hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
 
Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Jüdische Weisheit
Hymne - Israel
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!
Advertize in haGalil?
Your Ad here!
Eine aktualisierte Version ist als PDF (634 kb) bei Wadinet abrufbar:
Die Irak Erfahrung: Lehrstunde für Völkerrechtler

Eine Beiruter Konferenz:
Friedrich Ebert Stiftung in der Kritik

Von Fritz W. Peter, März 2004

Zuvor wurde der Beispielfall einer von der Ebert Stiftung organisierten  –  d.h. wesentlich aus deutschen Steuergeldern finanzierten  –  Konferenz in Beirut angesprochen, auf der als Gäste insbesondere Islamisten vertreten waren, deren radikale Auffassungen bekannt sind. Veranschaulicht wurde dies bereits durch Zitat. Einige weitere Belege sollen folgen, da die Praxis der Durchführung entsprechender Veranstaltungen aus deutschen Steuer­mitteln schwerlich hingenommen werden kann. Der Veranstalter wird sich einer ganzen Reihe von Fragen stellen müssen, von denen einige im Folgenden aufgeworfen werden. Zitiert wurde bisher aus veröffentlichten Stellungnahmen des Veranstaltungsteilnehmers und Referenten Azzam al-Tamimi.

Auszug aus dem Programm:

Feb. 18, 2004  (10.00 – 11.00)

Freedom and Human Rights: individual identity versus collective identity

Muhammad Jawad Larijani, Teheran

Azzam al-Tamimi, Institute of Islamic Political Thought, London

Karin Kneissl, University of Vienna

Tamimis Standpunkt soll, stellvertretend auch für andere (der Richtung des "modernen Islamismus" zuzuordnende) Teilnehmer der Konferenz, durch eine weitere Aussage verdeutlicht werden. Entnommen sind sie einem Beitrag Tamimis vom Oktober 2002 mit dem Titel: "Sharon et al., Not Saddam, the Real Savages" ( = "Sharon & Co., nicht Saddam, die wahren Schänder").

"Der Wahnsinn Scharons und derer, die ihn gewählt haben, ist ein klares Zeichen dafür, dass es sich bei Israel um eine diabolische Einheit handelt, der nicht getraut werden kann. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien, Israels Hauptwaffenlieferanten, sind dafür verantwortlich zu machen, dass sie es diesem Biest gestatten, die denkbar tödlichsten Waffen gegen die unbewaffnete und hilflose palästinensische Bevölkerung einzusetzen. Solange und bis die Vereinigten Staaten und Großbritannien nicht eingreifen, nicht gegen den Irak, sondern gegen Israel, und bis die Bedrohung seitens Israels nicht abgewehrt ist, müssen friedliebende Völker dieser Welt, von denen viele mit dem Joch der Palästinenser sympathisieren, das Recht der Palästinenser auf Selbstverteidigung unterstützen. Unter den gegenwärtigen Umständen haben die Palästinenser jedes Recht, alle verfügbaren Ressourcen einzusetzen, um die Israelis davon abzuhalten und abzuschrecken, ihren Feldzug der Verfolgung, Entmenschlichung und des Mordens fortzuführen. Die Ironie ist die, dass, während die Israelis tausende von Palästinensern getötet haben, die Iraker jedoch in den letzten zehn Jahren die Adressaten amerikanischer und englischer Luftangriffe und schwerer Sanktionen waren. Amerikanische und britische Luftangriffe haben bisher das Leben hunderttausender Iraker gefordert, darunter viele Kinder. Man fragt sich, ob der Truppenaufbau für einen totalen Krieg gegen den Irak nicht nur der Versuch ist, die Aufmerksamkeit von den wirklichen Schändern abzulenken, nämlich Scharon und seinem Team."

