"Genug ist genug":
Arafat sieht weiterhin Hoffnung auf ein Abkommen
Arafat in der israelischen
Tageszeitung haArez
Gestern verbreiteten alle palästinensischen Zeitungen
Jasir Arafats Aufruf zur sofortigen Beendigung der mörderischen
Anschläge gegen die israelische Gesellschaft. Der Aufruf wurde in allen
Rundfunkstationen zu jeder vollen Stunde verlesen. Arafat erklärte
Selbstmordattentate seien keine legitimen Mittel des Widerstands gegen
die israelische Besatzung.
Inwieweit diese späte Einsicht nur taktisch motiviert
ist, wird sich zeigen. Fraglich ist auch, ob sich die
fundamentalistischen Terrororganisationen nach Arafats Aufruf richten
werden. Mehrere Versuche Arafats diese Organisationen zu kontrollieren
sind bereits fehlgeschlagen.
In einem Gespräch mit der israelischen Tageszeitung
haArez meinte Arafat, die Chancen mit dem israelischen
Ministerpräsidenten Ariel Scharon, trotz aller Rückschläge, einen
Friedensschluss zustande zu bringen, seien noch immer gegeben. Immerhin
sei Scharon nach dem Friedensvertrag mit Ägypten bereit gewesen,
jüdische Siedlungen auf der damals besetzten Sinai-Halbinsel zu räumen,
so Arafat im Interview mit Akiba Eldar.
Scharon habe auch als Netanjahus Außenminister dem
Wye-Abkommen zugestimmt, bei dem
Israel den Abzug aus weiteren 11% des besetzten Westjordanlandes bis
Januar 2000 angekündigt habe. Dieser Verpflichtung sei Israel unter
Netanjahu und Barak nur im Ansatz nachgekommen, ein positives Signal sei
das Zustandekommen von Wye dennoch gewesen.
Er glaube noch immer an die
Möglichkeit über Verhandlungen zu einem gerechten Frieden zu kommen. Er
habe seine Vorstellungen schon lange vor Oslo umrissen und die
Palästinensische Befreiungsorganisation auf diesen Weg eingeschworen.
Ein Staat innerhalb der Grenzen von 1967 sei sein Ziel, die Hauptstadt
dieses Staates müsse der arabische Ostteil von Jerusalem sein. Ausgehend
von diesem Vorschlag sei er allerdings bereit zu
Grenzkorrekturen und zum Austausch von Gebieten. Auch die Souveränität
Israels über die Klagemauer und das jüdische Viertel in der Altstadt von
Jerusalem sei für ihn denkbar. Bei gemeinsamer Verwaltung der Stadt
seien auch die jüdischen Siedlungen im Osten der Stadt kein Problem.
In
Taba
seien sich die Parteien schon fast einig gewesen. Er, Arafat, habe den
Termin von
Camp David für verfrüht gehalten. Er hatte sich von einer
Konferenz nach dem Wechsel im "Weißen Haus" mehr versprochen, da
Präsident Clinton dann von seinen Erwägungen in Bezug auf die Wahl
seines Vize Al Gore und seiner Frau in New York frei gewesen wäre.
Fortschritte habe es gegeben, vor allem in Taba, die Verhandlungen waren
damals aber von Ehud Barak, kurz vor dem Durchbruch, abgebrochen worden,
nachdem Terroristen in einem Restaurant in Tulkarem einen Israeli
ermordeten.
Im Gegensatz zu Ägyptens Präsident
Mubarak und König Abdalla II. von Jordanien, schloß
Arafat den von der US-Regierung ins Gespräch gebrachten "Übergangsstaat"
nicht aus. Genauere Vorschläge der USA lägen ihm aber noch nicht vor.
Der ähnlich gelagerte Plan von
Peres und Abu Ala, der die Ausrufung eines Palästinastaates vorschlägt,
mit nachfolgenden Verhandlungen über die Grenzziehung, den Status von
Ost-Jerusalem und die Frage nach der Verantwortung für das
palästinensische Flüchtlingsproblem, sei für ihn aber schon lange
denkbar.
Wichtig sei es endlich wieder zu
reden. Leider habe Scharon seinem Außenminister Peres das Mandat
entzogen, den entsprechenden Plan auf die Tagesordnung zu setzen. Die
Arbeitspartei bezeichnete er als ein Feigenblatt der Scharon-Regierung.
Leider sei Barak an einem Abschluss
der Verhandlungen in Taba nicht interessiert gewesen. Er wolle trotzdem
an die Ergebnisse von Taba anknüpfen: "Es reicht, genug ist genug! Wir
brauchen nicht noch mehr Krieg!", so Arafat im Interview. Der Vorschlag
Bill Clintons sei ein geeigneter Rahmen um die Verhandlungen endlich
wieder aufzunehmen. (Anm.: Im Clinton-Plan
ist das Rückkehrrecht für die 3,8 Millionen registrierten
palästinensischen Flüchtlinge und Vertriebe nach Israel nicht
enthalten).
