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Ein Plädoyer für die
Vereinigten Staaten des Nahen Orients:
Ein neues Fenster zur Welt

Die jüngste Äußerung des Präsidialratsmitglieds von Kadek, Mustafa Karasu, in einen fairen Dialog mit den USA und (erstmals) auch mit Israel zu treten, bezeichnen eine neue und realistische Perspektive.

Von Hans Branscheidt

Der Irak-Krieg ist zu Ende: Einer von mindestens 200 Kriegen, die auf der Welt nach 1945 stattfanden, ist einmal mehr im Irak geführt worden. Nicht als Ausnahme, sondern als Regel: nur ganze zwei Ereignisse in diesem andauernden Kriegsgeschehen waren völkerrechtlich legitimiert. Kein Sicherheitsrat hat sich mit diesen Kriegen sonderlich beschäftigt, geschweige denn ein Veto eingesetzt oder ihre Beendigung erreicht. Kein Mitglied der "Friedensachse Moskau-Paris-Berlin" hat je auf das Kriegführen verzichtet, wenn die eigenen Interessen dafür sprachen: Putin nicht in Tschetschenien, Schröder nicht im Kosovo, Chirac nicht in Afrika oder seinerzeit im Irak. Das Völkerrecht gilt nicht.

Von außen erwirkte Regimewechsel sind in der jüngeren Geschichte "normal". Die Diktatoren bezeichnen sie gern als "fremde Einmischung", Unterdrückte fordern sie oft, mit oder ohne UN-Mandat. Im aktuellen Irak stützen sich die USA auf ihre Macht, der das Recht fehlt, die Europäer im Gegenzug auf das Recht, dem die Macht abgeht. Europäer tun plötzlich gerne so, als hätte der Frieden dieser Welt seit langem stabil und sicher in den Händen Kofi Annans gelegen. Die Mitgliederversammlung der Vereinten Nationen, die eine globale Legitimation beansprucht, erweist sich - legt man die Meßlatte der Menschenrechte an - mehrheitlich als die Generalversammlung der Folterer, Unterdrücker und Diktaturen. Wer also schreibt das Recht? Die Staaten! - Denn es gibt bis heute keinen anderen "Gesetzgeber". Aber doch wohl nicht die Saddams, die Kim Jong IIs, die Assads, die Ghadafis oder die Chameneis, sondern die üblichen "Verdächtigen", die beanspruchen, neben ihren Interessen auch Verantwortung tragen zu wollen.

Wo findet man diese? Wo sind diese lokalisiert? In jenem reichen Teil der Welt, den man den "Westen" nennt, obwohl ein immer größerer Teil des Ostens dazu wächst. Was immer an diesem Westen falsch oder mangelhaft ist, er vertritt nicht mehr das bloß Völkische, Ethnische oder Religiöse, sondern er basiert auf dem Gedanken individuellen Rechtssicherheit, des Rechtsstaats, der wiederum ohne Macht nicht denkbar ist. Weshalb aber verrät dann ausgerechnet ein Teil dieses Westens das klassische Völkerrecht, wenn es doch Unrecht und auch falsch und gefährlich ist, diese Tradition zu verwerfen? Weil neue historische Tatbestände aufgetreten sind, die nicht das Recht widerlegen, aber dazu führen, daß es sich ändern muß. Gerade die Mitglieder sozialer Bewegungen nicht nur des Westens, Feministinnen, Anti-Globalisierer, Universalisten der Menschenrechte, die im Falle des Irak strikt auf die Respektierung des alten Völkerrechts drangen, haben dies gedanklich in ihren Forderungen längst überwunden. Menschenrecht soll durchgesetzt werden auch und gerade gegen das völkerrechtliche Prinzip der nationalen Souveränität, der Nichteinmischung von außen.