Die zitierten Aussagen illustrieren eine unverhohlen radikale, militante Einstellung. Entsprechende Auffassungen vertreten auch andere der geladenen Konferenzteilnehmer, wie al-Banna oder Munir Shafiq. So hieß es im Abschlusskommuniqué einer 2003 an der Teheraner Universität abgehaltenen Konferenz über die palästinensische Intifada, bei der Shafiq die Eröffnungsansprache hielt: "Die Teilnehmer dieser Konferenz halten die Vernichtung des zionistischen Regimes für die Vorbedingung der Schaffung von Demokratie im Mittleren Osten." [s. Bill Samii: "Israel's ‚Annihilation' Demanded at Tehran Conference", Radio Free Europe, 1.9.03] Angesichts solcher Positionierungen unter den Konferenzteilnehmern muss die Ebert Stiftung als Veranstalter darlegen, dass sie mit der Konferenz keine geistig-logistische Unterstützung für radikal-islamistische Grundpositionen gibt und nicht den Boden des europäischen Wertekonsenses verlassen hat. Im Fall der Beiruter Konferenz, jedenfalls bezüglich ihrer Besetzung, werden deutsche Steuergelder allem Anschein nach fehlgeleitet. Gedeckt und gefördert werden mit einer Konferenz dieser Besetzung jene projektiven Denkhaltungen und perspektivlosen Erklärungsmuster, die den Ansatzpunkt einer Besserung der arabischen Situation mehr bei den ausgemachten Feinden als im eigenen Verantwortungsbereich sehen: Schuldzuweisung an andere, eigene Exkulpation, Negation des Nachbarn Israel in seinem Existenzrecht und Negation der Politik – politischer Aushandlungsprozesse – als Mittel zur Veränderung! Nachdenklichere arabische Stimmen wären ein lohnenderer Adressat für Hilfestellungen auf dem Weg der arabischen Welt aus demütigender Rückständigkeit. Entschlossenheit, die sich bei der Durchführung terroristischer Akte zeigt, wird stattdessen benötigt für hartnäckige Auf­bautätigkeit in den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Aufgabenfeldern. Ohne pragmatischen Einsatz (statt ideologischer Abkehr) und ohne Bereitschaft, eine Mitzuständigkeit für die Zustände in den eigenen Gesellschaften zu erkennen, wird es keine Besserung geben können.

"Äußere Kräfte für alles und jedes verantwortlich zu machen, verhindert jeden ernsthaften Ansatz, sich mit den schwerwiegenden inneren Problemen und Mißständen zu beschäftigen, die der wahre Grund für den Fortbestand von Diktaturen, Gewalt und Instabilität, einer relativ langsamen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sind," fasst Barry Rubin in seiner Untersuchung des arabischen Antiameri­kanismus zusammen [s. seinen Beitrag in: Amerika – Antiamerikanismus, hrsg. v. Th. Uwer, Th. von der Osten-Sacken, Andrea Woeldike, 2003]. Seine Schlussfolgerung ist, dass der größte Schaden durch die Ideologisierung des Themas in der arabischen Welt selbst entsteht.

Nicht "die Vernichtung des zionistischen Regimes ist die Vorbedingung der Schaffung von Demokratie im Mittleren Osten" (s.o.), sondern eine weniger ideologisch orientierte Interpretation der eigenen Situation der arabisch-islamischen Welt und der Anforderungen, die an die Länder des Größeren Mittleren Ostens gestellt sind, bildet die "Vorbedingung" (s. voranstehendes Zitat) für Entwicklung im Innern und konstruktiven Dialog mit der Au­ßenwelt. Ganz bewusst wird in der islamistischen Argumentation durch Ausdrücke wie "zionistisches Regime"/"zionistisches Projekt" auch der Rekurs auf eine völkerrechtliche Betrachtung abgewehrt [bewusste Vermeidung der Bezeichnung: Staat Israel ]. Während die Rechte des palästinen­sischen Volkes unablässig eingeklagt werden, bleibt jeder Gedanke an Völkerrecht in Bezug auf Israel  ausgeblendet. Es wäre konsequent, wenn die europäische Öffentlichkeit diesen Gedanken desto mehr, desto beharrlicher und vernehmlicher, einforderte. Noch frisch ist die Erinnerung daran, wie unverdrossen auf Europas Strassen das Völkerrechtsargument bzgl. des Irak-Einmarsches bemüht wurde. [s. Kasten]