Der Anfang der Woche von Sari
Nusseibeh, Hanan Ashrawi und anderen Palästinensern auf den Weg
gebrachten Initiative könne er nur unterstützen, so Arafat.
Verwunderlich sei es allerdings, dass
Israel bislang nicht gegen die radikalen Palästinenserorganisationen
Hamas und Dschihad islami vorgegangen sei, sondern seine Angriffe ganz
massiv auf die Autonomiebehörde und seine Fatah-Bewegung konzentriert
habe. Scheich Ahmed Jassin, den spirituellen Anführer der Hamas, habe er
in Gaza unter Hausarrest gestellt.
Es seien externe Kräfte, die die hoffnungslose und
verzweifelte Lage vieler Palästinenser für eigene Ziele ausnutzen
würden. Selbstmörder-Terror werde zum Beispiel durch Zahlungen von
$30,000 ermutigt. "Was wir brauchen ist
Frieden", so Arafat, "wenn ich dazu die israelische Genehmigung hätte,
würde ich dem Beispiel des damaligen Königs Hussein von Jordanien
folgen. Ich würde mein persönliches Beileid ausdrücken, den Opfern der
Gewalt, so wie es Hussein 1996 nach dem Anschlag von Naharayim tat".
Die Bekämpfung des Terrors sei sehr
schwierig und mit militärischen oder polizei-staatlichen Mitteln alleine
einfach unmöglich. Man müsse den Terror in erster Linie politisch
bekämpfen, ihm sozusagen die Grundlagen entziehen, sein Umfeld
austrocknen. Dazu müssten aber beide Seiten zusammenarbeiten. Israel
habe die Strukturen der PA weitgehend zerstört und verlange von einer
derart geschwächten Struktur gegen den Terror einen militärischen Kampf
aufzunehmen. Dies sei utopisch und Israel sehe selbst, dass es mit einem
ungleich größeren Militärapparat und größerer Bewegungsfreiheit auch
nicht erfolgreicher als die PA sei, im Gegenteil, der Terror werde immer
schlimmer. "Wir brauchen einen gerechten Frieden, zwei Staaten in
Kooperation in einem Land mit einer gemeinsamen Hauptstadt. Dies wird
der Gewalt ein Ende bereiten, vielleicht nicht sofort aber auf Dauer.
Die Menschen brauchen Hoffnung. Dafür kämpfe ich seit vielen Jahren", so
Arafat.
Seinen Rücktritt schloss Arafat aus. Er betrachte sich
als den gewählten Führer und wolle sich nicht zur Ruhe setzen. Er hoffe
noch immer, das Entstehen eines Palästinastaates zu erleben,
gleichberechtigt in guter nachbarschaftlich-kooperativer Beziehung zum
Staat Israel, den er als jüdischen Staat, mit einer besonderen
Sensibilität in Bezug auf seine demographische Integrität akzeptiere.
Die radikalislamischen Terrororganisationen
Hamas und Dschihad Islami kündigten an, den Kampf
gegen "die israelische Besatzung" fortzusetzen. Die blutigen Angriffe
auf die israelische Zivilbevölkerung gingen weiter. "Israels Städte
werden im Blut ertrinken, solange Israel palästinensische Zivilisten
tötet", sagten Führungsmitglieder von Hamas und Dschihad. "Wir handeln
nur in legitimer Selbstverteidigung. Dieser Krieg ist uns von Israel
aufgezwungen worden", sagte der Dschihad- Funktionär Nafes Assam zur
Aufforderung Arafats, die Zivilbevölkerung Israels zu schonen. "Wie
sollte Israel in Nablus und Kalkilja angreifen dürfen, während uns das
Recht verwehrt wird, Israel in Tel Aviv und Haifa anzugreifen?", fragte
sein Hamas-Kollege Abdel-Asis el
Rantissi.
Israel stellte daraufhin wieder einmal klar, dass die
Militäreinsätze sich nur gegen extremistische Mörder richteten und
dazu dienten, Anschläge zu verhindern. Am Dienstag und Mittwoch waren
bei Selbstmordattentaten der Hamas und der "Brigade der Märtyrer von El
Aksa" in Jerusalem 25 Israelis ermordet worden.
Die Führer nationalistisch-fundamentalistischer Gruppen
waren am Dienstag im Libanon mit Regierungsvertretern zusammengetroffen.
Auch hier wurden die Selbstmordanschläge begrüßt und weitere Attentate
angekündigt. Unter den Teilnehmern der Konferenz waren Vertreter der
Hamas, sowie Ahmed Dschibril, der Gründer der in Syrien ansässigen
Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), und Hisbollah-Führer
Scheich Hassan Nasrallah.
