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Eine Beiruter Konferenz:
Friedrich Ebert Stiftung in der Kritik
Von Fritz W. Peter, März 2004
Zuvor wurde der Beispielfall einer von der Ebert Stiftung
organisierten – d.h. wesentlich aus deutschen
Steuergeldern finanzierten – Konferenz in Beirut
angesprochen, auf der als Gäste insbesondere Islamisten vertreten
waren, deren radikale Auffassungen bekannt sind. Veranschaulicht
wurde dies bereits durch Zitat. Einige weitere Belege sollen folgen,
da die Praxis der Durchführung entsprechender Veranstaltungen aus
deutschen Steuermitteln schwerlich hingenommen werden kann. Der
Veranstalter wird sich einer ganzen Reihe von Fragen stellen müssen,
von denen einige im Folgenden aufgeworfen werden. Zitiert wurde
bisher aus veröffentlichten Stellungnahmen des
Veranstaltungsteilnehmers und Referenten Azzam al-Tamimi.
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Auszug aus dem Programm:
Freedom and Human Rights: individual identity versus collective
identity
Muhammad Jawad Larijani, Teheran
Azzam al-Tamimi,
Institute of Islamic Political Thought,
London
Karin Kneissl, University of Vienna |
Tamimis
Standpunkt soll, stellvertretend auch für andere (der Richtung des
"modernen Islamismus" zuzuordnende) Teilnehmer der Konferenz, durch
eine weitere Aussage verdeutlicht werden. Entnommen sind sie einem
Beitrag Tamimis vom Oktober 2002 mit dem Titel: "Sharon et al.,
Not Saddam, the Real Savages" ( = "Sharon & Co., nicht
Saddam, die wahren Schänder").
"Der Wahnsinn
Scharons und derer, die ihn gewählt haben, ist ein klares Zeichen
dafür, dass es sich bei Israel um eine diabolische Einheit handelt,
der nicht getraut werden kann. Die Vereinigten Staaten und
Großbritannien, Israels Hauptwaffenlieferanten, sind dafür
verantwortlich zu machen, dass sie es diesem Biest gestatten, die
denkbar tödlichsten Waffen gegen die unbewaffnete und hilflose
palästinensische Bevölkerung einzusetzen. Solange und bis die
Vereinigten Staaten und Großbritannien nicht eingreifen, nicht gegen
den Irak, sondern gegen Israel, und bis die Bedrohung seitens
Israels nicht abgewehrt ist, müssen friedliebende Völker dieser
Welt, von denen viele mit dem Joch der Palästinenser sympathisieren,
das Recht der Palästinenser auf Selbstverteidigung unterstützen.
Unter den gegenwärtigen Umständen haben die Palästinenser jedes
Recht, alle verfügbaren Ressourcen einzusetzen, um die Israelis
davon abzuhalten und abzuschrecken, ihren Feldzug der Verfolgung,
Entmenschlichung und des Mordens fortzuführen. Die Ironie ist die,
dass, während die Israelis tausende von Palästinensern getötet
haben, die Iraker jedoch in den letzten zehn Jahren die Adressaten
amerikanischer und englischer Luftangriffe und schwerer Sanktionen
waren. Amerikanische und britische Luftangriffe haben bisher das
Leben hunderttausender Iraker gefordert, darunter viele Kinder. Man
fragt sich, ob der Truppenaufbau für einen totalen Krieg gegen den
Irak nicht nur der Versuch ist, die Aufmerksamkeit von den
wirklichen Schändern abzulenken, nämlich Scharon und seinem Team."
Die zitierten
Aussagen illustrieren eine unverhohlen radikale, militante
Einstellung. Entsprechende Auffassungen vertreten auch andere der
geladenen Konferenzteilnehmer, wie al-Banna oder Munir Shafiq.
