Der Kopf des Fisches
Kommentar von Yoel Marcus, Ha’aretz, 26.08.2003
http://www.haaretz.co.il
Vor 30 Jahren unterbreitete Ehud Barak, der
damals Kommandant der Eliteeinheit "Sayeret Matkal" war, dem Leiter
des militärischen Geheimdienstes, Generalmajor Eli Ze’ira, einen
komplizierten Plan zur Liquidierung Arafats. Ze’ira dachte einige
Momente darüber nach und lehnte den Plan dann ab. "Arafat ist dick,
politisch und nicht das Ziel", sagte er.
Als Ariel Sharon im Jahr 1981 Verteidigungsminister wurde, war er
überrascht darüber, dass der Generalstabschef keinen Plan zur
Liquidierung Arafats hatte. Auf seinen Befehl hin wurde innerhalb
kurzer Zeit die Operation "Kopf des Fisches" beschlossen - ein Plan
zur Ausradierung des PLO-Chefs.
Mittlerweile ist Arafat. der seit 44 Jahren die Palästinenser
anführt, ein Weltmeister im Überleben, gleich nach Fidel Castro und
der Königin von England. Als die PLO vom Libanon nach Tunis
ausgewiesen wurde, hatte ein israelischer Scharfschütze Arafat im
Fadenkreuz seines Gewehrs. Doch Israel fügte sich der Forderung
Amerikas und ließ Arafat den Hafen von Beirut lebend verlassen.
Im Jahr 1992 stürzte Arafats Flugzeug über der Sahara ab. Arafat
blieb am Leben. Er unterzeichnete die Oslo-Verträge und erhielt den
Friedensnobelpreis. Doch nicht lange danach begannen seine Vasallen,
Busse, Geschäfte und Marktplätze in die Luft zu bomben. Und die
versteckten Pläne, die in der Schublade bereits zu schimmeln
begonnen hatten, wurden zum Lüften herausgeholt.
Während einer Pressekonferenz zu Beginn der Operation "Schutzschild"
wurden durch ein versehentlich frei geschaltetes Mikrofon Worte von
Generalstabschef Shaul Mofas aufgeschnappt, die zeigten, dass er
versuchte, Sharon von der Ausweisung Arafats zu überzeugen.
Sharon, der nach dem Osloabkommen erklärte, dass es niemals Frieden
geben würde, solange Arafat am Leben sei, prägte auch den Satz "Von
hier aus kann man sehen, was man von dort aus nicht sieht". Als
Premierminister entschied er sich für einen lebenden Arafat, der in
den Augen Amerikas irrelevant und in der Mukata in Ramallah
eingeschlossen ist.
Doch mit der steigenden Gewalt kam das persönliche Schicksal Arafats
während der vertraulichen Treffen von Israels Machern erneut ins
Gespräch. Arafat wird als Haupthindernis für ein Abkommen
betrachtet, und viele wünschen, dass er den Ring verlässt. Bis heute
fährt er fort, sein Volk in einen Wahn aus Hass und Gewalt zu
treiben. Und er hilft ihm nun, eine weitere Möglichkeit für einen
Staat zu verpassen, eine Möglichkeit, die den Palästinensern auf
einem Silbertablett aus Bushs Höflichkeit und seinem Fahrplan
überreicht wird.
Hätte Israel einen Führer wie Arafat gehabt, würde es heute
wahrscheinlich gar nicht mehr existieren.
Doch wie bereits in den Tagen der Zwangsausweisung aus dem Libanon,
wird Arafats Leben wieder von der US-amerikanischen Regierung
geschützt. Obwohl auch die Amerikaner glauben, dass er irrelevant
ist, ein chronischer Lügner, kein Partner für den Frieden und dass
er von Machtpositionen fern gehalten werden sollte, um Abu Mazens
(Mahmoud Abbas‘) Regierung das Funktionieren zu ermöglichen, wurde
Sharon davor gewarnt, Arafat körperlichen Schaden zuzufügen.
Trotzdem wurde die Idee, ihn auf andere Art und Weise zu
neutralisieren, nicht fallen gelassen. Denn er mag in der Mukata
eingesperrt sein, doch es ist Arafat, der die Höhe der Flammen
kontrolliert und der fortfährt, zu Terror und zu Gewalt aufzurufen.
Er sabotiert ständig die Bemühungen von Abu Mazens Regierung, hält
die von ihr geforderten Gelder zurück, weigert sich, ihr
militärische Macht zu übertragen – in Kürze: er tut, was immer er
kann, um ihre Nutzlosigkeit aufrecht zu erhalten.
Für Arafat, der sein Volk dorthin gebracht hat, wo es jetzt ist und
der zum dritten Mal einen eigenen Staat in weite Ferne rücken lässt,
ist die Zeit gekommen, von der Bühne zu verschwinden.
Es besteht keine Notwendigkeit, Segel in Richtung weit entfernter
Länder zu setzen oder über Geschichtsbüchern zu brüten, um Beispiele
von gepriesenen, bewundernden Führern zu finden, die sich vor allem
auf ihre eigenen Belange konzentriert und entgegen der Interessen
ihres Volkes gehandelt haben und dann mit angesehen haben, wie sich
ihre politische Zukunft trotz all ihrer früheren Errungenschaften in
Staub verwandelt hat.
Wenn man heutzutage - ein Jahrzehnt nach Oslo und mit Bush, der die
Fahne eines palästinensischen Staates schwenkt - die Lage der
Palästinenser betrachtet, so ist es keine Frage, dass Arafat der
Knüppel zwischen den Beinen der palästinensischen Interessen ist.
Doch die Begleichung der letzten Rechnung mit Arafat muss Sache des
palästinensischen Volkes sein, nicht Sache Israels.
Übersetzung Daniela Marcus
Druck auf Scharon:
Arafat beseitigen ist nicht schwer
- aber was dann?
Inzwischen mehren sich wieder die
Stimmen, die Scharon von Rechtsaußen übertrumpfen wollen und die
völlige Zerschlagung der palästinensischen Autonomie (PA) fordern...
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28-08-2003 |