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Ein anderer Irak:
Wer ihn will, muss die Wirklichkeit des Ba'th-Regimes kennen,
und wer die kennt, will einen anderen Irak.

Was will man in Deutschland überhaupt wissen?
Die Wirklichkeit des Ba'th-Regimes

Aras Fatah, Thomas von der Osten-Sacken, Thomas Uwer

Viel ist seinerzeit geschrieben worden über den letzten Golfkrieg als Medienkrieg, als virtueller Krieg, als Krieg der Rassen, der Ersten gegen die Dritte Welt, und als Beginn einer Neuen Weltordnung. So schnell wie die großen Theorien zum Irak-Krieg kamen, verschwanden sie auch wieder, und geblieben ist allein, dass es, wenn es um den Irak geht, immer um etwas anderes geht als um den Irak.

Wenn über den Irak geschrieben wird, dann vornehmlich als »Beispiel für« oder »Phänomen des«, jeder Bericht wird zum Kommentar. Über den Irak selber, der acht Jahre mit dem Iran im Krieg gelegen, Kuwait überfallen und mindestens eine weltweite Krise ausgelöst hat, erfährt man in der Regel nichts als Gemeinplätze wie den des »Nahostexperten« Michael Lüders, Saddam Hussein sei im Vergleich zu Mussolini ein Kleinkrimineller.1

Dabei ist der Irak nicht nur wegen seiner Rohstoffvorkommen eines der bedeutendsten Länder des Nahen Ostens, sondern zugleich das Land, in dem all jene negativen Seiten des arabischen Nationalismus zur Herrschaft gelangt sind, unter deren Hegemonie die gesamte Region erstarrt scheint. Dennoch sind zwischen 1992 und 2002 keine Handvoll deutschsprachige Bücher über den Irak veröffentlicht worden,2 schenkt keines von ihnen der Geschichte und Entstehung der ba'thistischen Herrschaftsform, der politischen Entwicklung im Lande und dem Anteil des irakischen Regimes selbst am Konflikt besondere Aufmerksamkeit. Weder ist Kanan Makiyas damals noch unter dem Pseudonym Samir al-Khalil erschienener Bestseller »Republic of Fear«, noch eines seiner späteren Bücher über den Irak je ins Deutsche übersetzt worden. Hannah Batatus Standardwerk über die Geschichte des Irak ist in Deutschland fast unbekannt, die von Marion Farouk-Sluglett und Peter Sluglett verfaßte Monografie über den Irak wurde nach dem zweiten Golfkrieg nie wieder aufgelegt. Selbst die Aufarbeitung deutscher Beteiligung an der Aufrüstung des Regimes mit chemischen Waffen blieb trotz der Darmstädter Giftgasprozesse amerikanischen Organisationen wie Human Rights Watch überlassen.

Der Wandel der deutschen Außenpolitik, unter der Saddam Hussein mit Giftgas beliefert und der Bunkerbau mit Hermesbürgschaften finanziert wurde, zur »menschenrechts-orientierten Außenpolitik« der rot-grünen Regierung, war nicht durch Entwicklungen im Irak, sondern durch das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland markiert. Heute wie damals drängt die deutsche Industrie auf den irakischen Markt. Die Bundesregierung hat 1991 die Isolation des Regimes akzeptiert, zu dem es enge Kontakte pflegte, im Gegenzug blieb ihr eine wirksame Non-Proliferation und die Offenlegung der Akten über die Lieferung von Material und Rohstoffen zur Produktion von Massenvernichtungswaffen erspart. Die Geschichte der Aufrüstung und Nutzbarmachung des irakischen Ba'th-Regimes durch Deutschland wird weiterhin nicht erzählt, die sie erzählen könnten, schweigen.3 Die spärlichen Informationen über das Ausmaß der chemischen und biologischen Waffenproduktion, die trotz der Weigerung des irakischen Regimes zur Kooperation mit den UN gewonnen werden konnten, stammen unter anderem aus Listen von Firmen aus Deutschland, wo man heute die Existenz von Massenvernichtungswaffen insgesamt in Frage stellt.