So hieß es im Abschlusskommuniqué einer
2003 an der Teheraner Universität abgehaltenen Konferenz über die
palästinensische Intifada, bei der Shafiq die Eröffnungsansprache
hielt: "Die Teilnehmer dieser Konferenz halten die Vernichtung
des zionistischen Regimes für die Vorbedingung der Schaffung von
Demokratie im Mittleren Osten." [s. Bill Samii: "Israel's
‚Annihilation' Demanded at Tehran Conference", Radio Free
Europe, 1.9.03] Angesichts solcher Positionierungen unter den
Konferenzteilnehmern muss die Ebert Stiftung als Veranstalter
darlegen, dass sie mit der Konferenz keine geistig-logistische
Unterstützung für radikal-islamistische Grundpositionen gibt und
nicht den Boden des europäischen Wertekonsenses verlassen hat. Im
Fall der Beiruter Konferenz, jedenfalls bezüglich ihrer Besetzung,
werden deutsche Steuergelder allem Anschein nach fehlgeleitet.
Gedeckt und gefördert werden mit einer Konferenz dieser Besetzung
jene projektiven Denkhaltungen und perspektivlosen Erklärungsmuster,
die den Ansatzpunkt einer Besserung der arabischen Situation mehr
bei den ausgemachten Feinden als im eigenen Verantwortungsbereich
sehen: Schuldzuweisung an andere, eigene Exkulpation, Negation des
Nachbarn Israel in seinem Existenzrecht und Negation der Politik –
politischer Aushandlungsprozesse – als Mittel zur Veränderung!
Nachdenklichere arabische Stimmen wären ein lohnenderer Adressat für
Hilfestellungen auf dem Weg der arabischen Welt aus demütigender
Rückständigkeit. Entschlossenheit, die sich bei der Durchführung
terroristischer Akte zeigt, wird stattdessen benötigt für
hartnäckige Aufbautätigkeit in den wirtschaftlichen, sozialen und
politischen Aufgabenfeldern. Ohne pragmatischen Einsatz (statt
ideologischer Abkehr) und ohne Bereitschaft, eine
Mitzuständigkeit für die Zustände in den eigenen Gesellschaften
zu erkennen, wird es keine Besserung geben können.
"Äußere Kräfte
für alles und jedes verantwortlich zu machen, verhindert jeden
ernsthaften Ansatz, sich mit den schwerwiegenden inneren Problemen
und Mißständen zu beschäftigen, die der wahre Grund für den
Fortbestand von Diktaturen, Gewalt und Instabilität, einer relativ
langsamen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklung sind," fasst Barry Rubin in seiner Untersuchung des
arabischen Antiamerikanismus zusammen [s. seinen Beitrag in:
Amerika – Antiamerikanismus, hrsg. v. Th. Uwer, Th. von der
Osten-Sacken, Andrea Woeldike, 2003]. Seine Schlussfolgerung ist,
dass der größte Schaden durch die Ideologisierung des Themas in der
arabischen Welt selbst entsteht.
Nicht "die Vernichtung des zionistischen Regimes ist die
Vorbedingung der Schaffung von Demokratie im Mittleren Osten"
(s.o.), sondern eine weniger ideologisch orientierte Interpretation
der
eigenen Situation der arabisch-islamischen Welt und der
Anforderungen, die an die Länder des Größeren Mittleren Ostens
gestellt sind, bildet die "Vorbedingung" (s. voranstehendes
Zitat) für Entwicklung im Innern und konstruktiven
Dialog mit der Außenwelt. Ganz
bewusst wird in der islamistischen Argumentation durch Ausdrücke wie
"zionistisches Regime"/"zionistisches Projekt" auch der
Rekurs auf eine völkerrechtliche Betrachtung abgewehrt [bewusste
Vermeidung der Bezeichnung: Staat Israel ]. Während die
Rechte des palästinensischen
Volkes unablässig eingeklagt werden, bleibt jeder Gedanke an
Völkerrecht in Bezug auf Israel ausgeblendet. Es wäre konsequent,
wenn die europäische Öffentlichkeit diesen Gedanken desto mehr,
desto beharrlicher und vernehmlicher, einforderte. Noch frisch ist
die Erinnerung daran, wie unverdrossen auf Europas Strassen das
Völkerrechtsargument bzgl. des Irak-Einmarsches bemüht wurde. [s.
