Helden am Rande der Verzweiflung:
Jaffo-Straße, drei Minuten danach
Angesichts der desolaten Sicherheitslage ist in vielen
Kommentaren der israelischen Presse eine verzweifelte Resignation
spürbar. Es regt sich aber auch immer mehr Kritik an der Art mit der
Sharons Regierung auf den Terror reagiert. Gleichzeitig gibt es aber
auch Stimmen, die die Verantwortung der Opposition anlasten und
versuchen die Angst der Bevölkerung gegen
"Verräter" und "Friedensverbrecher" zu mobilisieren.
Yigal Mosko spricht in Jedioth von einer "Stadt ohne
Zuflucht" und beschreibt die Jerusalemer Jafo-Strasse als eine Straße
die es so nirgendwo anders auf der Welt gibt: "Wenn man sich auf der
Jafo-Strasse aufhält, fühlt man sich wie eine Schießbudenfigur, die aufs
Korn genommen wird. Nach einem Anschlag suchen die Menschen hier nach
jemandem, dem sie die Schuld geben können, jemanden, durch dessen
Eliminierung man das Problem ein für allemal lösen könnte.
Zu den üblicherweise Angegriffenen - Yossi Sarid und Yossi Beilin -
gesellt sich jetzt auch Avraham Burg. Schmähungen, wie sie gegen diese
drei ausgestoßen wurden, hörte ich auch bei Demonstrationen vor der
Ermordung Rabins. Es gibt in dieser Stadt keine Zukunft, es gibt kein
Erbarmen."
Jenseits des Zorns herrscht vor allem die Angst, jenseits
der Rachgier - Verzweiflung. Yehuda Litani (Jedioth) meint "Eine echte
Führung sollte auch ihren Verstand gebrauchen. Sie behält sich immer -
in jeder Lage - eine Alternative zu Panzern und Flugzeugen vor. Doch zur
Zeit scheint der Mob, der nach jedem Anschlag fordert, alle Araber
umzubringen, der einzige Maßstab zu sein, an dem die israelische
Regierung sich orientiert".
In M'ariw konstatiert Michal Aharoni, die
Liquidierungspolitik sei gescheitert. Das Problem ist aber, dass
diejenigen, die sie betreiben, das noch nicht begriffen haben: "Scharon
und seine Kollegen sollten endlich begreifen, dass das Bild, das sie
entwerfen, nicht rosa ist, wie sie uns glauben machen möchten, sondern
tiefschwarz, wie wir allmählich und jeden Tag aufs neue erkennen." Der
Terror wurde unter Scharon zur Normalität wurde. Dass Sharon sich
beharrlich über eine politische Lösung ausschweigt, wird ihm letzten
Endes nicht gut bekommen.
Trotzdem, Ariel Sharon lies über seinen Sprecher
verlauten, er sei über den Abbruch der amerikanischen Vermittlungen sehr
erfreut, Israels politische Position sei besser denn je. Er meinte damit
vor allem die eindeutige Unterstützung seiner Position durch
US-Präsident Bush. Shalom Yerushalmi (Jedioth) meint, dass auch die
letzten Anschläge Scharons selbstzufriedene politische Stimmung nicht zu
trüben vermochten.
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Die eigentlichen Helden des Kriegs
gegen den Terror erkennt Nachum Barnea (Jedioth) nicht in den
Soldaten und auch nicht in den großen Generälen in Armee und
Regierung, sondern in den Ladeninhabern der Jafo-Straße in
Jerusalem, in der haNasí-Strasse in Hadera, im Busbahnhof von Afula.
Die Helden sind die Menschen die sich im Autobus durch Tel-Aviv
schlängeln und im Dizengof einkaufen. Die zur Arbeit gehen und
wieder nach Hause. Sollte sich irgend jemand die Frage stellen, wer
in diesem Jahr zum Unabhängigkeitstag die Fackeln auf dem Herzl-Berg
anzünden soll, der hat hier eine große Auswahl an Helden." |
dg / haGalil onLine
28-01-2002 |