
Nach dem Interview:
Arafat überzeugt nicht
Leitartikel, Haaretz, 23.06.2002
Oberflächlich betrachtet sollten uns Yassir Arafats Bemerkungen, die letzten
Freitag in einem Interview in der Ha’aretz veröffentlicht worden waren,
hoffnungsvoll stimmen. Der palästinensische Führer drückte Bereitschaft aus, den
Friedensvorschlag, der vom früheren amerikanischen Präsidenten Clinton gemacht
worden war, zu akzeptieren, er bekannte sich zur Unterstützung der Anzeige gegen
Selbstmordanschläge, die von einer Gruppe palästinensischer Intellektueller
veröffentlicht worden war und er äußerte den Wunsch, allen Familienangehörigen
israelischer Terroropfer persönlich sein Beileid auszudrücken.
Die Lektion jedoch, die die israelische Öffentlichkeit in den
vergangenen 21 Monaten aus Arafats Benehmen gelernt hat, ist die, dass man
seinen Worten nicht vertrauen kann, denn es gibt eine unerträgliche Kluft
zwischen dem, was er sagt und dem, was er tut.
Das Interview erschien am gleichen Tag, an dem auch die Berichte über den
schockierenden Anschlag auf die israelische Siedlung Itamar erschienen, bei dem
fünf Menschen –einschließlich einer Mutter mit ihren drei Kindern- ermordet
worden waren. Diese Berichte folgten auf zwei grausame Terroranschläge in
Jerusalem. Wenn die israelische Öffentlichkeit Arafats Erklärungen gegen diese
Ereignisse abwägt, dann ist es nicht schwer zu entscheiden, was von beidem einen
entscheidenderen Einfluss auf die Realität des täglichen Lebens hat. Seit
Oktober 2000 führen die Palästinenser einen willkürlichen Terrorkrieg gegen
israelische Zivilisten. Die grausame Methode der Operationen findet bei Arafat
Rückhalt oder stillschweigende Zustimmung. Er betrachtet sie als legitimes
Mittel, mit Israel um die Terminologie eines Abkommens zu ringen. Dieses
Verhalten ist eine schlimme und zynische Übertretung der Oslo-Abkommen, die
Arafat unterzeichnet hat.
Selbst die vielen Israelis, die ihrer Regierung harsche Kritik wegen deren
Anteil am Entfachen des Feuers und wegen deren Mangel an Bereitschaft,
diplomatischen Wegen eine Chance zu geben, entgegenbringen, können Arafats
versöhnlichen Erläuterungen keinen Glauben schenken. Er muss sowohl an seinen
Taten wie an seinen Äußerungen beurteilt werden. Und diese sind systematisch und
unzweideutig widersprüchlich zu seinen Erklärungen, die er am Wochenende von
sich gegeben hat.
Mehr noch: Arafat erläuterte nicht, warum er den Clinton-Plan im Juli 2000
zurückwies und warum er jetzt anscheinend dazu veranlasst wurde, seine Meinung
zu ändern. Es ist auch nicht überzeugend, wenn er Unterstützung für die
Initiative der palästinensischen Intellektuellen gegen die Terroranschläge
äußert. Für den Führer einer Nation sollte es nicht nötig sein, seinen Namen
unter eine Petition zu schreiben, um die öffentliche Meinung oder Leute, die
Entscheidungen fällen, zu beeinflussen. Er sollte andere, effektivere Werkzeuge
zur Verfügung haben. Seine Appelle an die Familien der Terroropfer sind im
gleichen Licht zu sehen: Anstatt die ernsthafte Geste von König Hussein zu
imitieren (der den Familien der Opfer der Schießerei in Naharayim im Jahr 1996
persönliche Beileidsbezeugungen überbrachte), sollte Arafat seine Autorität und
seinen Einfluss –wie gering diese z. Zt. auch sein mögen- nutzen, um die
mörderischen palästinensischen Terroranschläge zu stoppen oder zumindest zu
minimieren.
Arafat wird nicht nur an seinen Taten gemessen, sondern auch an der Kluft
zwischen den Bemerkungen, die er an die israelische Öffentlichkeit richtet und
denen, die für sein eigenes Volk bestimmt sind. In seinen Reden an die
Palästinenser spricht er die Selbstmordattentäter heilig. Und selbst, wenn er
gegenüber den Terroranschlägen angeblich Vorbehalte ausdrückt, schleicht er,
Andeutungen machend, in die entgegengesetzte Richtung. Er wiederholt z. B. die
Anspielung auf das Abkommen zwischen dem Propheten Mohammed und dem Stamm von
Quresh (mit dem der Prophet einen Vertrag geschlossen hatte und trotzdem hatte
er den Stamm später vernichtet), als wollte er sagen, dass die Abschließung
eines Friedensvertrages mit den Juden nichts anderes als bloße Taktik ist. So
interpretieren die Palästinenser Arafats Position und so wird sie auch von den
Israelis interpretiert, die in den vergangenen 21 Monaten unter konkreter
Lebensbedrohung gelebt haben.
haGalil onLine 24-06-2002 |