Scheich Nasrallah bezeichnete Arafat als Handlanger Israels, der nun als
Marionette unbrauchbar geworden sei und den Weg aller Verräter gehen
müsse. Nasrallah sprach sich für die Auflösung des Staates Israel aus,
der dann durch einen palästinensischen ersetzt werden könnte. Die Juden
sollten dahin zurückkeehren, wo sie hergekommen seien. Die Araber
könnten ihnen auch den Exodus bezahlen...
Anm.: Das Wye Abkommen wurde
nur teilweise verwirklicht, da es den Zusammenbruch der Regierung
Netanjahu verursachte: Der rechte Fluegel misstraute dieser Regierung,
da sie seiner Meinung nach zu viel Land uebergab. Die Linke stimmte
gegen Netanjahu, da sie der Ansicht waren, er uebergaebe zu wenig Land.
Im Mai 1999 kam es zu Neuwahlen, bei denen Ehud Barak zum
Ministerpraesidenten gewaehlt wurde.
(Quelle:
http://jafi.jewish-life.de/zionismus/concepts/sd5.html)
Hamas: Harakat Al-Muqawama
Al-Islamia - Islamische Widerstandorganisation, auf arab. bedeutet diese
Abkürzung auch "Tapferkeit", auf hebr. bedeutet das Wort Hamas "rohe
Gewalt".
Sicherheitslage laut VM "sehr
gefährlich":
Hamas droht
mit chemischen Waffen
Grenzmauer dient ausschließlich der Sicherheit
und hat keine politische Implikation...
Arabische Diskussion um islamischen Terror:
Selbstmord
oder Märtyrertum
Die Diskussionen um
die Selbstmordanschläge in Israel nehmen großen Raum in den arabischen
Medien ein...
No Exit:
Verzweifelte
Flaschenpost aus Israel
Wenn die seit 1967 betriebene Siedlungspolitik die israelische
Gesellschaft in Geiselhaft nimmt, gibt es keinen Ausweg aus dem
tödlichen Kreislauf von Terror, Okkupation und Repression...
Hört auf!
Diese
Anschläge sind Greueltaten!
Was für
Menschen seid Ihr, die Ihr solche grausame und unmenschliche
Selbstmordattentate befürwortet, selbst iniziiert und bejubelt?...
Aufruf
palästinensischer Intellektueller:
Gegen die Selbstmordattentate
In der
palästinensischen Tageszeitung al-Quds: "Das
Drängen zu einem existentiellen Konflikt zwischen beiden Völkern wird
nichts als Zerstörung und Verderben für alle Söhne dieser Region
bringen"...
Identifizierung der
Terroropfer:
In Abu Kabir
warten Familien auf das Schlimmste
"Definitiv" ist das Schlüsselwort in Abu Kabir. Bis die
Identifikation definitiv geschehen ist, gibt es Hoffnung...
Terroropfer:
Das
pathologische Institut in Abu Kabir
Sie sind die Ersten, zu denen die
Opfer der Anschläge kommen...
Das Ziel:
Tel-Aviv
auszuradieren
Der Begriff ‘Wunder’ ist im Zusammenhang mit den Ereignissen um Pi-Gliloth
völlig angebracht. Bei den Terrororganisationen ist eine neue Strategie
zu erkennen, und auch die Mittel, die sie benutzen, haben sich
geändert...
Den Terror hinnehmen?
Eine furchtbare
Routine
Anschläge, verhinderte Anschläge und eine
Fülle von Anschlagswarnungen, haben den Terror wieder zur täglichen
Routine gemacht...
KONKRET-Interview mit Hannan
Ashrawi:
"Das Problem
ist Scharon"
Hannan Ashrawi wurde 1947 in
Ramallah geboren und lehrt englische Literatur an der palästinensischen
Bir Zeit-Universität...
Eine Fußnote zum Interview:
"Das
Problem ist Arafat"
Hanan Ashrawi ist nicht irgendwer. Von 1991
bis 1993 war sie Sprecherin der Palästinenserdelegation bei den
Friedensgesprächen in Madrid. Sie war, bis sie aus Protest gegen die
Korruption in der Autonomiebehörde zurücktrat, Bildungsministerin in
Arafats Regierung...
Niemand tut etwas -
und der Terror geht weiter:
Die große Verzweiflung
Die steigende Popularität Sharons, die offenbar
wenig mit seinem politischen und sonstigen Handeln und Denken zu tun
hat, sondern vor allem auf die latente Sehnsucht des Volkes nach dem
"starken Mann“ zurückzuführen ist, wird sicher noch weitere An-, Fehl-
und Rückschläge absorbieren...
haGalil onLine 21-06-2002 |