Bau des Grenzzauns:
Scharon macht sich bereit
Israel schirmt sich mit einem
bombastischen Zaun vom Westjordanland ab – und kümmert sich wenig um
den Grenzverlauf
Von Thorsten Schmitz
Die so genannte Grüne Grenze zwischen dem
Westjordanland und Israel existiert nur auf Plänen und Landkarten
als gestrichelte Linie - physisch gibt es sie nicht. Noch nicht.
Israel hat das Westjordanland im Sechs-Tage-Krieg 1967 annektiert
und, völkerrechtswidrig, mit Ortschaften besiedelt. Inzwischen leben
im Westjordanland, das bis 1967 unter jordanischer Herrschaft stand,
220000 jüdische Siedler und schätzungsweise 1,7 Millionen
Palästinenser.
Einerseits betrachtet Israel das Westjordanland
als zugehörig zum Kernland, andererseits fürchtet es den Appendix.
Fast alle Selbstmordanschläge in den vergangenen zweieinhalb Jahren
waren von palästinensischen Terroristen verübt worden, die
ungehindert über die virtuelle Grenze zwischen Westjordanland und
Israel nach Tel Aviv und Jerusalem spaziert waren und dort Israelis
getötet haben. Aus dem Gaza-Streifen stammte kein einziger
Terrorist, denn dieser ist von einem 54 Kilometer langen Zaun
umgeben, der Tag und Nacht von israelischen Soldaten kontrolliert
wird. Als habe Israel die Hoffnung aufgegeben, die Intifada könnte
in absehbarer Zukunft diplomatisch beigelegt werden, baut es nun
einen Zaun, der die Palästinenser davon abhalten soll, sich mit
Sprengstoffgürteln bewehrt in israelischen Einkaufszentren in die
Luft zu sprengen. Ein Teilabschnitt von 150 Kilometern soll bereits
im Juli fertiggestellt sein – absurderweise mit Hilfe
palästinensischer Tagelöhner. Insgesamt wollen Regierungschef Ariel
Scharon und Verteidigungsminister Schaul Mofaz das gesamte
Westjordanland auf einer Länge von 365 Kilometern umzäunen. Selbst
entlang der jordanischen Grenze soll der Zaun verlaufen, obwohl es
dort einen regulären bereits gibt, der die beiden Staaten
voneinander trennt.
Zunächst war geplant, den Zaun mit seinen Gräben,
Mauern, Videokameras und Patrouillenstraßen ungefähr an der Grünen
Grenze entlang verlaufen zu lassen. Nun verlangt die Armee eine
Verlegung des Zauns Richtung Osten. Über diesen Vorschlag wird
Scharons Kabinett in den kommenden Tagen befinden. Der neue
Zaunverlauf würde tief ins Westjordanland hineinragen. Zwar betont
die Regierung, der Zaun sei von temporärer Natur und greife nicht
dem Grenzverlauf eines künftigen Palästinenserstaates vor; doch im
linken politischen Lager Israels gilt als gewiss, dass der jetzige
Zaun genau mit jenem eines Palästinenserstaates übereinstimmt, zu
dem Scharon höchstens bereit sei: so wenige Siedlungen wie nur
irgend möglich aufgeben und den Palästinensern 42 Prozent des
Westjordanlandes für einen entmilitarisierten Flickenteppich-Staat
überlassen. Nach dem neuen Vorschlag für den nördlichen Zaunverlauf
soll sich dieser nun um große jüdische Siedlungen wie Ariel und
Immanuel herumschlingeln, so dass diese plötzlich zum Kernland
Israels gehören – und nicht mehr im Westjordanland liegen. Der neue
Grenzverlauf hätte außerdem zur Folge, dass sich palästinensische
Ortschaften plötzlich in Israel wiederfänden – und getrennt von
ihren Landsleuten im Westjordanland. Durch den neuen Grenzverlauf,
der sich bis zu 20 Kilometer östlich von der Grünen Grenze ins
Westjordanland hineinfrisst, würden 40000 jüdische Siedler plötzlich
zu Israelis, und 3000 Palästinenser müssten sich damit abfinden, auf
der Westseite des Zauns zu leben, nicht wie ehedem auf der Ostseite
der Grünen Grenze. Plötzlich finden sich die Palästinenser auf der
falschen Seite wieder: Mit dem Haus auf der israelischen, Feldern
und Olivenbäumen aber auf der palästinensischen. In einigen Fällen
hat die israelische Regierung palästinensische Farmer großzügig
entschädigt, um auf deren Feldern den bis zu 45 Meter breiten
Zaunstreifen zu bauen.
Bislang seien 20000 Olivenbäume verpflanzt worden,
die nun auf der falschen Seite wachsen. Aus dem palästinensischen
Kabinett wird Israel die Fortsetzung der Besatzung vorgeworfen.
Planungsminister Nabil Schaath sagte gestern, der Zaunverlauf
unterminiere die Bemühungen der USA, ihren Nahost- Plan umzusetzen,
der spätestens 2005 einen Palästinenserstaat vorsieht.
hagalil.com
25-03-03 |