Hisballah und Syrien kooperieren:
Judenhass im Vorabendprogramm
Michael Borgstede
In arabischen Filmen und Schulbüchern wird offen schlimmste
antisemitische Hetze betrieben
"Wasser, Wasser", röchelt der Gefesselte im Hintergrund, während
ein Rabbiner mit verfilzten Stirnlocken verkündet: "Dies ist ein
heiliges talmudisches Ritual." Dann nähern sich die Schwarzmäntel
ihrem Opfer, die Musik schwillt dramatisch an, die Kamera geht auf
das Gesicht des Gemarterten. Jemand hält ihm die Nase zu, öffnet
seinen Mund mit einer Zange und schöpft aus einem Kessel flüssiges
Blei in ihn hinein.
Hinter der aufsteigenden Dampfwolke schneidet eine Hand sein Ohr ab.
Schließlich - noch immer in Nahaufnahme - wird mit einem letzten
Schnitt die Halsschlagader des Opfers durchschnitten. So gehen die
Juden in der syrischen Vorabendserie "Al Shatat" (Diaspora) mit
Sabbatschändern um. Und nicht nur das. In den 29 Folgen, die der
Hizbullah-Fernsehsender Al-Manar zum Fastenmonat Ramadan im
vergangenen Herbst ausstrahlte, sind die Juden an nahezu allen
Katastrophen der Neuzeit schuld: Dem Abwurf der Atombomben über
Nagasaki und Hiroshima und der Erfindung chemischer Waffen; sie
ermordeten Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo und Zar Alexander
III., stürzten den Sultan des ottomanischen Reiches und den
britischen Premierminister Lord Asquith; aus Geldgier ließen sie die
internationalen Aktienmärkte gleich zweimal kollabieren. Daß beide
Weltkriege und der Holocaust Produkte der "jüdischen
Weltverschwörung" sind, versteht sich da beinahe von selbst.
Fünf Millionen Dollar kostete dieses antisemitische Machwerk, in dem
in bester Stürmer-Tradition sogar ein christliches Kind geschlachtet
wird, um dessen Blut zum Backen von Mazzes zu verwenden.
Ursprünglich sollte die Serie auch im staatlichen syrischen
Fernsehen gezeigt werden und in Farsi, Englisch und auch Hebräisch
übersetzt werden. Nach internationaler Kritik leugnete die syrische
Regierung, die Produktion unterstützt zu haben. Im Abspann des Films
wird aber dem syrischen Verteidigungsministerium, dem
Kulturministerium und der Archäologiebehörde sowie der Polizei von
Damaskus gedankt.
Von Antisemitismus könne im Zusammenhang mit "Diaspora" keine Rede
sein, meint der stellvertretende Direktor des Senders, Nasser
Achdar: "Die Serie zeigt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit."
Zwei namhafte Geschichtsprofessoren hätten als Berater fungiert. Die
Sendung basiere auf 250 Quellen jüdischer und israelischer Autoren.
Mit den "Protokollen der Weisen von Zion" habe sie nichts zu tun.
Schon vor Jahrzehnten als Fälschung russischer Antisemiten entlarvt,
erfreuen sich die "Protokolle" einer jüdischen Geheimkonferenz in
der arabischen Welt großer Beliebtheit. Für den Ramadan 2001 wurden
sie vom ägyptischen Fernsehen verfilmt. "Reiter ohne Pferd" zeigte
in 41 Folgen das angebliche Streben der Juden nach der
Weltherrschaft.
Auch in diesem Falle waren internationale Proteste erfolgreich:
Nachdem die Vereinigten Staaten von der ägyptischen Regierung einen
Sendestopp der Serie
gefordert hatten, entbrannte in den arabischen Medien ein Streit.
Die meisten Kommentatoren hielten die Serie zwar für ein "nationales
Kunstwerk" und verteidigten die "Protokolle" damit, daß sie durch
das Verhalten der Juden bestätigt würden.Viele wehrten sich gegen
die Kritik aus dem Ausland, und die autoritäre ägyptische Regierung
sprach plötzlich von Meinungs- und Pressefreiheit, wiewohl diese ihr
sonst nicht sehr am Herzen liegen. Der syrische Botschafter in Oman
sah bereits eine amerikanisch-zionistische Behörde die Kunstwerke
der arabischen Welt zensieren: "Eine Zensurbehörde wird ins Leben
gerufen werden, die eine Veröffentlichung oder Sendung nur
genehmigt, wenn das Werk keine Kritik an Israels Politik, Ideologie
oder Zielen enthält. Diese Behörde wird einer übergeordneten
Autorität in Tel Aviv Bericht erstatten", schrieb Riad Nasan Agha in
der Tageszeitung "Al Itiad".
