Der Tradition geopfert:
Wir sind Eure Töchter, nicht Eure Ehre!
Auch in Deutschland werden Zwangsheiraten durchgeführt. Viele
Frauen führen ein Doppelleben zwischen rigiden Familienregeln einerseits und der
freien Gesellschaft andrerseits. Hin und wieder schaffen die jungen Frauen den
Weg in eine Beratungsstelle und können ausbrechen. Doch die Dunkelziffer ist
hoch.
Serap Cileli erzählt die Geschichte einer türkischen Frau, die
mit der Tradition Ihres Heimatlandes gebrochen hat, um Anspruch auf ein
gleichberechtigtes Leben zu erheben. Ihre schmerzlichen Erfahrungen beginnt sie
mit sechsundzwanzig zu analysieren, als sie aus der Einflusssphäre ihrer Eltern
in ein Frauenhaus flüchtete und dort mit ihren Kindern etwa 16 Monate lebte.
Ihr Bericht ist eine Kampfansage an die überkommene Tradition, an die Väter und
Familien, die den eigenen Weg der Frau nicht dulden wollen und können. Ihr
Bericht schildert die Auseinandersetzungen, die nicht nur "Hinten weit in der
Türkei", sondern in unserem Nachbarhaus stattfinden.
Serap besuchte die siebte Klasse der Hauptschule
in Neustadt an der Weinstraße, als ihre Eltern sie mit einem
entfernten Verwandten in der Türkei verlobten. Die kindlichen
Proteste nahmen die Verwandten zunächst nicht zur Kenntnis. Erst ein
Suizidversuch bringt die Eltern zum Nachgeben. Die Verlobung wird
aufgelöst.
Zwei Jahre später entscheidet die Familie: Serap
heiratet in der Türkei. Sieben Jahre lang lebt Serap als Bäuerin in
einem Dorf im Südosten der Türkei, sie bekommt zwei Kinder von einem
Mann, den sie nie lieben wird. Als ihre Eltern ihr endlich
widerwillig die Scheidung zugestehen, höhnt ihr Ex-Mann: "Wir werden
sehen, wer für sein Bett die Frau kauft, die ich schon verbraucht
habe".
Als ihre Eltern erfahren, dass Serap sich in einen
jungen Mann aus der Nachbarschaft verliebt hat, zwingt der Vater
sie, in die elterliche Wohnung nach Deutschland zurück zu kehren.
Der 26-Jährigen gelingt die Flucht aus dem
elterlichen Gefängnis in ein Frauenhaus. Ihre Freund Ali lebt
inzwischen als "Illegaler" in Deutschland. Abends, wenn die Kinder
schlafen, telefonieren sie manchmal, reden über die Zukunft und
warten auf ihr gemeinsames Kind. Serap kämpft darum, den Mann ihrer
Wahl zu heiraten, seinen Aufenthalt in Deutschland zu legalisieren.
Für ihre Familie ist sie tot.

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Türkische Ausgabe /
Deutsche Ausgabe
Serap Cileli wurde 1966 in der
Türkei geboren. 1968 entschließen sich die Eltern nach Deutschland auszuwandern.
Die Tochter und ihre Geschwister bleiben bei den Großeltern. 1974 wird sie von
ihren Eltern nach Deutschland geholt. 1982, mit 15 Jahren, wird Serap Cileli in
die Türkei verheiratet und muss auch dort bleiben. Später kommt sie wieder nach
Deutschland. 1992 drängen die Eltern sie zu einer zweiten Zwangsehe, nach der
Scheidung ihrer ersten, daraufhin flüchtet sie mit ihren beiden Kindern ins
Frauenhaus. Heute setzt Frau Cileli sich für Frauenrechte und gegen Gewalt
gegenüber Frauen und Kindern ein, hält Vorträge dazu und unterstützt aktiv von
Zwangsheirat betroffene Frauen und Mädchen, damit diese nicht ihr Schicksal
erleiden müssen.
Links zum Thema:
Menschenrechte:
Frauen sind erste Opfer von religiösem
Fanatismus
Diskriminierungen von Frauen als Angeklagte und als Zeugen vor
Gericht, im Erbrecht sowie im täglichen Leben...
Ist die multikulturelle Gesellschaft gescheitert?
Fundamentalismus
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Jerimat al-sharaf:
Die kleine
Amira und und das "Ehrendelikt"
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Aufklärung für den Dialog:
Der politische
Islam
Die mittel- und westeuropäischen Gesellschaften sind
endlich auf dem Weg, den Islam als eine in ihren Ländern selbstverständlich
praktizierte Religion zu akzeptieren. Die undogmatischen Diskussionen über den
Islam finden immer häufiger statt, die Gesprächsrunden sind nicht mehr einseitig
christlich besetzt. Dabei werden neue Fragen aufgeworfen...
IMMA
Initiative Münchner Mädchenarbeit e.V.
Zufluchtstelle für Mädchen und junge Frauen in Not- und Krisensituationen
www.imma.de
TERRE DES FEMMES
ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Frauen und Mädchen, die
durch internationale Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen,
Einzelfallhilfe und Förderung von einzelnen Projekten Frauen und Mädchen
unterstützt.
www.terre-des-femmes.de
hagalil.com
12-02-2004 |