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KONKRET-Interview mit Hannan Ashrawi:
"Das Problem ist Scharon"

Das Interview wurde bereits im März 2002 geführt
Das Interview führte Thomas v. der Osten-Sacken

Hannan Ashrawi ist seit 2001 Sprecherin der Arabischen Liga. Sie wurde 1947 in Ramallah geboren und lehrt englische Literatur an der palästinensischen Bir Zeit-Universität. Ashrawi gilt als Kritikerin der Autonomiebehörde.

KONKRET: Was sagen Sie zur Aufbringung des mit 50 Tonnen Waffen beladenen Schiffes Karin-A?

Ashrawi: Ersten gibt es überhaupt keinen konkreten oder überzeugenden Beweis. Die Israelis haben einen Piratenakt auf hoher See begangen haben, indem sie dort dieses Schiff kaperten. Sie behaupten, dessen Ziel seien die palästinensischen Gebiete gewesen. Das ist unwahr und wurde von den palästinensischen Behörden bestritten. Für das Schiff hätte es keine Möglichkeit gegeben, durch den Suezkanal zu kommen, und schon gar nicht, Gaza zu erreichen, weil Israel das Meer und die Küste vor dem Gazastreifen kontrolliert. Außerdem war das Schiff mit einer multinationalen Crew bestückt. Es gibt also keine Beweise außer den israelischen Erklärungen, und natürlich beuten die Israelis das Ganze öffentlichkeitswirksam aus, um die Palästinenser zu beschuldigen und ihre eigenen Pläne zu rechtfertigen, die auf die Zerstörung der palästinensischen Behörden und deren Infrastruktur hinauslaufen. Israel will so alle Versuche der Palästinenser unterlaufen, einen eigenen Staat aufzubauen und einen gerechten Frieden zu schließen.

Die israelische Version des Vorfalls wird von den USA für glaubwürdig gehalten.

Ich wäre überrascht, wenn die USA irgendwann einmal nicht die israelische Sichtweise übernehmen würden, aber immerhin versuchen sie eine gewisse Distanz zu halten, weil die US-Regierung keinen Beweis sieht, daß es eine direkte Verbindung mit den palästinensischen Behörden gibt. Es gab da einen Mann, der für die palästinensische Autonomiebehörde gearbeitet und diese vor 18 Monaten verlassen hat. Man macht aber nicht eine Regierung für die Handlung jedes Bürgers verantwortlich. Ich wehre mich also gegen Urteile, die ohne klare Beweise gefällt werden. Die USA sagen, daß es keine Beweise gibt, die Arafat mit der Karin-A in Verbindung bringen.

Und doch scheint das Ereignis die Haltung der USA gegenüber Israel und den Palästinensern zu verändern. Sie selber hatten es in einem Artikel begrüßt, daß die USA nach dem 11. September verstärkt Druck auf Scharon ausübten.

Wir haben den USA versucht eindringlich klar zu machen, daß sie nicht mit den Problemen in der Region in einer derart oberflächlichen Weise umgehen können, sondern die Ursachen des Konflikts verstehen müssen. Wir haben sie aufgefordert, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ihre Rolle ernst zu nehmen. Bislang aber haben wir nur gesehen, daß sie die israelische Sichtweise übernommen haben. Und diese israelische Regierung ist gegen den Frieden eingestellt und nicht hilfreich, irgend eine stabile Ordnung zu errichten.

Sie sehen also doch keine Veränderung der US-Politik gegenüber Israel nach dem 11. September?

Im Augenblick bewegen sich die USA mehr und mehr in Richtung Israel und dessen simplifizierendem Weltbild, das die Welt in "good guys" und "bad guys" aufteilt. Das heißt, sie haben den israelischen Narrativ übernommen, der selbst die Ursache für viele Probleme in der Region ist.

Arafat wurde doch nach dem 11. September die Chance geboten, selbst Teil der Anti-Terror Koalition zu werden. Schließlich war der Druck der USA auf Israel, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen, zum Erstaunen der israelischen Regierung damals sehr groß.

An einem Punkt ja: Sie forderten sie auf, die A-Zonen zu verlassen. Aber Israel hat das nicht getan, sondern im Gegenteil die Besatzung intensiviert. Und die USA haben das akzeptiert. Insofern fällt es schwer zu sagen, daß die USA ihr politisches Gewicht genutzt hätten, um das israelische Verhalten zu beeinflussen. Sie haben es eine Zeit lang versucht, aber Israel hat sich dem widersetzt, obwohl dies Verhalten langfristig den US-amerikanischen Interessen in der Region widerspricht.

Der Druck der USA hat nach der Reihe islamistischer Anschläge und Selbstmordattentate im Dezember nachgelassen.

Das ist richtig. Die Selbstmordattentate haben in Scharons Hände gespielt und er hat sie ausgenutzt, um alle Palästinenser als Terroristen zu denunzieren und den Inhalt der palästinensischen Frage völlig zu verdrehen. Er will sich so selbst als jemand präsentieren, der in einer Position der Selbstverteidigung ist, während wir wissen, daß die Besatzung das Problem und Israel der Aggressor ist.

Die Anschläge fanden statt, obwohl es eine Art innerpalästinensichem Übereinkommen gegeben hat, keine Attentate in Israel mehr durchzuführen.

Ja, das stimmt, und diese Selbstmordattentate hatten eine katastrophale Wirkung. Wir habe das öffentlich gesagt.

Seit längerem wird heftig diskutiert, ob die Autonomiebehörde und Yassir Arafat die Lage in den palästinensischen Gebiete noch unter Kontrolle haben oder nicht.

Es ist keine Frage der Kontrolle. Es ist eine Frage, ob man sich der Realität stellen will. Keine Regierung kann für das Verhalten all ihrer Bürger verantwortlich gemacht werden. Es gibt immer Leute, die Gesetze brechen, aber die Tatsache muß klargestellt werden, daß Israel Machtmißbrauch betreibt, die Lage dauernd eskaliert und bewußt provozierende Handlungen durchführt. Vor diesem Hintergrund muß man sehen, daß es Leute gibt, die reagieren, auch wenn es ein Abkommen gibt zwischen allen politischen Gruppierungen in Palästina, nicht einmal auf israelische Aggression zu antworten und ruhig zu bleiben und so den Waffenstillstand einzuhalten. Aber Israel hat sich bislang an keinen Waffenstillstand gehalten und weiter provoziert, damit Reaktionen entstehen, mit denen es seine eigene Politik rechtfertigen kann.
Die Aktionen der palästinensischen Autonomiebehörde, die damals gegen Organisationen wie Hamas und Jihad Islami vorgegangen ist, sprechen aber eine andere Sprache. Die haben den Notstand ausgerufen und begonnen, Mitglieder dieser Organisationen zu verhaften. Der Unterschied aber ist, daß Ereignisse wie die im Dezember von palästinensischen Einzelpersonen oder Gruppen durchgeführt werden, während es sich bei Israel um Akte des Staatsterrorismus handelt.

Warum ist die Autonomiebehärde erst dann gegen Hamas und Jihad vorgegangen, als Scharon Arafat für "inexistent" erklärt hatte und internationaler Druck auf ihn ausgeübt wurde.

Weil es nicht leicht ist, gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen. Das bedeutet einen Autoritätsverlust und hat eine enorme Einbuße an Unterstützung und Autorität bedeutet, da es so aussieht, als würde die Autonomiebehärde unter dem Druck der Israelis handeln. Natürlich gibt es innerhalb unseres politischen Spektrums Parteien, die sich unterschieden. Und man bestraft keine Menschen für ihre politischen Einstellungen. Es gibt Rechtsverletzungen, und natürlich werden Leute bestraft, die das Gesetz übertreten, aber sie werden nicht für ihre Überzeugung oder Parteizugehörigkeit bestraft.

Wie reagierte die palästinensische Bevölkerung auf die Maßnahmen Arafats gegen Hamas und Jihad?

Sie zeigen sich äußerst verantwortlich, weil sie überzeugt sind, daß Israel versucht, die Palästinenser in einen Bürgerkrieg hineinzuziehen, und sie werden nicht in diese Falle gehen.

Zugleich hat Arafats Vorgehen ihn und die Autonomiebehörde viel öffentliche Unterstützung und Popularität gekostet. Falls Arafats die Bedingungen Israels mehr oder weniger erfüllte - gäbe es dann eine Chance für eine Fortführung des Friedensprozesses?