Aber wie mit Despoten verfahren, die nach Atomwaffen und Massenvernichtungsmitteln greifen? Muß ihr Opfer erst den ersten Schlag abwarten, der final sein kann? Oder dürfen die potentiell Bedrohten Prävention ausüben? Die neue Gewalt des 21. Jahrhunderts - ob sie von Staaten mit unkonventionellen oder Nicht-Staaten mit konventionellen ausgeht, ob von Bürger- oder Religionskriegen - läßt sich mit dem klassischen Völkerrecht nicht mehr fassen. Wenn der Krieg mit der Nummer 201 im Irak, den die USA zweifellos völkerrechtswidrig führten, nun beendet ist, heißt dies nur, daß der Kampf jetzt erst recht beginnt. Man sollte sich nicht täuschen: die US-Regierung sitzt zwar nicht über einer Weltkarte um täglich zu überlegen, wo man einen Krieg eröffnen könnte - aber die USA sind noch nicht fertig. Sie werden nicht länger einem System folgen, wonach Diktatoren innerhalb der Grenze ihres Landes tun und lassen dürfen, was sie wollen. In den Augen der USA bedeutet die europäische Forderung nach nationaler Souveränität nur, daß Hitler vollkommen akzeptabel gewesen wäre, wenn er nur nicht die Juden ermordet hätte.

Die Gesellschaften des "alten" Europa erinnern die US-Administration an die arabische Straße. Die Europäer halten sich lieber an tröstliche Illusionen als an harte Realitäten. Sie reden viel, tun wenig, und machen die USA für ihre eigenen Mißstände verantwortlich. Die früheren geostrategischen Hauptlinien, die sich im Kalten Krieg vom Nordkap zum Kaukasus und durch den Pazifik von Japan bis Indonesien zogen, verlaufen heute von Südosteuropa bis Katar im Westen und von Zentralasien bis Indien, mit dem die USA enge Beziehungen knüpfen. Im Vordergrund steht die Kontrolle Syriens, des Iran und Pakistans, die Beeinflussung aller islamischen Regierungen (Saudi Arabien) im Sinne der Terrorbekämpfung und der Beseitigung von Massenvernichtungswaffen. Ob die europäischen Verbündeten sich durchringen können, auch der präventiven militärischen Bekämpfung der neuen Weltgefahr zu folgen, steht dahin. Völkerrechtliche Bedenken (die Frankreich und Russlands stets ignorierten) werden allerdings weichen. Schon immer folgte das Völkerrecht begründeter Wirklichkeit, wie das maßgebliche Beispiel zum Ende des 30jährigen Krieges 1648 es beweist. Für die globale Demokratie wird hierbei entscheidend sein, sich auf das aus der bürgerliche Revolution Europas stammende Motiv der "Volkssouveränität" zu besinnen, nicht auf "Staatlichkeit" und "Nation", die das gesellschaftliche Subjekt in das Korsett nationalistischer Zwangssolidarität sperrten.

Die politikvergessene Friedensbewegung hat im Irak-Krieg nur einen Termin gesehen, den Tag der "rechtswidrigen Kriegseröffnung", den sie als bloßes Ereignisdatum verhindern wollte. Den konstitutiven Konflikt selber, die ihm zugrunde liegenden Ursachen - sieht man von dem dürftig monokausalen Hinweis auf "ÖL" ab - hat sie nie erkennen wollen. Es geht ihr so, wie der deutsche Schriftsteller Uwe Johnson es einmal formuliert hat: "Der Mittelstand will immer nur, daß der Krieg nicht sichtbar wird, nicht, daß er nicht ist." Er herrscht aber andauernd und ohne Ende. Frieden hat es nie gegeben. Die abstrakte Alternative Frieden oder Krieg hat für Unterdrückte noch nie gegolten.

Es nimmt wunder, daß die große internationale Betroffenheit über das irakische Kriegsgeschehen, daß stets so auffällig abwesend war, wenn es den Kurden oder den Schiiten an den Kragen ging, so konsequent jede Auseinandersetzung mit dem vermieden hat, was für diesen militärischen Eingriff von außen grundlegend bedeutsam ist: ein sozialer Basiskonflikt in den nahöstlichen Staaten und der Mangel an den geringsten demokratischen Voraussetzungen der Moderne. UNDP konstatiert in seinen neuesten Human Development Reports über die nahöstliche Region einen seit Jahren anhaltenden kontinuierlichen Abstieg in allen zentralen Bereichen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, während zugleich (mit der Ausnahme des Jemen und des Sudan) in den vergangenen 30 Jahren keinerlei Wandel der Regierungsformen oder auch nur der Regierenden stattgefunden hat.