Kasten]
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Jürgen Habermas,
der den alliierten Einmarsch in Irak besonders heftig als
Verletzung des Völkerrechts
kritisiert hat und damit stellvertretend für eine zahlreiche
Öffentlichkeit steht, versuchte aus den seinerzeitigen
Protestkundgebungen sogar ein Ereignis von historischem Rang zu
machen. In seinem Aufruf "Unsere Erneuerung – Die
Wiedergeburt Europas", veröffentlicht am 31.5.03 in der
F.A.Z, schreibt er: "Zwei Daten sollten wir nicht
vergessen: nicht den Tag, an dem die Zeitungen ihren verblüfften
Lesern von jener Loyalitätsbekundung gegenüber Bush Mitteilung
machten, zu der der spanische Ministerpräsident die
kriegswilligen europäischen Regierungen hinter dem Rücken der
anderen EU-Kollegen eingeladen hatte; aber ebenso wenig den 15.
Februar 2003, als die demonstrierenden
Massen in London und Rom, Madrid und Barcelona, Berlin und Paris
auf diesen Handstreich reagierten. Die Gleichzeitigkeit dieser
überwältigenden Demonstration – der größten seit dem Ende des
Zweiten Weltkriegs – könnte rückblickend als Signal für die
Geburt einer europäischen Öffentlichkeit in die Geschichtsbücher
eingehen." Zur Kritik
dieser Sicht (sie wirkt völlig überzogen und hat eine
diffamierende Tendenz) vgl. Fritz W. Peter: "Naheliegende
Einsichten und Fragen – Europa nach der Irak-Erfahrung",
Aug.'03, Vortragsskript (erhältlich über den Verfasser).
Habermas' pathetischer Aufruf kontrastiert merkwürdig mit der
täglichen Mühsal des Neuordnungsprozesses, den dafür erbrachten
Opfern sowie den vorhandenen, aber bedrohten Anfangs- und
Teilerfolgen dieses Prozesses
(s. Kap. 6). |
In einer
Pressemitteilung ...
(vom 12.3.04)
sah sich die Ebert Stiftung immerhin zu einer Reaktion in Bezug auf
die von außen geübte Kritik an der Konferenz veranlasst. Als
zentrale Ziele der Konferenz nennt die Pressemitteilung:
-
"die
Dialogfähigkeit des politischen Islam auszuloten",
-
"Wandel
durch Annäherung zu ermöglichen"
sowie
-
"Verständnis für die israelische Erfahrung der Bedrohung und
legitime Sicherheitsbedürfnisse einzufordern".
In der (mit 26
Zeilen knapp gehaltenen) FES-Pressenotiz wird außerdem
hervorgehoben, dass von MdB Dr. Christoph Zöpel in dessen
Konferenzbeitrag auf die "Grundlagen der deutschen Nahostpolitik,
die auf der eindeutigen Unterstützung und engagierte(n) Solidarität
mit Israel basieren, an prominenter Stelle" hingewiesen wurde.
"Für seine kompromisslose Verurteilung von Selbstmordattentaten
(sei Zöpel danach) in den libanesischen Medien heftig
kritisiert" worden.
Die Kritik
erscheint damit kaum entschärft. Erfolgte nur durch Zöpel
eine energische, nicht überhörbare Verurteilung von
Selbstmordattentaten? Glaubt man, die anwesenden Islamisten (deren
Argumentationen sich aus dem Ziel der Liquidierung des
"zionistischen Projekts" doch gerade "speisen" und ableiten) von
ihrem Kurs abbringen zu können? Glaubt man, dass auch nur einem der
anwesenden Islamisten vor Konferenzbeginn unbekannt war, dass aus
europäischer Sicht Selbstmordattentate kein akzeptiertes
Mittel der Politik sind und dass Europa sich auch gegenüber
Israel in der Pflicht sehen will oder muss? Glaubt man, dass
reflexhafte und radikalisierte Positionen – die eben nicht
gemäßigte Positionen sind – im seminaristischen Gespräch einer
politischen Mäßigung zugänglich sind? Mit welcher
stichhaltigen Begründung glaubt man, dass Islamisten politische
(den Kompromiss einschließende) Lösungen suchen? Wird nicht vielmehr
ein Forum gesucht, um feststehende Vorstellungen, die
Ausschließlichkeitscharakter haben, abermals propagieren zu können?
