Identitätsmosaik:
Drei Strassen von Jerusalem
Von Zorab Aloian
1992 verließ ich für eine Weile die weinende
Sowjet Union, die sich im Zustand des chaotischen Umbruchs befand,
und stand in der Mosche Barasani Strasse in Jerusalem. Als ein
Vertreter eines Tausende Jahre im Nahen Osten lebenden Volkes
mussten meine Großeltern mit Schmerz und Tränen weg aus ihrer
kurdischen Heimat, die so nahe am Heiligen Land liegt, um ein neues
Land im Kaukasus zu finden, damit ich nach 72 Jahren mit Lebens- und
Studiumserfahrungen im altkaiserischen Sankt Petersburg nach Israel
reisen konnte. Und dort erzählen mir meine jüdischen Freunde, olim
chadaschim aus Russland, wer Mosche Barasani war.
Der 1928 in Südkurdistan geborene und als Kind nach
Palästina verzogene Mosche kam aus einer alten kurdistanischen
Adoni-Barasani Familie, die dem Judentum viele wichtige Rabbiner
gegeben hatte. Mit kurdischer und jüdischer Fürsorge um seine
Familie und dem Einsatz für Gerechtigkeit, hatte Mosche Barasani
zunächst viel gearbeitet und seine Familie unterstützt. Danach hatte
er als Mitglied von Lehi an antibritische Aktionen teilgenommen.
Nach seiner Verhaftung hatte Mosche Barasani das britische
Militärgericht abgelehnt und würde als Held zum Tode verurteilt.
Helden werden Helden nachdem sie sterben, nicht wahr?
Am nächsten Tag ging ich, trotz der Einsprüche meiner
Freunde, in dem östlichen Teil von Jerusalem, wo ich arabische
Zeitungen kaufen und eine andere Atmosphäre erfahren wollte.
Zufälligerweise befand ich mich in der Salahaddin Strasse, die nach
dem berühmtem kurdischen Sieger Salahaddin Ayyubi benannt ist. Laut
Voltaire war Salahaddin (die Europäer nennen ihn Saladin) ein
größerer Gewinn für die Menschheit als Alexander der Grosse.
Außerdem bezeichnen viele Islam-Experten ihn als zweitwichtigste
Person in der islamischen Geschichte, nach dem Propheten Muhammad.
Salahaddins Ureltern waren mit dem Kaukasus verbunden und unter
vielen seiner Vorzüge und geopolitischen Erfolge sollte man zur
Kenntnis nehmen, dass der Philosoph Rambam (Maymonides) sein Hofarzt
war. Mehr als das: manche wissenschaftliche Traktate von Rambam sind
in seinen Briefen an Salahaddin dargelegt worden.
Was mich, als ein Kurde von alter yezidischer
Religion, in Israel positiv überraschte, war die Reaktion der
Menschen, der Araber, wie der Juden, bezüglich meiner Herkunft. Die
Juden kennen uns als die Opfer des arabischen Nationalismus und als
großzügige Widerstandskämpfer. Die Araber schätzen, merken die
islamische Kulturorientierung der Kurden, erinnern natürlich an
Salahaddin und ganz seltsamerweise betonen sie die kurdische Präsenz
unter den Palästinensern ("Weißt du, yachi, der Arzt von Abu Ammar –
Yasir Arafat – heißt al-Kurd").
Mit kurdischem Blut, georgischem Geburtsort,
russischem Uni Abschluss und akademischer Beschäftigung mit
arabischen, hebräischen und persischen Texten, sah ich Jerusalem als
einen idealen Ort meines Identitätsmosaiks. Später habe ich über die
dritte Strasse von Jerusalem gelesen – die Helena Strasse – die nach
adiabenischer kurdischen Proselytin und finanzielle Unterstützerin
der Juden in römischen Zeiten benannt ist.
Ich lief in Jerusalem durch die Geschichte. Ich
fühlte die ewige Existenz der historischen Rätsel unter den Kurden
und Juden. Später wird mir die israelisch-türkische Kooperation bei
Abdullah Öcalans Verhaftung wehtun, aber die Bereitschaft der
jüdischen Politiker, Südkurdistans Aufstand gegen Saddam
gutzuheißen, hat mir neue Hoffnung gegeben. Mein Freund aus Sankt
Petersburg Wsewolod Wichnovitsch, mit dem ich dank der
russisch-jüdischen Zeitung Ami (Mein Volk) zusammengearbeitet habe,
machte die folgende Bemerkung: "Die kurdische Welt ist hoch
kompliziert und es geht nicht einfach um jüdisch-kurdische
Zusammenarbeit. Trotzdem könnte die Existenz eines vereinigten
Kurdistan, wie es in alten Medischen Reiche einst war, eine Rettung
für viele in der Region sein."
Wenn ja, dann wären die drei Strassen von Jerusalem –
Mosche Barasani, Salahaddin und Helena – ein Hinweis dafür.
Demokratie statt Waffen:
Türkisch-israelische Allianz
Statt der Türkei Waffen zu geben, sollte Israel
Demokratie transferieren. Ich glaube, nur so kann Israel sein
Wasserproblem lösen. Wenn die Region demokratisiert ist, wird eine
Pipeline von Tigris, Euphrat und Manavgat das Friedenswasser
problemlos nach Israel bringen...
hagalil.com
11-01-2004 |