Trotz sogar des Reichtums an natürlichen Ressourcen in den Golfkooperationsstaaten oder im Mashreq ist die Region in allen Aspekten unterentwickelt und offenbar in ihrer momentane Verfassung reformunfähig. In 22 arabischen oder muslimischen Ländern, so UNDP, liegt die Rate des Entwicklungsfortschritts vergleichbar mit dem der Länder der Sahelzone. Am katastrophalsten ist die Lage der Frauen. Die Rentier-Staaten der Ölländer, die klerikal oder autokratisch regierten Gebilde des Nahen Ostens befinden sich in der Situation einer beispiellosen sozioökonomischen und auch kulturellen Statik. Keine emanzipatorische Reform-Dynamik in Sicht, die für die Möglichkeit der Reformierung des Hauses Saud sprechen könnte, bestenfalls ein manufakturelles Niveau ergibt sich bei der Betrachtung der Produktionsverhältnisse in Syrien, Autokratie und Nepotismus und Unterdrückung in Ägypten, Rückstand und klerikale Pression im Iran - in der Türkei ein Parteiensystem und ein autoritativer Nationaler Sicherheitsrat, der bis jetzt nicht im Traum daran denkt, die notwendigen innergesellschaftlichen Reformen in Gang zu setzen. Dazu kam das Ba'th Regime des Irak, das seit 30 Jahren nachhaltig bewiesen hat, noch jede demokratische Initiative notfalls auch mit Giftgas aus der Welt zu schaffen.

Die feststellbare Bewegungslosigkeit dieser Verhältnisse, die starre Ablehnung der Moderne, bedeutet - mit oder ohne Krieg - die Gefahr einer Kollabierung mit weitreichenden Folgen an zentralem Ort dieser Welt. Europäer wie Amerikaner hatten zuvor diese "Tankstelle Nah Ost" eingerichtet, und die dazugehörigen Regimes etabliert und gestützt. Keiner hat da eine Ausnahme gemacht. Der Dissens innerhalb der Eliten des Westens (und Ostens), um den es nun seit neuestem geht, resultiert aus der konkurrent gestellten Frage, wie mit dem Problem umzugehen ist, das nicht länger mehr übersehen und geleugnet werden kann. Vor allem zwei unterschiedlichen Handlungskonzepte sind geläufig: "Containment", schlug die deutsch-französisch dominierte Position vor, "Intervention" plus Demokratiebildung und Education unter Beteiligung oppositioneller Kräfte der betroffenen Länder die amerikanische. Während die USA seit etwa 1991 für die Ächtung aller diplomatischen und wirtschaftlichen Initiativen des Saddam Regimes sich aussprach, mochten Franzosen, Deutsche und Russen nicht nur mit dem irakischen Regime unverändert weiter korrespondieren. Sie waren es zusammen mit Russland, die Ende der 90er Jahre die Rückkehr der Inspektoren in den Irak verhinderten. Den Europäern erschien gerade der status quo in den nahöstlichen Ländern durchaus attraktiv.

Die Märkte, die sich ihnen hier boten und die Ressourcen, sprachen aus ihrer Sicht dafür, die Sache mit der Forcierung der Demokratie und Umgestaltung ohne sonderliche Eile zu betreiben. Wenn überhaupt. Aus ihrer Sicht waren Regimes wie das irakische im Grunde von der gerade erwünschten "Zuverlässigkeit": es gab Vielvölkerstaaten, ohne homogenes Staatsvolk, um dessen künstliche Herstellung unter Druck sich ein Saddam Hussein unentwegt auf der Basis der Zwangsarabisierung einsetzte, der aber gerade deshalb als Garant dafür erschien, daß alle Pluralität bequem unter Kontrolle gehalten wurde.

