Druck auf Scharon:
Arafat beseitigen ist nicht schwer
- aber was dann?
Inzwischen mehren sich wieder die
Stimmen, die Scharon von Rechtsaußen übertrumpfen wollen und die völlige
Zerschlagung der palästinensischen Autonomie (PA) fordern.
Das Hauptquartier von Palästinenserpräsident Jassir Arafat in RamAllah
im Westjordanland wurde heute Abend beschossen, Arafat blieb unverletzt.
Wie lange wird das so weitergehen? Wann endlich wird sich
Ministerpräsident Scharon mit dem PA-Vorsitzenden Arafat zusammensetzen?
Soll der Frieden vom Himmel kommen?
Seit der Rede Scharons, in der er Arafath zu
Mr. Irrelevant (Lo relevanti) erklärt hat, sind nun schon einige Wochen
vergangen, die Arafat im Hausarrest in RamAllah verbracht hat. Arafath
wurde zwar zunehmend nervöser aber deshalb hat Sharon noch lange keinen
Anlass ruhig zu sein. Arafath sitzt zwar fest in Ramallah aber Sharon
ist ebenso unbeweglich. Weder Konzept noch Plan sind erkennbar.
Sharons Rede vor einer Woche war eine
Enttäuschung, für die Linke wie die Rechte, für Palästinenser und
Israelis. Die einzige Entscheidung die gefallen ist, war die
Entscheidung Arafat weiterhin festzuhalten. Status quo!
Status quo, das heißt spätestens seit den Autobusbomben im
Frühjahr 1996, dass die israelische Politik in den Händen der Hamas
liegt. Damals bombte die Hamas Netanjahu an die Regierung, Arafats
Angebot in 22% des britischen Mandatgebiets einen Staat auszurufen und
den Staat Israel auf 78% dieses Gebiets anzuerkennen, wurde nicht weiter
verhandelt. Mittlerweile kann jeder Wahnsinnige jede Friedenskonferenz
platzen lassen oder Waffenstillstandsgespräche gleich gar nicht erst
beginnen lassen.
Anstatt sich auf Arafats Angebote oder Forderungen zu
berufen, wird seine Position mit allen erdenklichen Mitteln geschwächt.
Die Aussicht, dass sich unter diesen
Umständen Arafat beweglicher zeigen könnte als Sharon sind gering.
Dass Arafat planend hinter den Anschlägen
steht ist noch nicht bewiesen, wenn es auch offensichtlich ist, dass er
kaum etwas tut um sie zu verhindern. Käme er den israelischen
Forderungen in seiner heutigen gedemütigten Lage nach, so würde er
weiteren Respekt seiner Untertanen verspielen. Dies könnte die PA sogar
an den Rand eines Bürgerkrieges führen, und einen solchen wird Arafat in
der momentanen Lage nicht riskieren. Wahrscheinlicher ist es, dass
Arafat darauf spekuliert, Israel könne sich durch den Terror zum
Einmarsch in autonome Städte verleiten lassen, genauso wie es Minister
Liebermann gerade wieder einmal fordert. Eine weitere Eskalation der
Gewalt wäre die Folge und israel-kritische Reaktionen wären dann nicht
nur bei den arabischen, sondern auch bei europäischen Regierungen, ja
sogar in Washington, vorprogrammiert. Die Rückeroberung würde Arafat
letztendlich in die Hände spielen.
Sollte Scharon sich aber zu noch
weitergehenden Abenteuern verleiten lassen und - Netanjahus Vorschlägen
folgend - Arafat zwangsweise aus der PA entfernen und in's Exil
schicken, wären weitere Gespräche auf lange Sicht hin verunmöglicht.
Arafat bliebe auch im Exil der "Rais", der
Präsident. Niemand aus dem "moderaten" oder "säkularen" Lager würde es
wagen, seine Nachfolge anzutreten. Das entstehende Machtvakuum würde nur
Hamas, Jihad und Hisbollah weiter stärken. Um den bewaffneten Kampf den
Islamisten nicht alleine zu überlassen, müssten sich lokale PLO-Milizen
noch stärker beteiligen, Arafat könnte den gesteigerten Terror aus dem
Exil hemmungsloser dirigieren als jetzt. Die Eskalation würde Arafat
wieder zum Gast in allen Hauptstädten machen. Israel würde unter
internationalen Druck geraten und nachgeben.
Arafats Rückkehr wäre wieder einmal ein
Zeichen dafür, dass Gewalt die einzige Sprache ist, die in diesem
Konflikt verstanden wird. Welche nachhaltig negativen Folgen dies hat,
zeigt sich in der psychologischen Reaktion auf den zwanzig Jahre
hinausgeschobenen Abzug aus dem Libanon, der schließlich chaotisch,
überstürzt und ohne Abkommen zustande kam und nun, nicht nur von der
Hisballah, als großer Sieg gedeutet wird.
Sollte Arafat im Zuge einer solchen Aktion
umkommen, wäre mit einer noch viel schlimmeren Welle des Terrors zu
rechnen. Die Schwächung der PLO könnte zwar endgültig sein, die Folge
wäre aber die Beerbung durch die Hamas. Arafats Angebot eines
Palästinastaates in den Grenzen von 1967 wäre vom Tisch.
Ein
Kommentar der israelischen Tageszeitung
Jedioth achronoth rechnet in diesem Fall mit Terrorangriffen ungeahnter
Wucht, nicht nur aus der West Bank und aus Gaza, sondern auch vom
Libanon her. Ebenso wären Terrorakte auch gegen israelische und jüdische
Ziele im Ausland zu erwarten. Die arabischen Staaten könnten eine solche
Entwicklung nicht tatenlos hinnehmen, genauso wenig wie die israelischen
Araber.
Yoel Marcus gab vor zwei Wochen in haArez den Rat: "Passt
auf Arafat auf, deckt ihn gut zu, dass er sich nicht erkältet!" Dem wäre
nur noch hinzuzufügen: "Und wenn er gut gefrühstückt hat, redet mit ihm,
solange er noch da ist!" david
gall / haGalil onLine 03-03-2002 |