Ungeliebt und abgeschoben:
Ein tristes Leben - Steven Smyrek
Von Thorsten Schmitz
Unter den arabischen Gefangenen, die am
Donnerstag aus israelischen Haftanstalten entlassen und nach Köln
ausgeflogen wurden, befand sich ein Deutscher. Die libanesische
Hisbollah hatte auf der Auslieferung des 1971 in Detmold geborenen
Steven Smyrek bestanden. In den Augen der schiitischen
Terror-Organisation Hisbollah verfügt Smyrek über einen
unschätzbaren Vorteil: Er sieht sehr deutsch aus und kann
unauffällig in Länder einreisen, die Hisbollah-Mitgliedern versperrt
bleiben. Zudem ist Smyrek zum Islam übergetreten. Die Hisbollah
hatte ihn für einen Terroreinsatz rekrutiert, der von israelischen
Sicherheitsbeamten aber vereitelt wurde.
Smyreks Nahost-Mission beginnt im November 1997.
Mit seinem deutschen Pass will er nach Israel einreisen. Er soll
belebte Orte in israelischen Großstädten auskundschaften und sich an
einem der Plätze in die Luft sprengen. Doch der israelische
Geheimdienst ist ihm schon auf der Spur und nimmt ihn bei der
Passkontrolle fest. 1999 wird der blasse, dürre Deutsche zu zehn
Jahren Haft verurteilt. Ein Angebot, die Strafe in einem deutschen
Gefängnis zu verbüßen, lehnt er ab. Stattdessen lernt Smyrek in den
fünf Jahren, die er im Hochsicherheitstrakt von Aschkelon zubringt,
die arabische Sprache.
Sicherheitsdienste und das israelische Fernsehen
verbreiteten in diesen Tagen, Smyrek wolle nach dem
Gefangenenaustausch nicht in Deutschland bleiben, sondern in den
Libanon zurückkehren. Die Staatsanwaltschaft Hannover verkündet,
dass Smyrek als freier Mann deutschen Boden betreten werde. Er sei
in Israel verurteilt worden und habe einen Teil der Strafe
abgesessen. Es gebe keinen Grund mehr, Smyrek in Deutschland den
Prozess zu machen.
Der Koran als Lebenshilfe
In einer Pizzeria in Herford, die von Türken
geführt wird, hatte Smyrek erste Kontakte zu islamischen Gruppen
geknüpft. Dort begann er zu jobben – und im Koran zu blättern.
Offenbar füllten die Suren ein Vakuum in Smyreks Leben, das aus
einem tristen und bedrohlichen Familienleben resultierte. Die Eltern
lebten getrennt, der neue Mann der Mutter, ein Brite, schlug Steven
Smyrek, den jüngsten von drei Geschwistern. Seine Schwester
erinnerte sich in einer ausführlichen NDR-Dokumentation vorige
Woche, dass die Schläge längere Zeit deutliche Spuren auf dem Körper
Smyreks hinterlassen hatten.
Steven durchlebt eine schwere Jugend. Er kommt auf
ein englisches Internat, fühlt sich abgeschoben. Als sich seine
Mutter vom Stiefvater trennt, kehrt er orientierungslos nach
Deutschland zurück, bis er dann in der Herforder Pizzeria landet. In
Braunschweig, wo er seit 1995 lebt, lernt er in einer Moschee
Mitglieder der verbotenen Kaplan-Bewegung kennen, die nach einem
Gottesstaat streben und den "Heiligem Krieg" propagieren. Wütend
über die Bilder aus Israel und den Palästinenser-Gebieten, sucht
Smyrek Kontakt zu Terrorgruppen im Nahen Osten und bietet sich als
potenzieller Selbstmordattentäter an. Ein "Vorstellungsgespräch" bei
Hisbollah-Führern in Beirut verläuft erfolgreich, er wird in ein
Ausbildungslager geschickt.
Doch längst sind deutsche und israelische
Nachrichtendienste auf den blauäugigen Deutschen aufmerksam
geworden, seine Mission scheitert. Doch ungebrochen von der Haft,
redet Smyrek nach wie vor im Duktus palästinensischer
Selbstmordattentäter. Er verherrlicht das "Märtyrertum" und preist
den Selbstmordanschlag für "die Sache, für den Islam, für Allah".
Smyrek hat sich freiwillig einer Gehirnwäsche unterzogen. Der
Libanon und der Islam sind seine "Heimat". Bevor er zur neuen
Religion überwechselt, sitzt er auch wegen krimineller Delikte im
Drogenmilieu mehrfach kurze Haftstrafen ab. Rückblickend bereut er
dies und sagt, der Islam habe ihn "auf den richtigen Weg gebracht" –
wobei "richtig" für Smyrek auch bedeutet, sich in die Luft zu
sprengen und unschuldige Menschen mit in den Tod zu reißen.
hagalil.com
30-01-04 |