Zur Bush-Rede:
Gorillas im Nebel
Aus einem Leitartikel der
meistgelesenen israelischen
Tageszeitung Jedioth achronoth
Bei Pressekonferenzen
ausländischer Führer kann man oft mehr aus den Augen der Redner
lernen, als aus den Worten, die sie dort sagen. In den Augen von
George Bush konnte man gestern, wie auch schon bei anderen
öffentlichen Auftritten, lesen, dass dies ein Mann ist, der keine
Fragen hat.
Wie er ja selbst schon öfters zugab, ist Bush ein Mann, der sich
mehr mit der Bibel auf seinem Nachttisch berät als mit Menschen aus
Fleisch und Blut. Ein Mann, den nichts - weder die Weltordnung, oder
die Bedeutung eines Fehlers, den er vielleicht machen wird, noch der
Widerstand seines eigenen oder fremder Völker - zum Zweifeln
veranlasst. Dies ist der stärkste Mann der Welt, und er ist
gefährlich.
Aus den Augen Tony Blairs konnte man etwas völlig anderes entnehmen.
Auch er ist sicher, im Recht zu sein, aber er lebt in einer Welt mit
Menschen, nicht mit absoluten Wahrheiten. Blair sprach überzeugend
von der Bedeutung breiten Einvernehmens und der Verantwortung der
internationalen Gemeinschaft. In seinen Augen konnte man lesen, dass
dies keine leeren Worte waren, wie bei Bush.
Bush stellte dem Rest der Welt ein Ultimatum. Entweder zieht ihr mit
mir in den Krieg, oder ich streiche euch aus dem Bild, in dessen
Mittelpunkt ihr zu stehen glaubt. Wenn die UNO nicht mit Amerika
gehen will, dann ist das ihr Problem. Wenn Frankreich, Deutschland
und Rußland den Krieg ablehnen, dann werden Frankreich, Deutschland
und Rußland von dem omnipotenten Vater der Welt keine
Streicheleinheiten mehr erhalten.
Ein amerikanisches Sprichwort sagt, dass ein Gorilla, der eine halbe
Tonne wiegt, überall essen kann. Bush ist ein Gorilla, der
eineinhalb Tonnen wiegt, und er ist stolz darauf. Kein Wunder, dass
er an Orten, wo Gewalt die Landessprache ist, besonders beliebt ist.
In der israelischen Knesset, zum Beispiel.
Blair wollte vermitteln und erklären. Er wollte ein Weltbild der
Hoffnung und Veränderung zeichnen, kein Weltbild mit Gorillas. Für
ihn sind Legitimität und Einvernehmen die einzigen Wege, und wenn
man sie nicht erreichen kann, wird er befehlen zu kämpfen, sich
jedoch gleichzeitig auch weiterhin darum bemühen, auf diese Wege
zurückzufinden. Kein Wunder, dass er im Nahen Osten von niemandem
ernst genommen wird.
Der Krieg in Irak ist unvermeidlich. Die Welt zieht gespalten in
diesen Krieg, gespalten entlang der Linien, von denen wir meinten,
sie seien im Zeitalter nach dem Kalten Krieg verschwunden. Ohne
Übereinstimmung, ohne echte Erklärung für die gewalttätigen
Maßnahmen der einzigen Großmacht, ohne Szenario für die Ergebnisse.
Blair versucht, sie in Begriffen von Hoffnung darzustellen, sie mit
dem Ende des israelisch-palästinensischen Konflikts und einer neuen,
vereinten Weltordnung in Verbindung zu bringen.
Bush interessiert das Morgen nicht. Wenn er von Irak nach dem Krieg
spricht, dann spricht er von der einzigen Sache, die er kennt,
etwas, das wie die USA aussieht. Menschen, in deren Welt es nur ein
Bild gibt, sind beängstigend. Beängstigend sind auch Gorillas, die
im Nebel umherlaufen und glauben, dass nur sie das Licht sehen.
