Im
Gegensatz zu österreichischen Journalisten die manchmal Terroristen
als "mutmaßliche Extremisten" euphemistisch umschreiben, ist der aus
Ägypten stammende stellvertretende Chefredakteur der renommierten
Mailänder Tageszeitung "Corriere
della Sera", der Muslim ist, sehr direkt. Auch wenn seine
Meinung in deutschsprachigen Ländern nicht immer populär ist, können
die von ihm aufgezeigten Fakten nicht geleugnet werden.
Ideologische Selbstzensur:
Die Kamikaze sind die Helden der arabischen
Medien Von Magdi Allam
"Was halte ich von den Kamikaze? Ich selbst könnte
mich von einem Moment zum anderen in die Luft sprengen." Zusammen
mit Gian Arturo Ferrari, Vorstandsmitglied des Einaudi-Verlags, höre
ich erschrocken diese Sätze. Mahdi Abdul Hadi, Direktor der
"Palestinian Academic Society for the Study of International
Affairs" von Jerusalem, spricht leichthin und nachdrücklich, wie
einer der überzeugender wirken will: "Unlängst hat ein junger
Universitätsabsolvent, Vater von zwei Söhnen, sich in Israel in die
Luft gesprengt, um die Tötung seines liebsten Freundes zu rächen. Er
hat es allein getan. Er gehörte keiner religiösen oder politischen
Gruppe an." Wir befinden
uns im Speisesaal des Franziskaner-Klosters in Assisi in der
Mittagspause während des Kongresses "Italien und der
arabisch-israelische Konflikt", der Anfang März von der Stiftung
"Italianieurope" organisiert wurde. Abdul Hadi, der sich selbst als
einen sehr laizistischen Exponenten der palästinensischen
Zivilgesellschaft betrachtet, ist ein energischer Befürworter der
These, der Terrorismus sei eine Reaktion. Seiner Meinung nach wird
am Tag, an welchem Israel sich von den besetzten Gebieten
zurückzieht und der Entstehung eines palästinensischen Staates
zustimmt, der Terrorismus aufhören. Während seiner öffentlichen Rede
hören wir das Wort "Terrorismus" nicht. Weil dieser nicht das
Problem wäre.
Doch gerade er, ein Akademiker mit dem Anspruch der
Objektivität, müsste wissen, dass die Selbstmordattentate der Hamas
und des Jihad im Oktober 1993 begannen, nach dem historischen
Handschlag zwischen Rabin und Arafat. Diese geschahen mit dem
erklärten Ziel den Friedensprozess, der auf einer Koexistenz
zwischen Israel und einem palästinensischen Staat gründete, zum
Scheitern zu bringen. Hier wurde eine offen erklärte aggressive
Strategie der vorurteilsvollen Ablehnung des Existenzrecht Israels
angewendet.
Aufrichtiger als Abdul Hadi zeigte sich der
palästinensische Dichter Ahmad Dahbour. Eingeladen am 14. September
2003 nach Venedig zur Verleihung des Preises Campiello,
entschuldigte er sich beim Direktor Corrado Augias: "Öffentlich kann
ich nichts sagen über die Gewalt in den besetzten Gebieten. Würde
ich das tun, dann würde man mir bald nach meiner Rückkehr nach Gaza
meinen Hals durchschneiden". Um das zu betonen, setzte er seine Hand
an seinen Hals. Ich erinnerte mich an diese beide Episoden beim
Lesen der Titel der arabischen Presse und beim Hören der arabischen
Fernsehjournale am 2. März, die über die gleichzeitigen
terroristischen Attacken gegen die Schiiten in Kerbala und Bagdad im
Irak und in Quetta in Pakistan berichteten. Nur die Wörter
"Terrorismus" oder "Terroristen" wurden nicht benützt. Fast als ob
sie tabu wären. Schauen wir uns
zwei renommierte arabische Tageszeitungen an, beide im saudischen
Eigentum. "Asharq Al-Awsat" spricht verallgemeinernd von "Attacken"
oder "Explosionen", die "den Tod von Hunderten provoziert haben".
"Al Hayat" geht ein wenig darüber hinaus und schreibt von
"Selbsmordangriffen". Die Täter werden als "irakische Partisanen"
beschrieben oder als "ausländische Kämpfer" bzw. als "Angreifer". Es
wird eine nicht verteidigbare Position eingenommen, um das Problem
zu vermeiden. Eine unverfrorene Suche nach neutralen Wörtern, um die
Sache nur nicht mit dem richtigen Namen zu nennen. Das bestätigt,
dass im Nahen Osten, den Terrorismus zu verurteilen, leicht zum
Todesurteil des Sprechers oder Schreibers führen könnte.