Jürgen Habermas, der den alliierten Einmarsch in Irak besonders heftig als Verletzung des Völker­rechts kritisiert hat und damit stellvertretend für eine zahlreiche Öffentlichkeit steht, versuchte aus den seinerzeitigen Protestkundgebungen sogar ein Ereignis von historischem Rang zu machen. In seinem Aufruf "Unsere Erneuerung – Die Wiedergeburt Europas", veröffentlicht am 31.5.03 in der F.A.Z, schreibt er: "Zwei Daten sollten wir nicht vergessen: nicht den Tag, an dem die Zeitungen ihren verblüfften Lesern von jener Loyalitätsbekundung gegenüber Bush Mitteilung machten, zu der der spanische Ministerpräsident die kriegswilligen europäischen Regierungen hinter dem Rücken der anderen EU-Kollegen eingeladen hatte; aber ebenso wenig den 15. Februar 2003, als die demonstrierenden Massen in London und Rom, Madrid und Barcelona, Berlin und Paris auf diesen Handstreich reagierten. Die Gleichzeitigkeit dieser überwältigenden Demonstration – der größten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs – könnte rückblickend als Signal für die Geburt einer europäischen Öffentlichkeit in die Geschichtsbücher eingehen." Zur Kritik dieser Sicht (sie wirkt völlig überzogen und hat eine diffamierende Tendenz) vgl. Fritz W. Peter: "Naheliegende Einsichten und Fragen  –  Europa nach der Irak-Erfahrung", Aug.'03, Vortragsskript (erhältlich über den Verfasser). Habermas' pathetischer Aufruf kontrastiert merkwürdig mit der täglichen Mühsal des Neuordnungsprozesses, den dafür erbrachten Opfern sowie den vorhandenen, aber bedrohten Anfangs- und Teilerfolgen die­ses Prozesses (s. Kap. 6).

In einer Pressemitteilung ...

(vom 12.3.04) sah sich die Ebert Stiftung immerhin zu einer Reaktion in Bezug auf die von außen geübte Kritik an der Konferenz veranlasst. Als zentrale Ziele der Konferenz nennt die Pressemitteilung:

  • "die Dialogfähigkeit des politischen Islam auszuloten",

  • "Wandel durch Annäherung zu ermöglichen" sowie

  • "Verständnis für die israelische Erfahrung der Bedrohung und legitime Sicherheitsbedürfnisse einzu­fordern".

In der (mit 26 Zeilen knapp gehaltenen) FES-Pressenotiz wird außerdem hervorgehoben, dass von MdB Dr. Christoph Zöpel in dessen Konferenzbeitrag auf die "Grundlagen der deutschen Nahostpolitik, die auf der eindeutigen Unterstützung und engagierte(n) Solidarität mit Israel basieren, an prominenter Stelle" hingewiesen wurde. "Für seine kompromisslose Verurteilung von Selbstmordattentaten (sei Zöpel danach) in den libanesischen Medien heftig kritisiert"  worden.

Die Kritik erscheint damit kaum entschärft. Erfolgte nur durch Zöpel eine energische, nicht überhörbare Verurteilung von Selbstmordattentaten? Glaubt man, die anwesenden Islamisten (deren Argumentationen sich aus dem Ziel der Liquidierung des "zionistischen Projekts" doch gerade "speisen" und ableiten) von ihrem Kurs abbringen zu können? Glaubt man, dass auch nur einem der anwesenden Islamisten vor Konferenzbeginn unbekannt war, dass aus europäischer Sicht Selbstmordattentate kein akzeptiertes Mittel der Politik sind und dass Europa sich auch gegenüber Israel in der Pflicht sehen will oder muss? Glaubt man, dass reflexhafte und radikalisierte Positionen – die eben nicht gemäßigte Positionen sind – im seminaristischen Gespräch einer politischen Mäßigung zugänglich sind? Mit welcher stichhaltigen Be­gründung glaubt man, dass Islamisten politische (den Kompromiss einschließende) Lösungen suchen? Wird nicht vielmehr ein Forum gesucht, um feststehende Vorstellungen, die Ausschließlichkeitscharakter haben, abermals propagieren zu können? Etwas Belehrung, die keine Wirkung tut, werden Islamisten in Kauf nehmen, wenn ihnen dafür eine Plattform geboten wird, von der sie glauben, dass sie propagandistische Wirkung haben kann. [Aufschlussreichen Nachhilfeunterricht gibt Thomas Hauschild in: Frankfurter Rundschau online; sowie Yassin Musharbash, "Die neue Quaida-Doktrin", in: Spiegel online, 18.3.04. Ein akzentuiertes Gesamtbild vermittelt Udo Ulfkotte in zahlreichen Buchveröffentlichungen. Siehe auch Textkasten am Schluss dieses Kapitels mit Auszügen von Beiträgen von Leon de Winter und Günter Bierbrauer.]