Die insgesamte deutschen Nah Ost Politik, seit Jahren ebenfalls statisch, läßt sich in einem einzigen Satz ausführen: Man macht gute Geschäfte im Nahen Osten, wo es Regimes gibt, die von sich aus den diktatoralen Daumen auf die Menschen drücken. Die ständige Äußerung des deutschen Außenminister Joseph Fischer, man solle sich aus dem Irak heraushalten, weil sonst alles auseinander fliege, bestätigt das. Saddam Hussein bedeutete aus dieser Sicht größtmögliche Stabilität: als Instabilität wurde im deutschen Außenministerium zugleich jeder Versuch angesehen, den unterdrückten und genozidal bekämpften Formationen des Irak, - seien sie ethnischer, religiöser oder politischer Provenienz -, die Gewährung eigener Rechte und Freiheiten in zukünftig föderalen und demokratisierten Gesellschaften zu erlauben. Gerade die Favorisierung dieser Handlungsoption erlaubte es den Europäern auch, die Rolle der "Freunde der Araber" und des Nahen Ostens einzunehmen, die unter Maßgabe des "containment" die massive Förderung der auf die Märkte der Region gerichtete Politik ihrer Wirtschaftsverbände strategisch ausspielte gegen die auf eine Umwälzung der dortigen Verhältnisse bedachten Vereinigten Staaten. Diesen wurde die unattraktive Rolle des Weltpolizisten gern gestattet, während die Europäer so taten, als könnten und würden sie alle Probleme mit Entwicklungshilfe und Dialog lösen.

Erst die neokonservativen Vorstellungen innerhalb einer Fraktion der Republikanischen Partei der USA, - im Bruch mit ihren eigenen früheren außenpolitischen Traditionen, - mochten dieser für sie ungünstigen Rollenverteilung nicht länger tatenlos mehr zusehen: gerade weil die Europäer die günstigen Wirtschaftsverträge abschlossen, während die USA als dauerhafte Schurken vom Dienst identifiziert wurden, wurden den Neokonservativen unter diesen Umständen ihre traditionellen (NATO) Koalitionäre plötzlich egal. Der pragmatisch simple Satz Cheneys, daß ab sofort "die Aufgabe die Koalition bestimmt", nicht umgekehrt, führte schon im Vorfeld des Krieges zur Aufhebung der bisherigen Bedingungen und Gültigkeiten internationaler Absprachen und Sicherheitsverabredungen.

Wenn wir schon allein handeln müssen, auf eigenes Risiko und womöglich auch Kosten, dann auch nur zu unseren Bedingungen. Condoleeza Rice hat daher in den ersten Tagen der Niederlage des Saddam Regimes diese Anschauung zur Maxime für die Rekonstruktion des Irak erhoben.

Die Europäer jedenfalls wollten nicht nur nicht entschieden im Nahen Osten handeln, sondern sie hatten tatsächlich auch kein einziges Konzept, nicht einen glaubhaften Entwurf zur Hand, der realistisch mit den Problemen der Region korrespondiert hätte. Jene gerade auch von kurdischer Seite so oft und hartnäckig gestellte Frage, warum Europa nicht handelt, weshalb speziell die deutsche Türkei- und Nah Ost Politik in passiver Sterilität verharrt, wird an dieser Stelle plausibel: Die europäischen Eliten wollten gerade den status quo, und gerade deshalb keinerlei Veränderung, die der Definition ihrer Interessen nicht entsprochen hätte.

Am Ende nun des Irak-Krieges beginnt der Kampf erneut. Nicht die militärische Planung und Durchführung des Ereignisses der Intervention war entscheidend, sondern was bereits im Vorfeld geschah und was demnächst erst recht geschehen wird.

Die Türkei ist nicht in den Irak einmarschiert. Aber wenn sie es jetzt noch einmal tun sollte, muß sie mit amerikanischem Widerstand rechnen - und mit dem der Kurden und der neuen Kräfte des Irak. Tatsächlich haben sich die amerikanisch-türkischen Beziehungen deutlich verschlechtert.