Diese ideologische Selbstzensur der Massenmedien kann
auch bei der Definition der Opfer der Gewalt wahrgenommen werden.
Wenn es Palästinenser sind, die von Israelis getötet wurden, dann
sind es "Märtyrer". Wenn es sich aber um israelische Zivilisten
handelt, die von palästinensischen Kamikaze getötet wurden, dann
sind es lediglich "Tote" als Folge einer "Märtyreroperation". Diese
Terminologie wird manchmal in die irakische Szene transferiert. Die
getöteten Amerikaner sind dann "Tote" in Bezug auf "Besatzer", so
wie die irakischen Polizisten die von den "Widerstandskräften"
eliminiert wurden, weil sie "Kollaborateure" seien. Es genügt nur
ein Nachrichtenjournal oder ein längeres Programm von "Al Jazira"
oder "Al Arabiya" zu sehen, um sich Rechenschaft abzulegen über die
Konkurrenz zwischen diesen beiden größten arabischen
Nachrichtenfernsehstationen, um sie als Widerhall des islamischen
Terrors zu erleben. Alles um den Knüller einer neuen Rede von Bin
Laden oder von al Zawahri zu erhalten. Weil es sich um zwei
kommerzielle Stationen handelt, ist es wahrscheinlich, dass diese
Informationspolitik den Erwartungen des breiten arabischen Publikums
entspricht. Doch es gibt eine
Ausnahme. Wenn die Toten die eigenen Staatsbürger sind oder Muslime,
dann gibt es Politiker, die es wagen, das Wort "Terrorismus" zu
benützen. Unlängst taten dies Mohammad Bahr al Ulum, der agierende
Präsident der provisorischen irakischen Regierung, ein gemäßigter
Schiit und sein Außenminister Hochiar Zibari, ein laizistischer
Kurde. So wie in der Vergangenheit die saudischen und marokkanischen
Führer nicht gezögert haben, die terroristischen Attentate in Riad
und Casablanca zu verurteilen. Tatsächlich werden die Opfer des
Terrorismus verschieden gewertet, ja nachdem ob sie Muslime sind
oder nicht. Diesen doppelten ethischen Maßstab hat der Mufti
Ägyptens Ali Gomaa, der wichtigste islamische Rechtkundige mit einer
fatwa beantwortet, in der er präzisierte: "Es ist einem Muslim
verboten einen anderen Muslim zu töten, auch wenn dieser mit einem
fremden Besatzer im Irak oder Palästina zusammenarbeitet," Dann
setzte er hinzu: "Der Islam verbietet auch den Feind zu töten, wann
immer er sich unter dem Schutz von Muslimen befindet. Das um das
Vergießen von islamischen Blut zu verhindern." Daraus folgt
natürlich es sei islamisch lediglich erlaubt "Feinde" zu töten, das
heißt Amerikaner oder Israelis.
Es ist ganz klar dass in der arabischen Gesellschaft
und den Massenmedien eine Kultur des Lebens fehlt. Im Februar 2002
hat der palästinensische Intellektuelle Sari Nusseibeh eine tapfere
Petition beworben, die von einigen tausend Vertretern der
Zivilgesellschaft im Westjordanland und Gaza unterschrieben wurden,
um mit den Selbstmordattentaten Schluss zu machen. Jedoch auch
dieses Dokument ist unvollständig weil das Wort "Terrorismus " nicht
erwähnt wird. Außerdem wird die Petition mit politischen
Opportunitätsgründen motiviert, wegen der negativen Konsequenzen für
die Bevölkerung. Aber es gibt nie eine Verurteilung der
terroristischen Attentate im Namen der Heiligkeit des Lebens. Des
eigenen und das der Anderen, der Muslime und der Nichtmuslime. Bis
heute ist das die wahre religiöse, kulturelle und ideologische
Beschränkung des offiziellen und des militanten Islams.
Fundamental-Islamisten als bewaffneter Arm:
Ein
Netzwerk des Terrors
Ein strategisches Dokument der Gruppe "Die Stimme des Jihads"
vervollständigt das Bild des Massakers in Madrid. Spanien wurde als
"der erste Bauer zum Schlagen" bestimmt, "um einen Dominoeffekt zu
provozieren, der die anderen Okkupationstruppen zwingen wird den
Irak zu verlassen"...
Der rote Faden:
Das
Internet, wo Hamas und Osama Erklärungen publizieren
In diesen Internetbotschaften gibt es einen roten Faden, der die
Opfer von Madrid mit den in Bagdad ermordeten spanischen Agenten
verbindet...
Übersetzt von Karl Pfeifer
Erschienen in Corriere della
Sera
hagalil.com
12-02-2004 |