Glaubt der Veranstalter, dass der Hinweis auf israelische Sicherheitsinteressen Neuigkeitswert für die geladenen islamistischen Intellektuellen hat? Es leuchtet auch wenig ein, warum ein Bewusstsein für israelische Bedrohtheitsgefühle erzeugt werden muss, wenn doch gerade die Stimulierung solcher Gefühle der "politische Stoff" und bewusste strategische Hebel der Islamisten ist. "Verständnis" für israelische Bedrohtheitsgefühle besteht doch bereits in dem Sinne, dass man sie nach Kräften zu schüren versucht – siehe Zitate, siehe Attentate! Verständnis im Sinne der Empathie wird man – unter den Prämissen islamistischer Zielsetzung! – kaum "herbei argumentieren" können, sondern höchstens mit konkludentem Verhalten durchsetzen können. Ein solches Verhalten ist aber nicht erkennbar, wenn erst durch nachgereichte kurze Pressenotiz oder durch obligate Stellungnahme im Rahmen von Einzelbeiträgen – und sei es "an prominenter Stelle" – das Ansinnen des Veranstalters klar gestellt wird, ein Ansinnen, das übrigens strikt auf politischen Ausgleich gerichtet zu sein hätte!

Glaubt der Veranstalter, z.B. Tamimis oben zitierten NS-Vergleich – vorheriges Kapitel – mit Schweigen übergehen zu können? Glauben die Organisatoren der Ebert Stiftung, derartige Statements als "rhetorisches Beiwerk"  – "Arabeske" –  abtun zu können? Glauben sie, dass es genüge, solche veröffentlichten Bekundungen nur für unqualifiziert zu halten, ohne dies auch deutlich zu sagen, d.h. einen Dissens offen und öffentlich fest­zustellen – und zwar schon vor Aussprechen einer Einladung. Oder teilt man sogar "ein wenig" die Auffassung von Herrn Tamimi – und hält sie vielleicht nur für graduell überzogen?

Wenn Gastdozenten der Friedrich Ebert Stiftung nicht von Israel als einem völkerrecht­lichem Subjekt  –  Staat Israel  –  sprechen zu wollen, leugnen sie die Realität.  Führt es weiter, ihr beschädigtes Wahrnehmungsvermögen nicht anzusprechen? Analyse (statt Ideologie) kann weiterhelfen. Wie kommt die Ebert Stiftung diesem Auftrag gegenüber ihren Adressaten nach?

"Wandel durch Annäherung" (s.o.) kann nicht die erforderlichen  –  definitiv geltenden  – Orientierungskonstanten ausblenden.  Eine Annäherung an intolerante Positionen wäre nicht gedeckt durch den politischen Auftrag der Stiftung. Die FES  –  muss man sie erst daran erinnern?  –  hat in der Ausrichtung ihrer Arbeit Basisvorgaben einzuhalten sowie entsprechende Bedingungen zu stellen. Ohne diese Konditionalität würde die politische Bildungsarbeit zur "Spielwiese"  –  in diesem Fall für Islamisten.