Ebenfalls in Jedioth schrieb Orli
Asulai-Katz:
Das Pokerspiel ist zu Ende
Wenn Präsident Bush die Geduld verliert, fängt er an, in der
Cowboysprache zu reden. Nach dem Blitz-Gipfel auf den Azoren, kochte
er vor Wut, als man ihn fragte, ob er weitere Resolutionen im
Sicherheitsrat anregen werde. "Ich sagte zu den Mitgliedern - decken
Sie ihre Karten auf. Das ist ein texanischer Ausdruck, beim Poker.
Frankreich hat seine Karten gezeigt und mitgeteilt, es werde ein
Veto einlegen."
Auch Bush hat nicht alle seine Karten aufgedeckt. Er sagte, es sei
die Stunde der Wahrheit angebrochen, jedoch nicht, in welcher Form.
Seine Strategie ist einfach: er gab den Mitgliedern des
Sicherheitsrats ein Ultimatum von 24 Stunden, um zu sehen, ob sie
auf seiner Seite stehen. Er signalisierte der Welt: kommt jetzt mit
mir in diesen Kampf, oder ich gehe alleine. Sollte in den nächsten
Stunden eine Mehrheit für die Offensive entstehen, wird ein neuer
Resolutionsentwurf eingereicht, und das Ultimatum für Saddam wird um
einige Tage verlängert.
Die Aussichten darauf sind jedoch äußerst gering. Deshalb betonte
Bush, eigentlich habe er bereits die Unterstützung der UNO: die
Resolution 1441 legt fest, dass sich Saddam großen Gefahren
aussetzt, wenn er nicht mit den Inspektoren zusammenarbeitet. Aus
der Sicht von Bush ist das die einzige Übereinkunft, die er braucht.
Bush hat die Stoppuhr eingeschaltet. Keine Wochen, keine Tage, nur
Stunden trennen ihn davon, den Befehl zur Feuereröffnung zu
erteilen. Sollte der Sicherheitsrat bis heute Abend nicht
beschließen, mit Bush zu stimmen, wäre dies das Ende der Diplomatie.
Jetzt arbeiten die Berater Bushs an seiner Kriegsrede. Im Weißen
Haus setzt man keine Hoffnungen auf Diplomatie. Die Verlängerung,
die Bush dem Sicherheitsrat gewährte, war dazu bestimmt, den
Haussegen Blairs zu retten. Seine Kriegsrede wird Bush erst halten,
wenn die ersten Bomber über Bagdad kreisen.
Kurz vor der neuen Weltordnung:
Der Krieg der
großen Staatsmänner
Am Wochenende brachte Jedioth achronoth eine ausführliche Analyse
zur momentanen Machtkonstellation zwischen Amerika und Europa...
Europa und das Gipfeltreffen:
Azorentief
Eine diplomatische Show, mit der die
politischen Fehlschläge überdeckt werden sollten...
Gegen einen Krieg in Irak:
Der
hauptsächliche Verlierer ist Israel
In Jedioth achronoth erläutert der ehemalige
MeReZ-Vorsitzende Jossi Sarid, warum er gegen den Irak-Krieg ist...
Verzögern, verzögern, verzögern:
Die Skizze
nach nirgendwo
Klares Ziel der israelischen Vorbehalte ist es, das
amerikanische Programm der "Roadmap zum Palästinastaat" zu einer
Skizze nach nirgendwo zu machen...
Die Neue Welt und der israelische Aspekt:
Roadmap zum
ersten Präventivkrieg
General d.R. Jakob Amidror analysiert Motive zur
erneuten Erwähnung der "Roadmap"...
Alles um Blair zu beruhigen:
Garantien -
nein, Roadmap - ja
Zwei Erfolge wollte sich Israel in den
kommenden Wochen sichern: erstens, eine Verschiebung der "Roadmap"
bis nach dem Krieg. Zweitens, amerikanische Garantien vor dem
Krieg...
Lange überfällige Worte von Bush:
Nebenschauplatz Nahost
Man sollte sich gleichwohl nichts vormachen: Der Zeitpunkt, den Bush
für seine (überfälligen) Worte gewählt hat, wurde von den Protesten
gegen die Irak-Politik der USA in aller Welt diktiert...
hagalil.com
18-03-03 |