Das aber bedeutet die große Chance für die Kurden und weitere Gruppen der irakischen Gesellschaft. Mit den dringend benötigten Krediten der USA und des Westens kann Ankara nicht rechnen. Der Zugang zur Vollmitgliedschaft der EU ist - trotz Berlusconis neuesten Äußerungen - in weitere Ferne gerückt. Ein neuer Irak, dem die internationale Anerkennung sicher ist, wird sich unter Hinweis auf seine Souveränität und neue Autorität jede militärische Einmischung der Türkei verbieten.

Theoretisch ist die Regierung Erdogan am Ende. Schlimmer noch für sie: Das bisherige so gedachte westliche Projekt von der Türkei als erstem modernen System im muslimischen Bereich könnte von den USA auf den Irak übertragen werden.

Auch die israelische Regierung, die nie so ganz überzeugt war von der strategischen Verbindung mit Ankara, könnte ihrerseits ihre Energie auf den für sie wichtigen Irak fixieren.

Im Prozeß des Durchbruchs der Moderne erstmals in einem "arabischen" Land Irak, das nun ein multiethnisches würde, und das ein reiches wäre. Mossul und Kirkuk (hier regiert jetzt ein von allen Bürgern gewählter kurdischer Bürgermeister), was immer geschieht, sind ohne kurdischen Anspruch nicht mehr zu denken. Eine ungeahnt günstige historische Situation für die Kurden.

Illusionärer Optimismus? Nein, sondern kühle realpolitische Berechnung. Die andauernd skeptische Frage, ob die USA die Demokratie wirklich wollen, und ob sie ihnen tatsächlich auch gelingt, ist falsch gestellt: die Vereinigten Staaten befinden sich ab sofort in schwieriger Lage und unter einem erheblichen Erfolgsdruck. Ihnen muß ein akzeptables Modell gelingen, weil nur das beispielhaft für die Menschen der Anrainerländer ist. Nur eine halbwegs gefestigte und entwickelte Demokratie kann Stabilität erbringen.

Nur ein US gestifteter gelungener demokratischer Irak verschafft den Amerikanern jene Legitimation für das eigene Handeln, dessen die Vereinigten Staaten auf ihrem weiten strukturpolitischen Feldzug unbedingt bedürfen. Der Hegemon kann und will nicht dauerhafte militärische Besatzungsmacht sein, auf dessen Schultern die ganze Verantwortung ruht, sondern er wird diese delegieren müssen.

Eine langjährige Militärdiktatur - mit oder ohne General Franks - kann das alles nicht bieten. Ab sofort sind die USA darauf verwiesen, um die Zustimmung und Partizipation der regionalen Akteure zu werben: sie sind auf diese angewiesen.

Die aktuellen Zusicherungen von General Franks, die US Truppen im Irak bis zum Herbst auf die (geringe) Zahl von 30 000 zu reduzieren, bis Juni eine neue irakische Übergangsregierung vorzustellen, sind Zeichen einer eben nicht an langfristige Besatzung orientierten US-Regierung.

Die Briten haben im Mai 2003 die Ölfelder des Südens wieder an irakische Kräfte übergeben, im Umm Kasr existiert bereits eine rein irakische Verwaltung. Tendenziell wird sich auch die US-Zivil-Verwaltung vom Irak lösen; für die nahe und zeitlich limitierte Zukunft wird eine internationale Beteiligung an der Verwaltung des Irak angestrebt.

Wenn aber alle Fraktionen der amerikanischen Administration sich dazu verpflichtet sehen, ein föderatives Demokratiemodell im Mashreq einzurichten, das regionale Ausstrahlung und Bedeutung hat, geht das nicht ohne die weitreichende Einbeziehung der Kurden in allen ihren "Gaststaaten".

Hier könnte sich positiv ein Kreis schließen, der zum wichtigsten Ergebnis der aktuellen Intervention gerät und zu einem Fenster der Moderne für die klassischen Vielvölkerstaaten von Ankara bis Palästina wird: Im Einklang mit den zukunftsbezogenen Vorstellungen der Kurden, die Probleme der Region genau auf diese Art und Weise zu lösen.

