Presseerklärung
Die im kurdischen Nordirak tätige
Hilfsorganisation WADI fordert Bundesregierung zum Schutz der
irakischen Zivilbevölkerung auf
Bevölkerung als Geisel des Regimes
In den ersten Tagen des Krieges haben
Zehntausende Menschen ihre Häuser und Wohnungen im kurdischen
Nordirak verlassen - nicht auf der Flucht vor amerikanischen
Truppen, sondern aus Angst vor einem möglichen Vergeltungsangriff
irakischer Streitkräfte.
Den Bewohnern des von Saddam Hussein
kontrollierten Zentralirak ist dies nicht möglich. "Das irakische
Regime verbietet die Flucht", erklärte Thomas Uwer, Mitarbeiter der
seit Jahren im kurdischen Nordirak tätigen Hilfsorganisation WADI e.
V.. Wie bereits 1991 so werden auch diesmal die Menschen nicht nur
vor dem Krieg, sondern vor allem vor der Gewalt des Hussein Regimes
zu entkommen versuchen, dessen Kriegsführung offen darauf setzt, die
Zivilbevölkerung der Städte in einen hoffnungslosen
Verteidigungskampf hineinzuziehen.
Mit Gewalt wird die Bevölkerung daran gehindert,
in sichere Regionen zu fliehen. Die Demarkationslinie zum kurdischen
Nordirak wurde von irakischen Truppen abgeriegelt - dies bestätigten
auch die lokalen Mitarbeiter von WADI in der kurdischen Stadt
Suleymaniah. Irakische Städte sind zu Gefängnissen geworden, die
Bevölkerung zur Geisel des Regimes. So ist ausgerechnet der Cousin
Saddam Husseins Hassan Ali Majid, der verantwortlich für die
Bombardierung der kurdischen Stadt Halabja mit Giftgas 1988 war, zum
Oberbefehlshaber der Truppen im Südirak ernannt worden. Majid ist
durch seine Grausamkeit bekannt und gefürchtet. Der erbarmungslose
Verteidigungskampf, den das Regime um alle großen Städte, vor allem
aber Bagdad, angekündigt hat, soll zum Fanal werden, um den Krieg
der Anti-Saddam-Koalition durch möglichst hohe Opfer unter der
Zivilbevölkerung zu delegitimieren.
Die irakische Bevölkerung steht nicht hinter dem
Regime Saddam Husseins. Wo immer es ihr möglich ist, sich frei zu
äußern, fordert sie seinen Sturz. 1991 ist die Bevölkerung im
gesamten Land gegen die Diktatur aufgestanden, 14 von 18
Verwaltungsdistrikten waren vorübergehend nicht mehr unter der
Kontrolle der Regierung. Seitdem kam es immer wieder zu
verzweifelten Aufständen, die gewaltsam niedergeschlagen wurden -
auch in Bagdad.
Im kurdischen Nordirak, der seit 1991 nicht mehr
unter der Gewalt der Zentralregierung steht, bereiten sich die
Behörden schon seit Wochen darauf vor, fliehende Menschen aus dem
Zentralirak aufzunehmen. Sie rechnen damit, dass mit dem
fortschreitenden Zusammenbruch staatlicher Kontrolle immer mehr
Menschen Zuflucht in der Autonomieregion suchen werden. Für eine
schutzlose Zivilbevölkerung ist Flucht die einzige Möglichkeit, sich
militärischer Gewalt zu entziehen, dies habe, so Thomas von der
Osten-Sacken von WADI e.V. die Vergangenheit immer wieder gezeigt.
Die deutsche Regierung ist gefordert, sich endlich
für die Sicherheit dieser Bevölkerung einzusetzen - unabhängig
davon, wie sie dem Krieg der Anti-Saddam-Koalition gegenübersteht.
Es darf nicht stillschweigend hingenommen werden, dass ein
untergehendes Regime die eigene Bevölkerung in einem letzten Akt der
Gewalt opfern will. Anstelle leerer Gesten, wie die Verhängung eines
Abschiebestopps, obwohl eine Abschiebung von Irakern ohnehin seit
Jahren unmöglich ist, ist die Bundesregierung gefordert, alle
diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um einen Schutz der
Bevölkerung zu erwirken. Der Bundesregierung sind die Verbrechen
bekannt, die das irakische Regime an seiner Bevölkerung verübt hat.
Die Konsequenz daraus kann nur lauten, alles für den Schutz der
Bevölkerung vor Husseins Militär- und Repressionsapparat zu tun.
Die kurdischen Behörden im Nordirak benötigen
dringende Unterstützung bei der Versorgung der Menschen. Die
Bundesregierung sollte endlich ihr unausgesprochenes Embargo
gegenüber der demokratischen Opposition im Irak aufheben und jene
Kräfte unterstützen, die einen friedlichen und demokratischen Irak
anstreben. Die Unterstützung der frei gewählten Regionalregierung im
Nordirak bei der humanitären Versorgung der Menschen wäre ein erster
lange ausstehender Schritt und ein wichtiges Zeichen an die
irakische Bevölkerung, dass die Bundesregierung keinen
diktatorischen Irak unter Hussein wünscht.
Flüchtlingen aus dem Irak muss internationaler
Schutz gewährt werden. Der Einmarsch türkischer Truppen sollte nicht
nur aus Sorge um die Sicherheit deutscher Soldaten kritisiert
werden. Die militärische Abriegelung der Grenze gegenüber
Flüchtlingen verstößt gegen internationales Flüchtlingsrecht, dem
sich die Bundesregierung verpflichtet hat.
Militärische Gewalt darf nicht als Instrument zur Behandlung von
Flüchtlingen hingenommen werden. Menschen, die vor Gewalt und
Verfolgung fliehen benötigen Schutz und Rechte. Irakischen
Flüchtlingen in Deutschland, die aufgrund eklatanter
Fehleinschätzungen der Lage vor Ort vermehrt keinen sicheren
Aufenthaltsstatus erhalten haben, sollte ein dauerhaftes Bleiberecht
angeboten werden. Irakischen Flüchtlingen ist großzügige und
unbürokratische Aufnahme in Deutschland zu gewähren.
Thomas Uwer (0172-3052691)
Thomas von der Osten-Sacken
Antikriegsdemonstration, 17. März 2003:
Aras Marouf - Kurdin, Nordirak
Die systematische Vernichtungsaktion der Baathpartei gegen Kurden
lief vom Frühjahr 1987 bis zum Herbst 1988. Am Ende waren 80 Prozent
der kurdischen Dörfer zerstört...
Vor 15 Jahren:
Giftgasangriff auf Halabja
Am 16. März 1988 flog eine Formation irakischer
Kampfflugzeuge die kurdische Stadt Halabja an. Geladen hatten sie
Kampfgas aus deutscher Produktion...
hagalil.com
26-03-2003 |