Israel beginnt mit Bau einer Grenzmauer
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem – Aus Furcht vor
palästinensischen Selbstmordanschlägen beginnt Israel am Sonntag mit dem
Bau eines gemauerten Walls an der Grenze zum Westjordanland.
Um Bethlehem und Ramallah herum werden
bereits seit zwei Wochen Maschendrahtzäune gelegt und um Beit Dschalla
zwei Meter tiefe Gräben ausgehoben, um potenzielle Attentäter daran zu
hindern, ins nördlich gelegene Jerusalem zu gelangen. Nablus, Dschenin,
Bethlehem, Hebron, Kalkilia, Tulkarem, Jericho und Ramallah wurden von
israelischen Truppen in acht kontrollierte Zonen aufgeteilt. Anfang
dieser Woche begannen Bauarbeiter, geschützt von israelischen Soldaten,
an der
Salem-Kreuzung im nördlichen Westjordanland
nahe Dschenin mit der Errichtung einer Mauer nahe der Grünen Grenze.
Nach Angaben aus dem
Verteidigungsministerium soll innerhalb der kommenden sechs Monate ein
110 Kilometer langer und 200 Millionen Dollar teurer Zaun das
Westjordanland von Nord nach Süd durchziehen. Er soll mit Videokameras
überwacht, mit Warnmeldeanlagen geschützt und mit israelischen
Kontrollstellen versehen werden.
Während Israels Militäroperation
„Schutzwall“ hat die Armee zur Vorbereitung des Grenzanlagenbaus
palästinensischen Boden besetzt. Nahe der Salem-Kreuzung wurden bereits
Olivenbäume entwurzelt und mit der Planierung der Erde begonnen. Die
Errichtung des Zauns wurde von Kommentatoren als Kapitulation Israels
vor palästinensischem Terror gewertet und als Aufgabe der von
Außenminister Schimon Peres favorisierten Vision, dass beide Völker
irgendwann einmal in nachbarschaftlicher Harmonie leben könnten.
Premierminister Ariel Scharon hatte sich
bisher gegen einen Zaun ausgesprochen, um sich nicht auf Grenzen zu den
Palästinensern festlegen zu müssen. Anschläge palästinensischer
Gewalttäter jedoch und die bisher mehr als 500 israelischen Todesopfer
trugen wesentlich zu Scharons Meinungsumschwung bei. Er sieht sich –
auch im Hinblick auf die Wahlen im Herbst 2003 – offenbar gezwungen zu
zeigen, dass Wesentliches zum Schutz des Volkes geschieht. Dennoch heißt
es im Verteidigungsministerium in Tel Aviv, der Zaun biete keinen
vollständigen Schutz vor Anschlägen.
Die religiösen Koalitionspartner Scharons
wollen – auch im Interesse der jüdischen Siedler, die zu ihrer Klientel
gehören – den Bau des Grenzwalls durch eine Eingabe im Parlament
stoppen. Die Orthodoxen und der Siedlerrat im Westjordanland sind gegen
eine Trennung, da sie Grenzfestlegungen und die Abspaltung vom
israelischen Kernland befürchten.
Die seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967
bestehende Grüne Grenze, die das damals jordanisch regierte, von Israel
eroberte und annektierte Westjordanland von Israel trennt, war bisher
durchlässig und nicht, wie der Gaza-Streifen, durch Zäune und Gräben
abgeriegelt. Gegen die entstehenden Befestigungen an der Grenze zum
Westjordanland sind auch Palästinenser, die bislang auf Schleichwegen
und deshalb unbemerkt nach Israel zum Arbeiten kamen. Sie fürchten um
ihren Broterwerb.
Thorsten
Schmitz / SZ vom 15.06.2002 / Ressort:
Nachrichten
Weitere Informationen (Maps)
und frühere Artikel:
-
Das Scheitern der
Siedlungsideologie eingestehen
-
Die Siedler in «Grossisrael»
-
Die Siedlungen evakuieren?
-
Trennungszaun, Siedlungsbau und Friedensgespräche
haGalil onLine 17-06-2002 |