Gefangenen-Austausch auf dem Flughafen Köln:
Erfolg deutscher Nahost-Diplomatie
Israel und arabische
Hisbollah-Miliz übergeben Häftlinge / Anschlag in Jerusalem mit elf
Toten
Von Thorsten Schmitz
Köln/Jerusalem – Überschattet von einem
Anschlag in Jerusalem ist der größte Gefangenenaustausch seit 20
Jahren zwischen Israel und der islamistischen Hisbollah-Miliz
abgewickelt worden. Auf dem Kölner Flughafen wurden am Donnerstag
Vertretern Israels der Reserve-Oberst Elchanan Tennenbaum sowie die
Leichen dreier Soldaten übergeben. Im Gegenzug übergab Israel 28
arabische Gefangene sowie den Deutschen Steven Smyrek. Außerdem
kamen in Israel 401 palästinensische Häftlinge frei. Der Austausch
war von der Bundesregierung vermittelt worden. Bei dem Attentat in
Jerusalem starben zehn Israelis.
Am Donnerstag gegen sieben Uhr waren in Köln
beinahe zeitgleich eine israelische Maschine aus Tel Aviv und ein
Airbus der Deutschen Luftwaffe aus Beirut eingetroffen. Vor dem
Beginn des Gefangenenaustausches hatten israelische Mediziner sowie
ein Rabbiner geprüft, ob es sich bei den von der Hisbollah
übergebenen Gebeinen tatsächlich um jene der drei israelischen
Soldaten handelt, die im Oktober 2000 an der Grenze zu Libanon bei
einem Anschlag verletzt, dann entführt worden und anschließend
verstorben waren. Tennenbaum, der vor drei Jahren von der Hisbollah
unter bislang ungeklärten Umständen im Libanon gekidnappt worden
war, sollte nach einer kurzen Zusammenkunft mit Familienangehörigen
noch in der Nacht zu Freitag vom israelischen Geheimdienst verhört
werden. Am Abend landete seine Maschine in Tel Aviv. Er hatte vor
seinem Abflug in Beirut behauptet, vor seiner Entführung im Libanon
Informationen über das Schicksal des seit 1986 vermissten
israelischen Piloten Ron Arad recherchiert zu haben. Tennenbaum soll
in Drogengeschäfte mit arabischen Staaten verwickelt gewesen sein.
Drei Jahre Vorarbeit
Unter den 28 arabischen Gefangenen, die Israel auf
dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn übergab, befanden
sich die Hisbollah-Führer Abdel Karim Obeid und Mustafa Dirani. Sie
waren von einem israelischen Sondereinsatzkommando 1989
beziehungsweise 1994 als Pfand für Informationen über Arad entführt
worden. Zudem lieferte Israel auch Smyrek aus, der 1999 in Tel Aviv
zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, weil er im Auftrag der
Hisbollah in Israel einen Selbstmordanschlag verüben sollte. Smyrek
war zum Islam übergetreten und von der Hisbollah ausgebildet worden.
Er flog auf eigenen Wunsch mit einem Großteil der libanesischen und
arabischen Gefangenen von Köln aus direkt nach Beirut weiter.
Mindestens drei der Freigelassenen stellten allerdings unmittelbar
nach ihrer Ankunft in Deutschland laut Angaben des Bundesamtes für
Migration in Nürnberg Antrag auf Asyl. Etwa zeitgleich zu der
Übergabe in Köln entließ Israel 401 palästinensische Gefangene in
ihre Wohnorte im Westjordanland und im Gaza-Streifen und händigte
der Hisbollah im Norden Israels die Leichname von 59 Libanesen aus.
Den Gefangenenaustausch hatte der
Geheimdienst-Koordinator im Bundeskanzleramt, Ernst Uhrlau,
vorbereitet. Er war hierfür drei Jahre lang immer wieder in den
Nahen Osten gereist. In Israel ist der Austausch umstritten. Gegner
bemängeln, er stärke die von Syrien und Iran unterstützte
Terror-Gruppe Hisbollah und erhöhe die Gefahr für Israelis, im
Ausland entführt zu werden.
Fast zeitgleich zur Ankunft der beiden Maschinen
in Köln sprengte sich in der Früh in Jerusalem ein 24-jähriger
palästinensischer Polizist aus Bethlehem in einem Bus in die Luft.
Er riss zehn Israelis mit in den Tod und verletzte mehr als 50
Menschen, einige von ihnen schwer. Der Anschlag passierte nur wenige
Meter von der Residenz von Regierungschef Ariel Scharon entfernt.
Der palästinensische Regierungschef Achmed Kurei verurteilte den
Anschlag. Die israelische Regierung machte Palästinenser-Präsident
Jassir Arafat verantwortlich. Der Attentäter der mit Arafats
Fatach-Gruppe verbundenen Al-Aksa-Brigaden hatte in einem Brief den
Anschlag mit dem Einsatz der israelischen Armee am Vortag in
Gaza-Stadt begründet, bei dem acht Palästinenser von israelischen
Soldaten getötet wurden. Bei dem Attentat wurde auch die in
Deutschland beliebte israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev am
Knie verletzt. Sie hatte ihren Sohn zur Schule gebracht und war auf
dem Weg nach Hause, als sich der Attentäter in dem Bus, der sich
direkt vor ihr befand, in die Luft sprengte.
hagalil.com
30-01-04 |