Die Pressemitteilung suggeriert ein zielstrebiges Verhalten: "Der Dialog mit dem Islam muss den politischen Islam einschließen. Ihn zu marginalisieren führt in die Sackgasse." Was hier in markigen Worten als Begründung verlautbart wird, erweist sich schnell als Bluff. Als äußerst eingeengt stellt sich das auf der Konferenz vertretene Spektrum des politischen Islam dar. Denkrichtungen, wie sie z.B. im vorangegangenen Text (vgl. 3, Mehr Analyse, weniger Ideologie) durch Zitate veranschaulicht sind, waren auf der Konferenz kaum repräsentiert. Mit der Referentenauswahl ergibt sich eine bedauerliche (Selbst-) Marginalisierung insofern, als das in den nah-/mittelöstlichen Gesellschaften anzutreffende po­litische Meinungsspektrum in Wahrheit breiter, kraftvoller und auch konstruktiver ist. Die Konferenz er­weist sich in ihrer wenig offenen Definition des Kriteriums "politischer Islam" als  S a c k g a s s e  (um die Diktion der Pressemitteilung aufzunehmen). Das ausgegebene Konferenz-Ziel, die arabische politische Öffentlichkeit in ihrer Dialogfähigkeit "auszuloten", wie es in der Notiz heißt, kann in dieser Weise nicht gelingen. Zudem erhebt sich die Frage, warum die vorgebliche Zielsetzung (die Konferenz als Test auf die Dialogfähigkeit zu verstehen) nicht vorab deutlicher und öffentlicher erklärt wurde – als faire und ernst gemeinte Herausforderung an den Gesprächspartner und auch im Sinne notwendiger Konditionalität. In den ge­nannten Zielen ist davon die Rede, dass ein Verständnis "eingefordert" werden soll. Dies heißt doch, dass Erwartungen gegenüber dem Dialogpartner offen und offensiv angesprochen werden sollen. Wie ernst ist es der FES mit ihren Zielsetzungen? Wird es eine kritische und evtl. selbstkritische Nachlese geben? Welche Kriterien sollen dabei angelegt werden, die auch dem neutralen Beobachter den Eindruck vermitteln, dass Resultate übergedacht werden – also Wirkungen oder ausbleibende Wirkungen? Der Gegenstand, das Anliegen eines politischen Dialogs mit der arabisch-islamischen Welt, ist zu bedeutsam, um nicht einer kritischen Überprüfung unterzogen werden zu müssen.

Volker Perthes, ebenfalls Teilnehmer der Beiruter Konferenz, schreibt zutreffend und in diplomatischer Wendung: "Israel bringt Washington mehr Vertrauen entgegen, während unter Palästinensern Europa größeres Vertrauen genießt."  [vgl. SWP Comments, V. Perthes: "America's ‚Greater Middle East' and Europe", Febr. 2004, S. 1 - 8, Zitat S. 5f.] Das Fallbeispiel der FES-gestützten Beiruter Konferenz lässt einige der Gründe erahnen, die diese Allokation des Vertrauens mit verursachen. Verantwortungsvolles Handeln belässt es jedoch nicht dabei, Sympathien zu verteilen: Es muss das glaubhaft vertretene Bestreben bleiben, sich den Respekt beider Seiten – beider Konfliktparteien – zu erarbeiten.

Die Bilanz der Konferenz unter Aspekten der Förderung politischer Denkkategorien und Lösungsansätze fällt wenig überzeugend – wenn nicht sogar negativ – aus. Einer wenig einsichtigen, wenig transparenten und wenig intensiven Begründung des Konferenzziels (mit floskelhaften Begründungen wie z.B. "Wandel durch Annäherung"  –  Soll sich Europa den islamistischen Vorstellungen annähern, soll es Verständnis für die von islamistischer Seite verfolgte Vernichtung Israels zeigen?) steht eine nicht weniger zu kriti­sierende, unausgewogene Teilnehmerbesetzung bei den Gästen aus Nah-/Mittelost zur Seite  –  dieses alles finanziert durch öffentliche Mittel!