Etwas Belehrung, die keine Wirkung tut, werden Islamisten in Kauf
nehmen, wenn ihnen dafür eine Plattform geboten wird, von der sie
glauben, dass sie propagandistische Wirkung haben kann.
[Aufschlussreichen Nachhilfeunterricht gibt Thomas Hauschild in:
Frankfurter Rundschau online; sowie Yassin Musharbash,
"Die neue Quaida-Doktrin", in:
Spiegel online, 18.3.04. Ein akzentuiertes Gesamtbild
vermittelt Udo Ulfkotte in zahlreichen Buchveröffentlichungen. Siehe
auch Textkasten am Schluss dieses Kapitels mit Auszügen von
Beiträgen von Leon de Winter und Günter Bierbrauer.]
Glaubt der
Veranstalter, dass der Hinweis auf israelische Sicherheitsinteressen
Neuigkeitswert für die geladenen islamistischen Intellektuellen hat?
Es leuchtet auch wenig ein, warum ein Bewusstsein für israelische
Bedrohtheitsgefühle erzeugt werden muss, wenn doch gerade die
Stimulierung solcher Gefühle der "politische Stoff"
und bewusste strategische Hebel der Islamisten ist. "Verständnis"
für israelische Bedrohtheitsgefühle besteht doch bereits in dem
Sinne, dass man sie nach Kräften zu schüren versucht – siehe
Zitate, siehe Attentate! Verständnis im Sinne der Empathie
wird man – unter den Prämissen islamistischer Zielsetzung! –
kaum "herbei argumentieren" können, sondern höchstens mit
konkludentem Verhalten durchsetzen können. Ein solches
Verhalten ist aber nicht erkennbar, wenn erst durch nachgereichte
kurze Pressenotiz oder durch obligate Stellungnahme im Rahmen
von Einzelbeiträgen – und sei es "an prominenter Stelle" –
das Ansinnen des Veranstalters klar gestellt wird, ein
Ansinnen, das übrigens strikt auf
politischen Ausgleich gerichtet zu sein hätte!
Glaubt der Veranstalter, z.B. Tamimis oben zitierten NS-Vergleich
– vorheriges Kapitel – mit Schweigen übergehen zu können?
Glauben die Organisatoren der Ebert Stiftung, derartige Statements
als "rhetorisches
Beiwerk" – "Arabeske" – abtun zu können? Glauben sie, dass es
genüge, solche veröffentlichten Bekundungen nur für unqualifiziert
zu halten, ohne dies auch deutlich zu sagen, d.h. einen Dissens
offen und öffentlich festzustellen
– und zwar schon vor Aussprechen einer Einladung. Oder teilt man
sogar "ein wenig" die Auffassung von Herrn Tamimi – und hält sie
vielleicht nur für graduell überzogen?
Wenn
Gastdozenten der Friedrich Ebert Stiftung nicht von Israel als einem
völkerrechtlichem Subjekt – Staat Israel – sprechen zu
wollen, leugnen sie die Realität. Führt es weiter, ihr beschädigtes
Wahrnehmungsvermögen nicht anzusprechen? Analyse (statt Ideologie)
kann weiterhelfen. Wie kommt die Ebert Stiftung diesem Auftrag
gegenüber ihren Adressaten nach?
"Wandel durch Annäherung"
(s.o.) kann nicht die erforderlichen – definitiv geltenden –
Orientierungskonstanten
ausblenden. Eine Annäherung an intolerante Positionen wäre
nicht gedeckt durch den politischen Auftrag der Stiftung. Die
FES – muss man sie erst daran erinnern? – hat in der Ausrichtung
ihrer Arbeit Basisvorgaben einzuhalten sowie entsprechende
Bedingungen zu stellen. Ohne diese Konditionalität würde die
politische Bildungsarbeit zur "Spielwiese" – in diesem Fall für
Islamisten.
Die
Pressemitteilung suggeriert ein zielstrebiges Verhalten: "Der
Dialog mit dem Islam muss den politischen Islam einschließen. Ihn zu
marginalisieren führt in die Sackgasse." Was hier in markigen
Worten als Begründung verlautbart wird, erweist sich schnell als
Bluff. Als äußerst eingeengt stellt sich das auf der Konferenz
vertretene Spektrum des politischen Islam dar.