Einige arabische Intellektuelle, darunter der Berater des
ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak, Usama al Bas, nutzten jedoch
die Gelegenheit, um mit antisemitischen Mythen aufzuräumen. Zudem
wies al Bas darauf hin, daß der Antisemitismus ein europäisches
Phänomen sei und in der arabischen Welt viele Jahrhunderte lang
unbekannt war. Tatsächlich lebten die Juden in den arabischen
Staaten bis zur israelischen Staatsgründung im Jahr 1948 weitgehend
unbehelligt. Sie waren zwar nicht gleichberechtigt, wurden aber
toleriert. Erst 1921 erschien der erste arabische antisemitische
Roman, 1927 wurden die "Protokolle" übersetzt - seitdem nimmt der
Judenhaß in den arabischen Ländern immer mehr zu.
Nachdem die kriegerische Auseinandersetzung mit dem jüdischen Staat
in den vergangenen Jahrzehnten erfolglos blieb, begnügen sich die
arabischen Regierungen nun damit, zumindest den Haß zu schüren.
Dennoch läßt sich nicht sicher sagen, ob es einen "arabischen
Antisemitismus" gibt. In jedem Fall bedient man sich der
Versatzstücke des europäischen Antisemitismus. Ritualmorde,
Verschwörungstheorien, Holocaustleugnung und - für Muslime
ungewöhnlich - die Behauptung, die Juden hätten Christus verraten
und ermordet, haben in arabischen Medien Hochkonjunktur.
Ausgerechnet die palästinensische Autonomiebehörde beteiligt sich
kaum an dieser pan-arabischen Orgie des Hasses. Der Generalsekretär
des palästinensischen Informationsministeriums, Achmed Dabur,
verurteilte die ägyptische Serie "Reiter ohne Pferd" scharf: "Die
,Protokolle der Weisen von Zion' sind ein dummes Pamphlet voller
Unsinn. Sie beschreiben eine internationale Verschwörung des Bösen
eines gelbgesichtigen Volkes, das es fertigbringt, die Welt wie ein
gekochtes Ei in seiner Hand zu zerquetschen. Wenn wir den Zionismus
nicht als das beschreiben, was er ist:
eine nationalistische, rassistische europäische Bewegung, die am
Rande von Kolonialismus und Imperialismus entstand, machen wir uns
zu leichter Beute."
Vieles der arabischen antisemitischen Propaganda ist für ein
Publikum gedacht, daß noch nie einem Juden begegnet ist, meint
Menachem Milson von der hebräischen Universität in Jerusalem.
Palästinenser, die jahrelang in Israel gearbeitet hätten und deren
Kultur von der israelischen stärker beeinflußt sei, als sie es
selbst wahrhaben wollten, würden bei einigen Szenen aus "Diaspora"
wohl in Gelächter ausbrechen.
Zwar werde auch in den palästinensischen Medien regelmäßig der
Holocaust geleugnet oder es wird "wissenschaftlich" nachgewiesen,
daß es nie einen jüdischen Tempel in Jerusalem gegeben habe. Diese
Lügen seien indes zweckgebunden: Den Juden solle jeder Anspruch auf
das biblische Palästina abgesprochen werden, sie müßten als Täter
dastehen und dürften nicht Opfer sein.
Verleumdungen wie die Behauptung, die Israelis würden als
Spielzeugpuppen getarnte Bomben oder vergiftete Bonbons über
palästinensischen Städten abwerfen, ließen sich als Propagandalügen
auch in anderen Konflikten ohne jüdische Beteiligung finden und
seien deshalb nicht antisemitisch. "Wir Palästinenser müssen uns
keine Gründe ausdenken, um die Israelis zu hassen", meint ein
Schriftsteller, der ungenannt bleiben möchte. "Im besten Falle
handelt es sich bei uns deshalb um Antiisraelismus oder
Antizionismus. Aber die Grenze zum Antisemitismus wird oft
überschritten." Zur Demonstration holt er ein palästinensisches
Schulbuch hervor. Im Vorwort werden die Lernziele vom
palästinensischen Bildungsministerium definiert: "Der Schüler soll
die Grundlagen des Faschismus und Nazismus mit denen des Zionismus
vergleichen."
Lernziel Nummer fünf: "Der Schüler soll verstehen, warum die Völker
der Erde die Juden hassen."
Quelle:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung
hagalil.com
23-02-2004 |