Da die Bundesregierung sich nicht offen auf die Seite Husseins schlagen konnte, überließ sie die deutsche Verbindung zur Regierung in Bagdad dem Bundesverband der Deutschen Industrie, während sie selber den »kritischen Partner« der USA spielt, der schlimmeres verhindert. Der Bundeskanzler, der Außenminister und der Kanzlerkandidat der Union machen bella figura als moralische Mahner gegen einen möglichen Krieg oder fordern ein UN-Mandat für den Fall, dass er dennoch kommt und Deutschland zum Mitmachen aufgefordert wird.

Ob es ein solches Mandat geben wird, ist ungewiss. Denn nicht alleine um die biologischen und chemischen Waffen soll es beim Angriff der US-Armee gehen, sondern um den Sturz des Regimes. Die USA wollen sich bei diesem ersten Einsatz amerikanischer Truppen zum Sturz einer Regierung seit der Niederschlagung des Nationalsozialismus auf eine »Gefährdung des Weltfriedens« durch den Irak berufen. Für die deutsche Außenpolitik wäre der Krieg der USA eine mittlere Katastrophe. »Was ist, wenn der Krieg gegen den Irak früher kommt als in Berlin gedacht?«, fragte Jeffrey Gedmin vom Aspen Institute: »Wenn die Amerikaner Richtung Bagdad marschieren, wird es schwer werden, einen arabischen Führer zu finden, der sich über Bilder von fröhlichen, befreiten Irakern beschwert, die um die Welt gehen.« Was für die arabischen Führer gilt, gilt auch für die Europäer und besonders die Deutschen.

Daß es zu einem Sturz des irakischen Regimes kommen könnte hängt auch, aber nicht nur mit dem 11.September 2001 zusammen. »Ground Zero ermahnt die Amerikaner, sich nicht nur gegen Flugzeugentführer, sondern erst recht gegen Staatsterroristen mit Massenvernichtungswaffen zu schützen« (»Frankfurter Allgemeine«). Bislang aber fehlt es an schlagkräftigen Beweisen für eine direkte Verbindung des Irak mit den Anschlägen der Al-Qaida, und auch die Vermutungen über eine mögliche Unterstützung islamistischer Gruppen mit irakischen Massenvernichtungswaffen blieben unbestätigt. Geändert hat sich nicht der Irak, sondern die amerikanische Wahrnehmung von ihm. Das Regime, das jetzt gestürzt werden soll, ist dasselbe, das der Vater des heutigen US-Präsidenten an der Macht gehalten hat und das sich bislang darauf verlassen konnte, dass alle internationalen Reaktionen dem immer selben Schema folgten:

Saddam Hussein sollte in seine Schranken gewiesen, gestürzt werden aber sollte er nicht. Dem diente - gewollt oder nicht - auch das Embargo, das die Bevölkerung in bitterere Armut und Verzweiflung stürzte, ohne ihr zu helfen, sich gegen das Regime wehren zu können. Die westliche Politik, die auf das kleinere Übel Saddam setzte, blieb damit einer Haltung treu, die Husseins Regierung bereits im Iran-Irak Krieg das Leben gerettet hatte. Am besten wäre gewesen, sollte Henry Kissinger später sagen, wenn beide Seiten verloren hätten — so aber blieben beide an der Macht, verschwunden sind über zwei Millionen Menschen, die auf beiden Seiten dem Krieg zum Opfer fielen.

Die jetzige Ankündigung, dem Regime ein Ende zu bereiten, folgt dem Wunsch, eine Containment-Politik zu beenden, die in den vergangenen Jahren zu einem steten Verlust der Kontrolle über die Region geführt hat. US-amerikanischen Militärs gelten selbst traditionelle Verbündete wie Saudi-Arabien nunmehr als potentielle Feinde. Die Verantwortung für diese Entwicklung sucht die amerikanische Regierung neuerdings verstärkt auch bei den zuvor jahrelang unterstützten und aufgerüsteten Regierungen der Region, die jede oppositionelle Äußerung ihrer Bevölkerungen blutig unterdrücken und auf Israel und den US-Imperialismus ablenken. Dass die islamistische Bewegung als einzige oppositionelle Kraft ausgerechnet in den bis dato von der USA gestützten Staaten entstand, stellt die Politik gegenüber diesen Staaten insgesamt in Frage. Das von Jeffrey Gedmin gezeichnete Bild amerikanischer Befreier, die von einer jubelnden irakischen Bevölkerung begrüßt werden, könnte die anderen arabischen Staaten weit stärker erschüttern, als es der amerikanischen Regierung lieb ist. Entsprechend groß sind die Zweifel der irakischen Opposition, dass der angekündigte Sturz des Regimes auch wirklich eine Befreiung bewirken wird. »Unsere Verbündeten, die sich im Dialog mit den USA befinden, bestätigen, dass es den USA in erster Linie um einen Austausch der Spitze des Regimes ohne grundlegende Veränderungen geht. Eine revolutionäre Volkserhebung, ein Aufstand oder eine vom starken Oppositionsbündnis eingeleitete Wende passen den USA nicht ins Kalkül.«5

Die irakische Opposition steht vor dem Problem, nicht so stark zu sein, dass sie auf die Hilfe von außen verzichten könnte, die derzeit einzig die USA und Großbritannien anbieten, auch weil sie zuvor mit Hilfe westlicher Technologie fast völlig zerschlagen werden konnte. Zugleich weiß sie, dass das Regime in Bagdad nicht reformiert, sondern nur mit Gewalt beseitigt werden kann. Welcher Plan auch immer entwickelt werden mag, er würde die Bevölkerung des Landes erneut in einen Krieg stürzen. Ob die USA bereit wären, sich auf den »wirklichen Irak« mit all seinen politischen, sozialen und ökonomischen Konflikten und der Geschichte einer über dreißig Jahre währenden Ba'th-Herrschaft einzulassen, oder ob sie einem schnellen und scheinbar unkomplizierten Personalwechsel den Vorzug gäben, weiß man nicht. Mit Ausnahme der Kurden im Norden hat kein Iraker unter 35 jemals etwas anders erlebt als die Herrschaft der Ba'th-Partei, die vom Kindergarten bis zum Seniorenverein die gesamte Realität gesellschaftlichen Lebens nach ihren ideologischen Prämissen gestaltet hat.

Die Opposition steht vor einem Dilemma. Sie ist auf die Hilfe jener fremden Kräfte angewiesen, von deren Einfluß sie den Irak einst zu befreien hoffte, und entspricht damit dem Bild, das der irakische Ba'thstaat unentwegt von ihr zeichnet. Wie schon 1991 ist dem Konflikt mit den herkömmlichen Vorstellungen von Krieg und Frieden nicht beizukommen. Das irakische Regime befindet sich in einem ständigen Kriegszustand mit realen oder erfundenen Feinden von außen, der sich in der Regel als Krieg gegen die eigene Bevölkerung äußert. Jeder Krieg gegen das Regime trifft auch die Bevölkerung Diese Bevölkerung hat 1991 einen Aufstand gewagt und sich an jene Staaten gewandt, die - wie Kanan Makrya schreibt - Bomben auf sie herabregnen ließen Vielleicht wäre sie noch einmal zum Aufstand bereit.

Irakisch-Kurdistan ist der einzige Landesteil, der seit 1991 nicht mehr unter der Gewalt des Regimes steht. Nicht aus Solidarität mit den Anliegen der Kurden, sondern aus derselben Angst vor einer Destabilisierung, die Saddam Hussein im Amt hielt, wurde unter amerikanischer Führung die kurdisch verwaltete Region nach dem Golfkrieg eingerichtet. Die Entwicklung dieser Region sagt einiges aus nicht nur über das gespaltene Verhältnis des Westens zur irakischen Opposition, sondern auch über die Schwierigkeiten, einen »befreiten« Irak zu organisieren. Die selektive Hilfe, die den Kurden dabei zuteil wurde, das vollständige Desinteresse vor allem Europas an der Region, das den Nordirak nur aus der Perspektive der Flüchtlingsbekämpfung betrachtet, der bedeutende Einfluss der Nachbarstaaten Türkei und Iran sowie die ständige Bedrohung durch Saddam Husseins Regime haben nicht verhindern können, dass eine Alternative zur ba'thistischen Herrschaft entstanden ist.

Die Autoren des Buches "Saddam Husseins letztes Gefecht?" versuchen jene Entwicklungen im Irak zu beschreiben, denen in Deutschland üblicherweise kaum Aufmerksamkeit zuteil wird. Von einigen der Autoren liegen in diesem Buch erstmalig Texte in deutscher Sprache vor: Über die Geschichte des irakischen Staates, die Entstehung der ba'thistischen Diktatur und seiner ideologischen Verankerung wird zugleich ein Blick auf die Bedingungen aktueller Politik geworfen. Den Autoren, die in kürzester Zeit und trotz der beschleunigten Entwicklung des Konfliktes mit ihren Analysen zu diesem Buch beigetragen haben, ist zu danken. Viele von ihnen sind durch die aktuelle Zuspitzung in besonderer Weise in Anspruch genommen. Dass sie dennoch an diesem Buch mitarbeiteten, ist Teil ihres Einsatzes für einen anderen Irak. Wer ihn will, muss die Wirklichkeit des Ba'th-Regimes kennen, und wer die kennt, will einen anderen Irak.

Aus dem Vorwort zu "Saddam Husseins letztes Gefecht?" Der lange Weg in den III. Golfkrieg, von Aras Fatah, Thomas von der Osten-Sacken, Thomas Uwer

Anmerkungen

  1. Michael Luders »Wir hungern nach dem Tod«, Woher kommt die Gewalt im Dschihad Islami, Zürich und Hamburg 2001
  2. Auch die Veröffentlichungen über die arabische Panidee, über arabisch nationalistische Bewegungen und Regime halten sich merklich in Grenzen und stehen in keinem Verhältnis zu den vielen Überlegungen über den Islam im Nahen Osten
  3. Mehr als drei Jahre Diskussion und fast dreihundert Seiten schriftlich niedergelegter Kritik im Auftrag der Fluchtlingsorganisation Pro Asyl etwa hat es bedurft, ehe das Auswärtige Amt unter bundnisgrüner Leitung in seinem Lagebericht Irak im Herbst 2001 erstmals überhaupt den Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen die Kurden im Nordirak erwähnte.
    Siehe Thomas von der Osten-Sacken u Thomas Uwer »Republik des Schreckens - Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes zum Irak und die Realität«, Frankfurt/Main 1999 und dies » keinen staatlichen Sanktionen unterworfen - Eine Analyse der Mangel im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes zum Irak«, Frankfurt/Main 2000
  4. Vgl Herald Tribune v 3 8 2002
  5. Hamid Mageed Mousa, Generalsekretär der KP Irak in Al-Azzaman,1372002
  6. Sandra Mackey The Reckoning, Iraq and the Legacy of Saddam Hussein, New York and London 2002 S 395 f

Sadams Opfer ist die Menschlichkeit:
Im Haus der Folter und Verstümmelung

Seit dem letzten Golfkrieg 1991 hat sich das Gruselkabinett, das wir als »Saddam Husseins Irak« kennen, in etwas verwandelt, das sich das krankhafteste Gehirn nicht hätte ausdenken können...

hagalil.com 09-01-2003

 

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