Was in seiner Abwesenheit geschah:
Elchanan Tenenboim, auf den neusten Stand
gebracht
Kolumne von Yoel Marcus, Ha'aretz, 03.02.3004
Übersetzung Daniela Marcus
Eine Zeitung berichtete, die erste Frage von
Elchanan Tenenboim nach dessen Rückkehr aus dem Libanon sei gewesen:
"Ist Ehud Barak immer noch Ministerpräsident?" Eine andere Zeitung
behauptete, er habe gesagt: "Was? Arik Scharon ist
Ministerpräsident?" Nach drei Jahren und drei Monaten in einem
Gefängnis der Hisbollah ist die erste Sache, die ganz offensichtlich
getan werden muss, diejenige, Tenenboim auf den neusten Stand der
Dinge zu bringen über das, was hier geschehen ist, seit er das
Flugzeug nach Brüssel bestiegen hat.
Also: Deine Überraschung darüber, dass Scharon
Ministerpräsident ist, wundert nicht. Wir sind nämlich auch
überrascht. Was Barak angeht: er ist nicht mehr Ministerpräsident.
Und er ist auch nicht mehr der Ehemann von Nava. Der jetzige
Außenminister ist übrigens Silvan Schalom (Judy's Ehemann), der
sagt, er habe geholfen, die Weltkarte zu verändern. Shimon Peres ist
immer noch Vorsitzender der Avodah-Partei. Die haltbarsten Führer
hier im Lande sind Peres und Arafat. David Levy befindet sich wieder
außerhalb der Regierung und dringt auf einen Wechsel, dieses Mal in
Bezug auf Scharon.
Die Untersuchung der Affäre "Griechische Insel",
die ein Jahr vor deinem Sprung an Bord des Flugzeugs begann, hat
mittlerweile das Gericht erreicht. Die Insel liegt immer noch
verlassen, jedoch sind Berge an Geld um sie herum, über sie hinweg
und unter ihr durch geflossen. Die Familie Scharon wird immer noch
untersucht und in die Mangel genommen. In den drei Jahren, in denen
du weg warst, wurden der Verteidigungsminister und die Köpfe der
Armee und der Geheimdienste Shin Bet und Mossad ausgetauscht. Wäre
die Aufstellung in diesen Bereichen eine andere, wärst du
wahrscheinlich nicht so schnell nach Hause gekommen. Denn es gab
eine Zeit als Ron Arad noch am Leben und unter der Obhut von Amal
war, der von Nabih Beri angeführten pro-syrischen Schiiten-Miliz,
mit der wir in Kontakt standen. Doch Yitzchak Rabin wollte nach dem
Fiasko des Jibril-Gefangenenaustausches nicht ihren geforderten
Preis bezahlen. Und während wir noch feilschten, trennte sich
Dirani, der Ron Arad gefangen hielt, von Amal und verkaufte Arad an
den Iran. Kannst du dir vorstellen, dass Dirani, die Person, die
direkt für Arads Schicksal verantwortlich ist, freigelassen wurde,
ohne dass wir auch nur ein Haar von Ron Arad bekommen haben?
Seit du gegangen bist, eroberte eine neue
Joghurtmarke namens "Yopleh" die Supermärkte, gemeinsam mit neuen
Variationen Chumus von "Achla", verbesserten Windeln der Marke
"Huggies" und Damenbinden mit Flügeln, die der sportlichen Frau mehr
Bewegungsfreiheit schenken. Die Aktien der Hi-Tech-Industrie liegen
1,80m unter der Erde, und die Polizei unternimmt Razzien in
Wettannahmestellen, als ob die Spieler den Weg zu den Kasinos auf
ausländischen Weiden nicht kennen würden. Die Regierung ist
Schas-frei. Lapid –du erinnerst dich, das ist der von der
satirischen TV-Show "Popolitika"- ist Justizminister. Und der Kerl
mit Lockenmähne und verschmitzt grinsendem Gesicht, dessen
Schnappschuss nach deinem Verschwinden in jeder Zeitung abgedruckt
war, bist du. Naja, die neue Knesset wirst du auch nicht mehr
erkennen. Laut Limor Livnat ist aus ihr nämlich eine Räuberhöhle
geworden, und Inbal Gavrieli bezeichnet sie gar als Haufen von
Sexfanatikern.