Als "Apokalypzismus" bezeichnet Leon de Winter die Motivstruktur der Islamisten: "Islamo-Faschismus hat Josef Joffe das Denken der Islamisten vergangene Woche genannt. Doch das ist ein Termi­nus aus einem vertrauten Begriffsapparat. Der Islamismus ist fremder. Der Islamismus ist Apokalypzismus. Bin Ladens Welt und die der Islamisten erstreckt sich über den Tod hinaus. Für sie wird eine Apokalypse am Ende die Trennung zwischen Leben und Tod und Himmel und Erde aufheben, die Gläubigen belohnen und eine irdische Ewigkeit schaffen. Bis es dazu kommt, ist die Welt Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Gläubigen und Ungläubigen. ( ... ) Die Apokalyptiker sind die wahrhaft Gläubigen. Sie glauben, dass außerhalb unserer menschlichen Welt eine kosmische Kraft existiert, die das Folgende von ihnen verlangt: Sie sollen dem ungläubigen Westen den Garaus machen. Die Apokalyptiker tun das nicht aus Liebe zu der Kraft, die sie Allah nennen – sie tun es aus Furcht. Sie fürchten, das ewige Leben zu verspielen, wenn sie nicht den Willen jener kosmischen Kraft ausführen. Sie glauben, den Willen dieser Kraft aus dem Studium ihrer heiligen Texte zu kennen. Und ( ... ) dass sie diese Botschaft finden, ist nicht verwunderlich: Die Apokalypse ist ein wesentliches Kennzeichen der monotheistischen Offenbarungsmythologie. – Die Erwartung, dass das Ende der Zeiten nahe sei, und die Überzeugung, dass dieses herbeigeführt zu werden habe, bestehen seit Jahrtausenden. Viele Generationen von Juden und Christen haben atemlos auf den Jüngsten Tag gewartet, an dem Gott genannte kosmische Kraft, höchst selbst oder durch einen Abgesandten, in den Lauf alles Irdischen und Menschlichen eingreifen werde. Manche – Juden, Christen, Moslems – glauben, dass das Kommen des Jüngsten Tages beschleunigt werden könne. Die Monster, die die Opfer von Madrid oder Bali oder Istanbul auf dem Gewissen haben, zweifeln nicht im Geringsten daran, dass sie Gottes Willen ausführen. Rotte die Ungläubigen aus, und der Herr wird es zufrieden sein. Mit den Apokalyptikern lassen sich keine Kompromisse schließen. Sie töten mit einem Lächeln, sie sterben mit einem Lächeln. ( ... ) Ist der Islamismus dem 'wahren' Islam fremd, wie wir oft zu hören bekommen? Natürlich nicht. So wie die Inquisition eine Option innerhalb des Christentums ist und die nationalistische Orthodoxie eine Option innerhalb des Judentums, so ist der extremistische Islamismus eine Option innerhalb des Islam. Vielleicht sind diese radikalen Vari­anten sogar die reinste Ausprägung der Offenbarungsmythologie des Monotheismus. Gottes Reich komme, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, und es ist am Gläubigen, diese Voraus­setzungen zu erfüllen. Mit dem wahren Gläubigen ist kein Kuhhandel zu treiben. Seine Wahrheit ist mit Kompromissen unvereinbar. (...)" [s. Leon de Winter – "Dann ergeben wir uns doch einfach!" – in: Die Welt, 27.3.04; Josef Joffe – "Die Offensive des Islamo-Faschismus" – in: Die Zeit, 13/04, 17.3.04]

In seinen "Anmerkungen zu den Ursachen des Internationalen Islamischen Terrorismus" resümiert Günter Bierbrauer: "Um das Wissen der eigenen Sterblichkeit zu bannen, ist möglicherweise für Terroristen der 'Griff nach dem großen Projekt' (Robert Lay Lifton) mit seinen vermeintlichen End­lösungen im Sinne einer Elimination der Ungläubigen, mit Gefühlen der Erlösung und Beglückung verbunden. (...) Wenn [unter bestimmten Voraussetzungen] ein Versprechen für Unsterblichkeit ge­macht wird, dann können Menschen offenbar kollektiv zum Kampf mobilisiert werden und sind sogar bereit dazu, ihr Leben einzusetzen."  [G. Bierbauer, in: Politische Studien, Heft 386, 53. Jg. Nov./Dez. 2002]

Zurück
Fortsetzung

hagalil.com 18-05-2004

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved