Dieser Artikel von
Magdi Allam, der die Probleme der italienischen Justiz behandelt,
sollte uns zu denken geben. In Deutschland hat die Justiz ähnliche
Probleme. Nur auf der "Insel der Seligen" in Österreich leugnen die
Behörden, dass es solch ein terroristische Potential hier gibt. Das
haben sie ja auch zu Kreiskys Zeiten getan, bis es dann zu einer
Reihe von Attentaten kam. Österreich ist halt ein tolerantes Land,
wenigstens in diesem Bereich.
Islamischer Terror in Italien:
Terroristen auch ohne Waffenbesitz
Von Magdi Allam Al
Quaida? Gibt es nicht. Osama bin Laden? Er ist einer von vielen
Predigern. Islamischer Terror in Italien? Das sind Behauptungen der
Geheimdienste und von einigen Richtern und Staatsanwälten, die sich
wichtig machen wollen. Nur etwas mehr als zwei Jahre nach dem 11.
September ist unser Land im Begriff ein Thema zu verharmlosen, das
höchste internationale Priorität hat.
Es genügt einige Prozessakten, gewisse Essays und einige
journalistische Recherchen zu lesen, um sich davon zu überzeugen.
Italien ist ein "Kamikaze-Produzent",
wenigstens fünf von diesen haben sich
bereits im Irak gesprengt. Italien beherbergt Hunderte von
islamischen Kämpfern, Veteranen aus Bosnien und Afghanistan. Unsere
Gerichte haben bereits Dutzende Urteile wegen internationalem
Terrorismus gefällt. Verschiedene italienische Moscheen sind
Filialen von transnationalen integralistischen und extremistischen
Organisationen, infiltriert von der Ideologie des Jihads, des
Heiligen Krieges und des shahids, des islamischen Märtyrers. Hier
werden Orte des Gebets umgewandelt in Zentren der Indoktrinierung,
der Rekrutierung, Finanzierung und der Auswahl von
Mujahedin-Aspiranten. Erst gestern, erfuhr man aus den
Verhaftungsbefehlen des Gerichtes in Brescia von einem "unserer"
islamischen "Märtyrer": Ahmed el Bouhali, Marokkaner, wahrscheinlich
in Afghanistan gestorben. Er war der Imam der Moschee in Cremona, wo
man den Ausgangspunkt der Reisen der "italienischen" islamischen
Kämpfer in den Irak entdeckte.
Die Verharmlosung auf der Annahme, wenn man keine Waffen findet,
dann gibt es keinen Terrorismus. Als Beweis dafür dient die
Tatsache, dass es in Italien noch kein einziges Attentat islamischer
Machart gab. [Es folgt eine Erklärung der entsprechenden Paragraphen
im italienischen Strafgesetz, die auf den internationalen Terror
Bezug nehmen.] Man kommt zur Behauptung, dass wir das Recht dessen,
der Gewalt predigt, ja sogar dessen, der als Freiwilliger für die
Sache Allahs kämpft, achten müssten, weil es sich doch um
individuelle Freiheit handelt. Nach dieser Lesart ist nur derjenige
zu verfolgen, dessen destruktive Gedanken und subversive Aktivitäten
zum terroristischen Attentat werden.
Allam setzt sich mit einem problematischen Dokument eines
Untersuchungsrichters am Gericht in Neapel, der ungefähr vor einem
Monat dem Gesuch 26 Algerier festzunehmen, die man wegen subversiven
Vereinigung zur Beteiligung am internationalen Terrorismus verhörte,
widersprach auseinander. Im Gesuch des Staatsanwaltes wurde
spezifiziert, das die Verhörten "in Italien ein logistisches Netz
für eine terroristische Organisation, die GSPC (Salafitische
Gruppe für die Predigt und den Kampf), die mit
der internationalen terroristischen Organisation, genannt Al Quaida
aufgebaut hatten, mit dem Ziel Gewalt gegen den algerischen Staat
auszuüben und sich mit Aktionen am internationalen Terrorismus zu
beteiligen." Der
Untersuchungsrichter akzeptierte das Gesuch des Staatsanwaltes nicht
und zweifelte sogar die Existenz der GSPC an. Nachdem er
vorausgeschickte, dass "die Geschichte Algeriens nicht zum
allgemeinen Wissen gehört, das der Richter als Basis für seine
Entscheidung unter dem Profil eines notorischen Aktes nehmen kann".
Der Untersuchungsrichter meinte: "Welche Elemente hat der Richter,
um zu bestätigen, dass es in Algerien eine Gruppe genannt "Salafitische
Gruppe für die Predigt und den Kampf"
gibt" Und so verneint der Untersuchungsrichter aus Neapel die
Existenz einer terroristischen Organisation, die selbst die
Verantwortung für Massaker von Zehntausenden Algeriern übernommen
hat, gegen die die reguläre Armee Algeriens einen blutigen Kampf
durchführt, die offiziell in der schwarzen Liste der Vereinten
Nationen und der Europäischen Union vermerkt ist als an die Al
Quaida angegliedert; von der das Gericht in Mailand die Präsenz auf
italienischem Territorium anerkannt und deren Mitglieder verurteilt
hat. Besondere Beachtung
verdient, wie der Untersuchungsrichter aus Neapel die Beweise des
Staatsanwaltes, die sich auf abgehörte Telefongespräche gründen,
gewertet hat: "Der Tenor dieser Gespräche kann als normal und als
nicht überraschend beurteilt werden, als Gespräche zwischen
Personen, die von einem starken gemeinsamen religiösen moslemischen
Gefühl animiert sind, welche der amerikanischen Entscheidung in den
Irak zu gehen widersprechen und die wünschen, dass die amerikanische
Armee geschlagen werde. Sie kritisieren das Verhalten von Moslems,
die nicht der Scharia folgen, sind fasziniert von den Predigten der
Imame, kommentieren und kritisieren die politischen Entscheidungen
oder die politischen Gegensätze in ihrem Ursprungsland und folgen
den Reden von Osama bin Laden oder anderer Prediger. Sie
verpflichten sich am Jihad (der wie man weiß, zahlreiche
verschiedene Bedeutungen hat) teilzunehmen und manchmal bestätigen
sie sonderbarer Weise, einen amerikanischen Piloten ermorden zu
wollen. Sie sagen auch, sie wollen die amerikanische Flagge
verbrennen und den ermorden, der seinen eigenen Bruder getötet hat,
die aber nie, in keinem Gespräch den klaren Beweis liefern, (in
einer Weise die im Prozess seriös und unwidersprochen bestehen
könnte) für die Absicht der GSPC, wie vom Staatsanwalt behauptet
oder eine tatsächliche Unterstützung für eine Struktur mit dem
behaupteten Zweck."
Bin Laden als einen von vielen islamischen
"Predigern" zu qualifizieren ist eine offensichtliche Negierung der
Realität, hat er doch für eine lange Reihe von terroristischen
Attentaten, darunter das vom 11. September die Verantwortung
übernommen. Im allgemeinen demonstriert der
Untersuchersuchungsrichter eine konzeptuelle Schwierigkeit, die
Besonderheit des Terrors islamischer Machart zu erkennen,
insbesondere die Dimension des "Martyriums". Dieser Terrorismus legt
Wert auf den Wendepunkt des Individuums, das aufgrund des
ideologischen Indoktrinierens in ein "Instrument des Todes"
umgewandelt wird. Gerade wenn der Militant offen seine Bereitschaft
erklärt, den ungläubigen "Feind" zu töten, um den islamischen
"Bruder" zu rächen, ist der Prozess vollzogen, der ihn reif macht,
ein terroristisches Attentat durchzuführen. In diesem Stadium wird
er selbst zur "Waffe".
"Es ist ein Irrtum bezüglich des islamischen Terrors
zu denken, wenn man keine Waffen findet, dann wird es keine
Attentate geben" - erklärt der Staatsanwalt von Mailand – "Wenn man
am 10. September 2001 die 19 Kamikaze Flugzeugentführer verhaftet
hätte, dann hätte man ihnen nur den Besitz von gefälschten Ausweisen
beweisen können. Aber keiner besaß Waffen. Das Attentat gegen die
Zwillingstürme wurde mit Plastikmesserchen durchgeführt."
[Der Staatsanwalt betont die Schwierigkeiten der
Justiz dem islamischen Terror entgegenzutreten, wenn die Beweise aus
dem Ausland kommen.] "So haben wir die Beweise des fremden
Nachrichtendienstes, dass die Kamikaze aus Italien kommen, die sich
im Irak sprengen, aber diese Beweise haben keinen Wert für den
italienischen Richter, weil sie keinen juristischen Wert haben. Das
Resultat ist, dass wir beweisen müssen, dass es Al Quaida gibt. Denn
für unsere Richter existiert Al Quaida nicht, wenn es keine in
Italien gültigen Beweise gibt".
Und in diesem strukturell komplexen, undurchsichtigen
und schwierigen Bereich betätigen sich unsere Geheim- und
Sicherheitsdienste. Mit befriedigendem Resultat. Wenn es bislang in
Italien keine islamischen terroristischen Attentate gab, dann ist es
das Resultat der Arbeit unserer 007 innerhalb und außerhalb
Italiens. Die Präsenz von "schlafenden Zellen" auf unserem
Territorium, die zur Al Quaida gehören, wird bestätigt. Sie könnten
auch ihre Strategie ändern und beschließen, Italien zu treffen. Eine
glühende Magma ist unvorhersehbar. Deswegen der Generalalarm. Der
dazu führt, dass unsere Agenten kein Indiz unterschätzen. Sie machen
auch Fehler. Die von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Aber
die Bedrohung durch den islamischen Terrorismus ist ernst und
aktuell. Wollend oder nicht wollend, betrifft das uns alle.
Magdi Allam, Stellvertretender Chefredakteur der
Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera", ist selbst Moslem und
publizierte bereits 2002 und in zweiter Auflage 2003 sein Buch Jihad
in Italien, Erkundung des radikalen Islams ("Jihad in Italia,
Viaggio nell’Islam radicale").
Der Artikel wurde von Karl Pfeifer übersetzt und
kommentiert. Quelle:
Corriere
della Sera
hagalil.com
29-02-2004 |