Das Problem ist doch nicht Arafat, das Problem ist Scharon. Scharon will keinen Friedensvertrag und unternimmt alles, um den Friedensprozeß und alle bestehenden Verträge zu unterlaufen. Es setzt auf extreme Gewalt, Grausamkeit und Militarisierung gegen die als Geiseln genommene palästinensische Zivilbevölkerung und macht dann, wenn es zu entsprechenden Reaktionen kommt, Arafat dafür verantwortlich. Es geht also nicht um die Frage, ob Arafat Frieden will oder nicht. Er hat längst seine historische Entscheidung getroffen. Und die überwältigende Mehrheit der Palästinenser will ebenfalls den Frieden. Das Problem ist doch, daß uns der Partner für diesen Frieden fehlt, und Israels Regierung statt dessen auf Militarisierung, Gewalt und Rassismus basiert. Es ist eine fundamentalistische Regierung, die nichts von Friedenspolitik wissen will.

Sehen Sie irgendeine Möglichkeit für einen Friedensschluß mit der Regierung Scharon?

Nein. Die Scharon-Regierung widersetzt sich existentiell und ideologisch jeder friedlichen Lösung des Konflikts. Scharon verfolgt seinen eigenen Plan, der auf ethnischer Säuberung und auf der Übernahme ganz Palästinas beruht, wobei die Palästinenserfrage in eine Frage isolierter Wohngebiete in den besetzten Gebieten transformiert werden soll, anstatt mit den Palästinensern als Menschen mit dem Recht auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat umzugehen. Scharon will eine "normale Besatzung" haben. Er will eine Besatzung, die den Besatzern angenehm ist. Er will zahme und brave Palästinenser, die sich zurücklehnen und akzeptieren, was immer er auch macht.

Das Problem ist Arafat
Fußnote zum Interview mit Hanan Ashrawi

Michael Schilling

Hanan Ashrawi ist nicht irgendwer. Von 1991 bis 1993 war sie Sprecherin der Palästinenserdelegation bei den Friedensgesprächen in Madrid. Sie war, bis sie aus Protest gegen die Korruption in der Autonomiebehörde zurücktrat, Bildungsministerin in Arafats Regierung. Der liberalen Presse galt die christliche Palästinenserin lange als Trägerin von Friedenshoffnungen. Wenn überhaupt eine Verständigung Israels mit den Palästinensern möglich schien, dann mit Leuten wie ihr. Tatsächlich ragt Hanan Ashrawi in die neue Zeit völkischer Gotteskrieger wie ein Relikt der guten alten, um soziale Emanzipation kämpfenden PLO - und repräsentiert deren Scheitern.

Wie Arafat und sein Botschafter Abdallah Frangi spricht sie für eine Bevölkerung, für die sie politisch schon lange nicht mehr sprechen kann. Wie Arafat darf sie, will sie sich noch ein wenig Respekt im eigenen Lager bewahren, die Mordbrenner der Hamas und des Jihad nicht dem Feind ausliefern, sondern muß, bei aller Distanzierung, auch immer wieder ein gutes Wort für sie finden.

Nicht die verständigungsbereiten Rabin und Barak mit ihren Appellen, sondern erst der brutale Scharon mit seinen Raketeneinsätzen, brachte Arafat dazu, wenigstens einige der bekannten Treffpunkte der beiden kriminellen Organisationen zu schließen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er ihre Duldung seiner Tat erkaufen mußte.

Ob Arafat Baraks Angebot, einen Palästinenserstaat zu gründen, ganz gern angenommen hätte, weiß man nicht; vermutlich aber hätte er es nicht überlebt. Für Barak gilt ähnliches; auch sein Plan hätte in Israels Gesellschaft und Parlament wenig Chancen gehabt.

Such are the facts, and they're getting sucher and sucher. Das heißt: Ohne Zustimmung der palästinensischen Gotteskrieger und der israelischen Rechten gibt es heute keine haltbaren politischen Vereinbarungen und morgen kein halbwegs friedfertiges Nebeneinander Israels und eines Palästinenserstaats. Die Israeli haben daraus die böse, aber konsequente Konsequenz gezogen, ihre Rechte an die Regierung zu wählen. Eine Vereinbarung mit den Palästinensern, die Scharon einmal unterschreibt, wird in Israel keinen nennenswerten Widerstand mehr finden.

Ein Friedensvertrag, den Arafat unterschriebe, würde morgen von "Märtyrern" der Hamas in einem Dutzend Massaker zerfetzt. Das Problem ist also Arafat. Es bräuchte einen palästinensischen Scharon, der etwas versprechen und halten kann. Nach Lage der Dinge müßte er von der Hamas kommen. Hört sich verrückt an, dürfte sich aber als wahr erweisen.

Michael Schilling lebt und arbeitet im Zonenrandgebiet

haGalil onLine März-2002

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