Denkrichtungen, wie sie z.B. im vorangegangenen Text (vgl. 3,
Mehr Analyse, weniger Ideologie) durch Zitate veranschaulicht
sind, waren auf der Konferenz kaum repräsentiert. Mit der
Referentenauswahl ergibt sich eine bedauerliche (Selbst-)
Marginalisierung insofern, als das in den
nah-/mittelöstlichen
Gesellschaften anzutreffende politische Meinungsspektrum in
Wahrheit breiter, kraftvoller und auch konstruktiver ist. Die
Konferenz erweist sich in ihrer wenig offenen Definition des
Kriteriums "politischer Islam" als S a c k g a s s e (um
die Diktion der Pressemitteilung aufzunehmen). Das ausgegebene
Konferenz-Ziel, die arabische politische Öffentlichkeit in
ihrer Dialogfähigkeit "auszuloten", wie es in der Notiz
heißt, kann in dieser Weise nicht gelingen. Zudem erhebt sich die
Frage, warum die vorgebliche Zielsetzung (die Konferenz als Test
auf die Dialogfähigkeit zu verstehen) nicht vorab deutlicher und
öffentlicher erklärt wurde – als faire und ernst gemeinte
Herausforderung an den Gesprächspartner und auch im Sinne
notwendiger Konditionalität. In den genannten Zielen ist
davon die Rede, dass ein Verständnis "eingefordert" werden
soll. Dies heißt doch, dass Erwartungen gegenüber dem Dialogpartner
offen und offensiv angesprochen werden sollen. Wie ernst
ist es der FES mit ihren Zielsetzungen? Wird es eine kritische und
evtl. selbstkritische Nachlese geben? Welche Kriterien sollen
dabei angelegt werden, die auch dem neutralen Beobachter den
Eindruck vermitteln, dass Resultate übergedacht werden – also
Wirkungen oder ausbleibende Wirkungen? Der Gegenstand, das Anliegen
eines politischen Dialogs mit der arabisch-islamischen Welt, ist zu
bedeutsam, um nicht einer kritischen Überprüfung unterzogen
werden zu müssen.
Volker
Perthes, ebenfalls Teilnehmer der Beiruter Konferenz, schreibt
zutreffend und in diplomatischer Wendung: "Israel bringt
Washington mehr Vertrauen entgegen, während unter Palästinensern
Europa größeres Vertrauen genießt."
[vgl. SWP Comments, V. Perthes: "America's ‚Greater Middle East' and
Europe", Febr. 2004, S. 1 - 8, Zitat S. 5f.]
Das
Fallbeispiel der FES-gestützten Beiruter Konferenz lässt einige der
Gründe erahnen, die diese Allokation des Vertrauens mit verursachen.
Verantwortungsvolles Handeln belässt es jedoch nicht dabei,
Sympathien zu verteilen: Es muss das glaubhaft vertretene Bestreben
bleiben, sich den Respekt beider Seiten – beider Konfliktparteien –
zu erarbeiten.
Die Bilanz der
Konferenz unter Aspekten der Förderung politischer
Denkkategorien und Lösungsansätze fällt wenig überzeugend – wenn
nicht sogar negativ – aus. Einer wenig einsichtigen, wenig
transparenten und wenig intensiven Begründung des Konferenzziels
(mit floskelhaften Begründungen wie z.B. "Wandel durch
Annäherung" – Soll sich Europa den islamistischen
Vorstellungen annähern, soll es Verständnis für die von
islamistischer Seite verfolgte Vernichtung Israels zeigen?) steht
eine nicht weniger zu kritisierende, unausgewogene
Teilnehmerbesetzung bei den Gästen aus Nah-/Mittelost zur Seite
– dieses alles finanziert durch öffentliche Mittel!