Um jenseits von ausschließlich ethnischer, religiöser, klassenmäßiger oder kultureller Fixierung einen weiten, offenen Lebensraum zu gewähren, der am Ende aus einem übergreifenden System von Föderationen bestehen könnte, an dem alle Beteiligten ihre je eigenen Merkmale und Eigenschaften frei und ungehindert leben können, wobei die staatsbürgerlich garantierten Verfassungsrechte von Freien und Gleichen an erster Stelle stehen.

In einem schließlich ebenfalls erweiterten nahöstlichen großen größerer Wirtschaftsraum, der Prosperität, Handel und Wirtschaften ermöglicht, anstelle der bisherigen Kleinstaaterei und ihrer handelspolitischen Beschränkungen im vergangenen Rahmen imperialistisch gezogener Grenzen.

Ein Kulturraum für alle Kulturen der mesopotamischen und arabischen wie persischen Geschichte und Tradition. Auf der Basis einer allgemeinen Partizipation an den Ressourcen, der solidarischen Nutzung von Wasser und Öl.
Dies ist ein vernünftiges Ziel für den Nahen Osten - und es muß das Ziel sein, weil es alternativlos ist.

Gerade die kurdischen Zukunftsprojektionen haben sich seit langem mit dieser Vorstellung beschäftigt und keine andere Perspektive bejaht, für sich, für alle anderen. Das ist nicht das Ergebnis eines Krieges, der völkerrechtswidrig illegal war, blutig und zerstörerisch, und dessen Umstände dringend danach verlangen, die Anwendung von Gewalt in der Geschichte ausdrücklich zu begrenzen und anders besser zu legitimieren.

Dies wird aber das Ergebnis derjenigen sein, die diesem Ereignis nun ihren Stempel aufdrücken, um die Region nach menschlichem Maß zu gestalten, weil nun sie handeln und das erledigen, was Diktatur und Regimes ihnen früher zu tun versagt haben.

Was aber sind die USA? - Als Napoleon durch Europa zog, bewegte ihn dabei nicht das Motiv der demokratischen Staats-Reform - aber seine Aktion bedeutete schließlich das Ende der tribalistischen Kleinstaaterei.

Der Korse, wie die USA, beides schreckliche Akteure, - aber weil sie handelten, ereignete sich ein entscheidender Schub für die moderne und die bürgerliche Demokratie. Die wieder alt gewordenen Europäer sind dazu nicht imstande. Von ihnen ist wenig oder gar nichts zu erwarten. Es möchte sich lohnen, die Vereinigten Staaten darauf hinzuweisen, daß sie für ihre proklamierten Erneuerungen, neue Partner benötigen - und daß diese gerade auch in der Region zur Verfügung stehen.

Die jüngste Äußerung des Präsidialratsmitglieds von Kadek, Mustafa Karasu, in einen fairen Dialog mit den USA und (erstmals) auch mit Israel zu treten, bezeichnen eine neue und realistische Perspektive. Die nicht-kurdische Population des Nahen Ostens hat kaum Freunde unter den Mächten des Nahen Ostens: in Israel könnte es welche finden.

Die kurdische Seite muß in manifestativer Deutlichkeit klarmachen, dass jede äußere Kraft willkommen ist, die bereit und willens ist, die Realität der Kurdinnen und Kurden in der Geschichte anzuerkennen.

Dies gilt es den Vereinigten Staaten klarzumachen, deren Gesellschaft und Öffentlichkeit kurdenfreundlicher ist als je zuvor. Das wird dennoch nicht leicht sein und bedarf größter Anstrengung und Überzeugungsarbeit.

Vor allem die Zurückweisung der finsteren Pläne der Türkei. Aber selbst die durchaus noch vorhandene Uneinsichtigkeit der USA sollte einen von diesem Ziel nicht abbringen. Es existiert keine andere realistische Alternative.

Erschienen in: Asiti 2/2003

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hagalil.com 27-08-03

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