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Amira Hass:
Zwischen den Fronten
aspekte,
zdf
31. Januar 2003, 22.30 Uhr
© ZDF 2003 |
Amira Hass ist die einzige
jüdisch-israelische Journalistin, die in Palästina lebt. In ihrer Heimat Israel
wird die 46-Jährige öffentlich angefeindet und als Verräterin beschimpft.
Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, über
das Schicksal der Palästinenser in den Autonomiegebieten zu berichten und den
Alltag dort zu dokumentieren. Berichte aus einem nahen und doch so fernen Land.
Informationen, die für die meisten ihrer Landsleute neu sind - und sie trotzdem
kaum interessieren. Für ihre mutige, engagierte Berichterstattung erhielt sie
unter anderem den World Press Freedom Hero Award und den Bruno Kreisky-Preis für
Verdienste um die Menschenrechte.
Das Leben im Gaza-Streifen
Amira Hass beginnt 1991 aus
den palästinensischen Gebieten für die israelische Tageszeitung Ha'aretz zu
berichten. Doch der Blickwinkel einer Besucherin wird ihr bald zu wenig.
1993 fasst sie den Entschluss, in den Gaza-Streifen zu ziehen. Fünf Jahre
später siedelt sie nach Ramallah um.
So bekommt sie alles hautnah
mit: den beginnenden Friedensprozess, von dem sie glaubt, dass er von
israelischer Seite niemals ernsthaft geführt wurde, und der in den
palästinensischen Gebieten kaum Auswirkungen zeigt. Das schwierige
Zusammenleben von Palästinensern mit jüdischen Siedlern, die mitten in
palästinensischem Gebiet Siedlungen errichten und eigene Straßen bauen, die
das Land durchschneiden. Sie füllen ihre Swimmingpools, während fünfhundert
Meter weiter um jeden Tropfen Wasser gerungen wird. Und Amira Hass erlebt
die zweite Intifada, die zu einer erneuten Besetzung der, wen auch nur
formal, autonomen Gebiete führt, und die Gewalt und das Elend eskalieren
lässt.
Gegen die Besatzungspolitik
Amira Hass ist nicht
pro-palästinensisch und nicht anti-israelisch. Sie liebt ihr Land, das den
Eltern (beide osteuropäische Holocaust-Überlebende) nach ihrer Befreiung
einen Zufluchtsort bot. Doch sie ist gegen die seit 1967 aufrecht erhaltene
Besatzungspolitik und nimmt in ihren Artikeln kein Blatt vor den Mund.
Gerade wegen der eigenen
Familiengeschichte fühlt sich Hass verpflichtet, nicht wegzuschauen, wenn
andere leiden. Sie will die Welt und insbesondere die Israelis informieren
und aufrütteln. Damit schafft sich Amira Hass keine Freunde, der Kontakt zu
offiziellen Armee-Pressestellen Israels ist seit Jahren abgebrochen.
Doch nicht nur die Israelis
sondern auch die palästinensische Autonomiebehörde beobacht Amira Hass mit
Misstrauen. Die Journalistin hält Arafat für unfähig, die Interessen seiner
Landsleute zu vertreten und prangert Misswirtschaft und Korruption in einem
ineffektiven Beamtenapparat an.
Alltägliche Momente
Amira
Hass hat sich nicht der üblichen Kriegsberichterstattung verschrieben. Die
überlässt sie den nationalen und internationalen Journalisten, die fast Tag
und Nacht gleichbleibende Bilder liefern, meist nach Attentaten.
Ihr Anliegen sind die
alltäglichen Momente in den besetzen Gebieten, beispielsweise die ständige
Bedrohung durch israelisches Militär, das scheinbar willkürlich in
Wohnhäuser schießt und die Schikanen beim Passieren von Check-Points.
Sie berichtet von
Angehörigen von Selbstmordattentätern, deren Stolz und Freude hinter
verschlossener Türe zu Trauer wird. Und sie schreibt über drei Kinder, sechs
und zwölf Jahre alt. Sie wurden erschossen, weil sie dachten, die
Ausgangssperre sei aufgehoben. Zwei waren Fahrradfahren, der dritte war mit
seinem Vater unterwegs, um Brot zu kaufen.
Neuer Blickwinkel
Amira
Hass eröffnet einen neuen Blickwinkel auf Menschen, die unter kaum
vorstellbaren Bedingungen leben. Manche verlieren die Hoffnung und werden
Selbstmordattentäter - ein Schritt, den Amira Hass nicht verstehen kann.
Andere finden Mittel und Wege,
trotzdem zu überleben und auf bessere Zeiten zu hoffen oder sich zumindest
mit den Umständen zu arrangieren.
Viele dieser alltägliche Erlebnisse hat die Journalistin Hass in den
vergangenen Jahren veröffentlicht. Jetzt erscheint ihr Buch "Gaza. Tage und
Nächte in einem besetzten Land", eine mitreißende Schilderung der
Befindlichkeiten eines Volkes zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
aspekte,
zdf
31. Januar 2003, 22.30 Uhr
© ZDF 2003
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