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Als "Apokalypzismus" bezeichnet Leon de Winter die
Motivstruktur der Islamisten: "Islamo-Faschismus hat Josef
Joffe das Denken der Islamisten vergangene Woche genannt. Doch
das ist ein Terminus aus einem vertrauten Begriffsapparat. Der
Islamismus ist fremder. Der Islamismus ist Apokalypzismus. Bin
Ladens Welt und die der Islamisten erstreckt sich über den Tod
hinaus. Für sie wird eine Apokalypse am Ende die Trennung
zwischen Leben und Tod und Himmel und Erde aufheben, die
Gläubigen belohnen und eine irdische Ewigkeit schaffen. Bis es
dazu kommt, ist die Welt Schauplatz gewaltsamer
Auseinandersetzungen zwischen Gläubigen und Ungläubigen. ( ... )
Die Apokalyptiker sind die wahrhaft Gläubigen. Sie glauben, dass
außerhalb unserer menschlichen Welt eine kosmische Kraft
existiert, die das Folgende von ihnen verlangt: Sie sollen dem
ungläubigen Westen den Garaus machen. Die Apokalyptiker tun das
nicht aus Liebe zu der Kraft, die sie Allah nennen – sie tun es
aus Furcht. Sie fürchten, das ewige Leben zu verspielen, wenn
sie nicht den Willen jener kosmischen Kraft ausführen. Sie
glauben, den Willen dieser Kraft aus dem Studium ihrer heiligen
Texte zu kennen. Und ( ... ) dass sie diese Botschaft finden,
ist nicht verwunderlich: Die Apokalypse ist ein wesentliches
Kennzeichen der monotheistischen Offenbarungsmythologie. – Die
Erwartung, dass das Ende der Zeiten nahe sei, und die
Überzeugung, dass dieses herbeigeführt zu werden habe, bestehen
seit Jahrtausenden. Viele Generationen von Juden und Christen
haben atemlos auf den Jüngsten Tag gewartet, an dem Gott
genannte kosmische Kraft, höchst selbst oder durch einen
Abgesandten, in den Lauf alles Irdischen und Menschlichen
eingreifen werde. Manche – Juden, Christen, Moslems – glauben,
dass das Kommen des Jüngsten Tages beschleunigt werden könne.
Die Monster, die die Opfer von Madrid oder Bali oder Istanbul
auf dem Gewissen haben, zweifeln nicht im Geringsten daran, dass
sie Gottes Willen ausführen. Rotte die Ungläubigen aus, und der
Herr wird es zufrieden sein. Mit den Apokalyptikern lassen sich
keine Kompromisse schließen. Sie töten mit einem Lächeln, sie
sterben mit einem Lächeln. ( ... ) Ist der Islamismus dem
'wahren' Islam fremd, wie wir oft zu hören bekommen? Natürlich
nicht. So wie die Inquisition eine Option innerhalb des
Christentums ist und die nationalistische Orthodoxie eine Option
innerhalb des Judentums, so ist der extremistische Islamismus
eine Option innerhalb des Islam. Vielleicht sind diese radikalen
Varianten sogar die reinste Ausprägung der
Offenbarungsmythologie des Monotheismus. Gottes Reich komme,
wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, und es ist am
Gläubigen, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Mit dem
wahren Gläubigen ist kein Kuhhandel zu treiben. Seine Wahrheit
ist mit Kompromissen unvereinbar. (...)" [s. Leon de Winter
– "Dann ergeben wir uns doch einfach!" – in: Die Welt,
27.3.04; Josef Joffe – "Die Offensive des Islamo-Faschismus"
– in: Die Zeit, 13/04, 17.3.04]
In seinen "Anmerkungen zu den Ursachen des Internationalen
Islamischen Terrorismus" resümiert Günter Bierbrauer: "Um
das Wissen der eigenen Sterblichkeit zu bannen, ist
möglicherweise für Terroristen der 'Griff nach dem großen
Projekt' (Robert Lay Lifton) mit seinen vermeintlichen
Endlösungen im Sinne einer Elimination der Ungläubigen, mit
Gefühlen der Erlösung und Beglückung verbunden. (...) Wenn
[unter bestimmten Voraussetzungen] ein Versprechen für
Unsterblichkeit gemacht wird, dann können Menschen offenbar
kollektiv zum Kampf mobilisiert werden und sind sogar bereit
dazu, ihr Leben einzusetzen."
[G. Bierbauer, in: Politische Studien, Heft 386, 53. Jg.
Nov./Dez. 2002] |
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18-05-2004 |