984. S.81
2 Bernd Greiner, zit. n. Dan Diner: USA-SA-SS: Bundesrepublikanische
Verschiebungen. In: ders: Verkehrte Welten. Antiamerikanismus in
Deutschland. Frankfurt/M. 1993. S.122.
3 Detlef Hartmann:Völkermord gegen soziale Revolution in Autonomie
NF 1985. S. 226.
4 Patrick Gordis: Europe"s Saint Arafat. In: Berkeley Jewish
Journal. Fall Semester 2002
5 vgl: Germany"s Trial Ballon. Anti-Semitism For Political Gain and
Profit. InLA Weekly. September 20-26,2002. S.18-20.
6 Vgl. Los Angeles Times vom 21.9.2002. S.A3
7 vgl. z.B. LA Times v. 23.9; 24.9.02 oder Wie man einen Frieden
verkauft oder die Diffamierung Amerikas in FAZ vom 4.10.02
8 so wird in der amerikanischen Debatte immer öfter die Frage
gestellt, ob es nicht besser sei sich ganz von Europa zu
verabschieden vgl. z.B LA Times, oder NY Dailys News
9 Victor David Hanson: Remembrance of Things Past in: Nationalreview
v. 11.10.02
10 vgl. z.B: www.littlegreenfootballs.com/weblog
hagalil.com
27-10-02 |