Kritische Fragen?
Die Schere im Kopf
In der israelischen Öffentlichkeit entzündete sich
eine Kontroverse um die am Wochenende von Kabel- und
Satellitengesellschaften geäußerte Drohung, den amerikanischen
Nachrichtensender CNN durch "israelfreundlichere" Kanäle zu ersetzen.
Kommunikationsminister Reuven Rivlin (Likud) warnte den
Sender am Sonntag, die CNN-Berichterstattung werde in Israel als
einseitig pro-palästinensisch empfunden. Auslöser der Boykottdrohungen
gegenüber dem populären Nachrichtenkanal war ein Interview mit
CNN-Gründer Ted Turner im Londoner Guardian gewesen, wo er der
Armee "Terror gegen Palästinenser" vorwarf. Von palästinensischer Seite
wird CNN oft vorgeworfen, ein "Propagandaarm der Scharon-Regierung" zu
sein.
Die derzeitigen Boykotttendenzen, so schrieb die
Tageszeitung Haaretz am Montag, "erinnere an dunkle Regime", die
die Informationen an ihre Bürger strikt kontrollierten. Auch Haaretz
selbst sieht sich versuchter Einflussnahme ausgesetzt. Der in den 20er
Jahren gegründeten sozialdemokratisch ausgerichteten Tageszeitung wurde
mehrfach Antizionismus vorgeworfen:
"Auf die Zeitung wird Druck ausgeübt, kritische Stimmen,
wie Gideon Levy und Amira Hass nicht mehr zu Wort kommen zu lassen", so
der israelische Historiker Moshe Zuckermann. Der Druck gehe nicht nur
von Lesern aus, die mit der Abbestellung ihres Abonnements drohen. Auch
jüdische Institutionen im Ausland, insbesondere in den Vereinigten
Staaten versuchten die Berichterstattung durch Druck zu beeinflussen.
Ein Mitarbeiter des Außenpolitik-Ressorts der Haaretz
zieht eine Parallele zu den Vorgängen um die New York Times. Vertreter
"pro-israelischer" Gruppierungen warfen der Zeitung
"Israelfeindlichkeit" vor und riefen die Leser zum Boykott der Zeitung
auf, Firmen wurde nahegelegt keine Anzeigen mehr zu schalten. "Diese
amerikanischen Organisationen verfolgen auch, was in israelischen
Zeitungen geschrieben wird. Hass und Levy bezichtigen sie, mit ihren
Berichten die nationale Einheit Israels zu untergraben."
Das Phänomen der Selbstzensur wird inzwischen auch in
den USA thematisiert. Dan Rather, einer der wohl bekanntesten
Fernsehmoderatoren Amerikas, hatte sich mit einem entsprechenden
Kommentar einer heftigen Kontroverse ausgesetzt. Nachdem er gesagt
hatte, daß der Patriotismus, der das Land überflutet, die Medien dazu
verleiten würde, der politischen Führung Amerikas keine schwierigen
Fragen mehr zu stellen, wurde er von allen Seiten angegriffen. Dabei
hatte er eingestanden, dass er sich ebenfalls bereits solcher
Selbstzensur unterzogen habe.
Besonders unter Druck stehen freie Mitarbeiter. Wer dem
Wunsch nach "patriotischer Berichterstattung" nicht nachkommt, kann
damit rechnen, dass seine Arbeiten zurückgewiesen werden. "Leser und
Anzeigenkunden üben einen enormen Druck auf uns aus, damit wir am
patriotischen Strang ziehen, so wie sie ihn definieren", beschreibt
Steve Benson, einer der führenden politischen Cartoonisten der USA, die
Situation. Wütende Leser haben bereits wiederholt die Redaktionsstuben
von Zeitungen gestürmt, die seine kritischen Zeichnungen zu Bushs
Politik veröffentlichten: "Die Leute beschimpfen mich als Verräter, und
sogar Morddrohungen habe ich bekommen".
Clay Bennett, der bereits mit dem Pulitzerpreis, einer
der begehrtesten Presseauszeichnungen, geehrt wurde, ist extrem besorgt,
wie die Bush-Regierung Bürgerrechte ausgehöhlt hat. "Um die Ecke wartet
bereits der Polizeistaat", meinte er in einem Interview mit der
britischen Zeitung The Independent.
Dennis Pluchinsky, ein hochrangiger Sicherheitsexperte
der Bush-Regierung, warf unterdessen den amerikanischen Medien vor, sie
würden in die Hände der Terroristen spielen, dies käme dem Tatbestand
des Hochverrats gleich.
Pict.:
knesset.gov.il |
Mit ganz ähnlichen Vorwürfen
konfrontiert, sah sich ganz unvermittelt auch Yaffa Yarkoni, eine
lebende "Legende des zionistischen Aufbaus". Nachdem sie in einem
Interview mit dem Armeesender ihre Sympathie mit Soldaten und
Offizieren, die den Dienst in den PA-Gebieten verweigern bekundet
hatte, wurde ein geplantes Konzert zur Krönung ihres Lebenswerkes
kurzfristig abgeblasen.
(RealAudioSoundfile von der
Friedensdemonstration in Tel-Aviv Mai 2002
Yaffa Yarkoni-rm)
Gideon Ezra (Likud), stellvertretender Minister für
innere Sicherheit, verlangte bereits mehrfach, dass "israelische
Linke und Friedensgruppen" als Sicherheitsrisiko verboten und zum
Schweigen gebracht werden müssten. |
haGalil onLine 25-06-2002 |