Ach ja. Während du weg warst geschahen auch noch
einige andere Dinge. Die Zwillingstürme in New York wurden zu Fall
gebracht, und das Leben rund um die Erde hat sich verändert. Der
Heimflug von Deutschland war ein Luxus, den du in Zukunft vergessen
kannst. Heutzutage durchstöbern sie nämlich deine Taschen, nehmen
deine Fingerabdrücke, konfiszieren Nagelscheren und verlangen von
dir, dass du deine Schuhe ausziehst. Und von einer Minute zur
anderen werden wegen diesem oder jenem Alarm Flüge gestrichen. Bush
ist in Afghanistan einmarschiert, hat den Irak besetzt und Saddam
gefangen genommen. In deiner Abwesenheit wurden beinahe 1.000
Israelis und 3.000 Palästinenser getötet. Dies geschah im Zuge der
Al-Aqsa-Intifada, die einen Monat vor deinem Weggang begann. Seitdem
gab es zwei palästinensische Regierungen. Eine wurde bereits
gestürzt. Und die zweite ist auch auf dem Weg dahin.
Die Welt um uns herum hat sich verändert. Syrien
und Saudi-Arabien sprechen über Frieden; und Libyen und der Iran
sind bemüht, nicht in Buschs Elefantenpfad zu verweilen. Und
Scharon, glaub es oder auch nicht, bereitet die Evakuierung von 17
Siedlungen im Gazastreifen vor.
Nur zwei Personen machen sich über uns lustig:
Scheich Yassin, dem aufgrund der Forderung des Mossad erlaubt wurde,
in das Gebiet der palästinensischen Autonomiebehörde zurückzukehren,
wo er nun der Dirigent des Selbstmordorchesters ist. Und mit ihm
Hisbollah's Nasrallah.
Es ist kaum zu glauben, dass Israel, das fähig
war, Adolf Eichmann aufzuspüren und gefangen zu nehmen, das den
Aufenthaltsort des entführten Yossele Schumacher entdeckte und das
die Welt von all denjenigen befreite, die für das Massaker während
der Olympischen Spiele in München verantwortlich waren, nicht
wusste, wo du in Gefangenschaft warst. Unsere legendäre Macht der
Abschreckung scheint nicht mehr die zu sein, die sie gewesen ist.
Sie wurde besiegt durch den Kult, der in diesem Land um tote
Soldaten entstanden ist. Die Terroristen werden weiterhin Terror
säen. Und wahrscheinlich werden sie ihre Bemühungen verstärken,
Menschen zu entführen, um diese dann für Tauschgeschäfte zu
benutzen. Israel wird sich auf Ron Arad konzentrieren und wird sich
fragen, wieviele Mörder es für Informationen über ihn einsetzen
soll.
Mittlerweile heißen wir dich herzlich zu Hause
willkommen, Elchanan. Doch eine Sache noch zum Schluss: Falls du die
hässliche Krawatte nicht leiden kannst, die die Hisbollah für dich
gekauft hat, dann geh bitte um Himmels willen nicht zurück nach
Beirut um sie auszutauschen.
Gerade wegen der Zähne:
Tennenbaum
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Ungeliebt und abgeschoben:
Ein
tristes Leben - Steven Smyrek
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bestanden...
"Der beste Deal unter diesen Umständen":
Gefangenenaustausch mit der Hisbollah
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wahrscheinlich wie noch nie, Informationen über den Verbleib von Ron
Arad zu erhalten...
hagalil.com
04-02-2004 |