Vor 15 Jahren:
Giftgasangriff auf Halabja
In den frühen Morgenstunden des 16. März 1988
flog eine Formation irakischer Kampfflugzeuge die kurdische Stadt
Halabja an. Geladen hatten sie eine tödliche Fracht: Kampfgas, das
mit deutscher Hilfe in den Chemiefabriken des irakischen Staates
hergestellt wurde.
"Insektenvernichtungsmittel", wie es im offiziellen Sprachgebrauch
hieß, Gift zur Vernichtung von Menschen, für "Perser, Juden und
andere Insekten" produziert, wie Tarik Aziz, heute Vizepräsident des
Irak, dem früheren Leiter der UN-Waffenkontrollteams Richard Buttler
erklärte.
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Die Piloten mussten so tief über
Halabja hinwegfliegen, um ihre tödliche Fracht in Mitten der
Stadt zu placieren, dass Passanten die Kennungen auf ihren
Tragflächen lesen konnten. Als sich das Gift verteilte, war es
bereits zu spät zu fliehen. 5.000 Menschen, Männer, Frauen und
Kinder, starben an diesem Tag in Halabja einen grausamen Tod.
Über 10.000 wurden lebensgefährlich verletzt, viele von ihnen
verstarben später an den Folgen des Angriffs. Der Rest der
Bevölkerung floh, ihre Häuser wurden von nachrückenden
irakischen Truppen niedergewalzt.
Halabja ist zum Symbol für den Krieg des irakischen Regimes
gegen die eigene Bevölkerung geworden. Denn der Angriff des 16.
März ist kein Einzelfall geblieben. 4.500 kurdische Siedlungen
wurden zerstört, 180.000 Menschen im kurdischen Nordirak
verschleppt oder ermordet. In mindestens 42 Fällen hat das
irakische Regime nachgewiesenermaßen Giftgas gegen die kurdische
Bevölkerung eingesetzt. Die ländliche Bevölkerung wurde
zusammengetrieben, Jungen und Männer zwischen 15 und 50 Jahren
wurden auf Lastwagen abtransportiert. Ihre Spur verliert im
Südirak. Die restliche Bevölkerung wurde in militärisch bewachte
Sammelstädte deportiert. War eine Region von „Rebellen befreit“,
sprach man von einem Akt der „Reinigung“.
Dies alles geschah auf den Befehl der irakischen Regierung, vor
Ort organisiert von Hasan Ali Majid, Cousin und Vertrauter von
Staatspräsident Saddam Hussein und von diesem mit umfassenden
Vollmachten zum Massenmord ausgestattet. Umgesetzt wurde es mit
der Hilfe deutscher Unternehmen, die im großen Stil Rohstoffe,
Fertigungsanlagen und Know-How zur Produktion von
Massenvernichtungswaffen an das irakische Regime geliefert haben
– über Jahre. Die Erkenntnisse der Ende der Achtziger Jahre
eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungskommission, die
Ermittlungen der Darmstädter Staatsanwaltschaft im sogenannten
„Giftgasverfahren“, die Quellen und Dokumente internationaler
Organisationen legen nahe, dass dies der Bundesregierung bekannt
war. Konsequenzen daraus wurden nicht gezogen.
Im gesamten Irak hat das Regime Saddam Husseins unzählige
Verbrechen an der eigenen Bevölkerung verübt. Die Menschen des
Südirak wurden nach der Niederschlagung der Volksaufstände
grausam dafür bestraft, dass sie sich gegen ihre Unterdrücker
erhoben. 40.000 Menschen wurden ermordet, zehnmal so viele aus
ihren Dörfern vertrieben oder deportiert. Die südirakischen
Marschen, ein natürliches Sumpfgebiet in der Größe des
Bundeslandes Hessen, wurden trockengelegt, den Bewohnern die
Existenzgrundlage entzogen, ihre Siedlungen mit Napalm
bombardiert. |
Tausende Menschen werden überall im Land unter
furchtbaren Bedingungen in Haft gehalten. Kurden und Araber,
Assyrer, Yeziden & Turkmenen, Suniten, Schiiten und Christen. In den
Gefängnissen wird gefoltert und willkürlich getötet. 16.000 Namen
hat Amnesty International gesammelt von Menschen, die einfach
„verschwanden“. All dies ist noch nicht Vergangenheit, all dies ist
im Bewusstsein aller Iraker jeden Tag präsent.
Heute, 15 Jahre nach dem Angriff auf Halabja,
leiden Menschen aus der Stadt an Nervenlähmungen, Hautkrankheiten,
Tumoren und Schäden an Lunge und Atemwegen, an häufigen
Fehlgeburten. Forschungen vor Ort haben ergeben, dass das Giftgas
genetische Veränderungen bewirkt hat. Auch heute noch haben diese
Menschen Angst, obwohl große Teile der kurdischen Region seit 1991
selbstverwaltet sind. Saddam Hussein droht noch immer damit, an den
Kurden Rache zu üben und sie erneut mit Giftgas und Krieg zu
überziehen.
Bis
heute auch wartet die kurdische Bevölkerung vergebens auf ein
Zeichen aus Deutschland. Keine Ansprache, keine diplomatische Note,
keine Feierstunde- kurz: KEIN WORT, mit dem die Bundesregierung ihr
Bedauern darüber ausgedrückt hätte, dem irakischen Regime beim Mord
an den Kurden adjutiert zu haben.
Die Menschen im kurdischen Nordirak haben in
den vergangenen Jahren die Region wieder aufgebaut. Dort ist unter
schwierigen Bedingungen ein demokratisches Experiment entstanden,
das wegweisend für die Entwicklung des gesamten Irak sein könnte.
Gemeinsam mit anderen irakischen Oppositionsparteien aller
Bevölkerungsgruppen haben sich die Kurdischen Parteien auf ein
Grundsatzprogramm für einen Staat nach Saddam Hussein geeinigt, ein
Staat, der demokratisch, föderal und demilitarisiert sein soll, in
dem erstmals die Rechte des Einzelnen als Staatsbürger zählen –
unabhängig von seiner Herkunft, seinem Glauben oder seiner
politischen Überzeugung. Und ein Staat, der erstmals auch bereit für
einen Frieden mit allen Nationen im Nahen Osten.
Dieses Programm benötigt dringend Unterstützung, damit es
Wirklichkeit werden kann. Bis heute aber weigert sich die
Bundesregierung, mit der irakischen Opposition auch nur zu sprechen.
Der Wunsch der irakischen Menschen nach Befreiung von der Diktatur
wird weiter ignoriert.
Am 15. Jahrestag der Bombardierung Halabjas
hoffen die irakischen Kurden und mit ihnen die unterdrückten
Menschen des Irak darauf, dass Deutschland endlich auch ihre
Bemühungen für einen demokratischen Irak unterstützt.
Wer keinen Krieg will, der muß über Alternativen zu Saddam Hussein
nachdenken, denn sein Frieden ist Krieg.
Patriotische Union Kurdistan (PUK)
Kurdisch Demokratische Partei (KDP) - Deutschland
Oberster Rat des islamischen Widerstands im Irak (SCIRI)
Kommunistische Partei Irak (ICP)
Assyrer in Deutschland (ADB)
Internationale Menschenrechtsverein Kurdistan e.V. (IMK)
Wadi e.V
Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.
Navend e.V.
Koalition für einen demokratischen Irak
hagalil.com
16-03-2003 |