Sharon balanciert auf einem dünnen Seil:
Eine Taube namens Arik
Während die israelische Linke
Scharons Äußerungen bezüglich einer eventuellen Räumung einzelner
Siedlungen mit Skepsis zur Kenntnis nimmt und inhaltlich begrüßt,
herrscht im rechten Spektrum Empörung und politische Aufregung.
Avigdor Liebermann, Vorsitzender der von
russischen Einwanderern in die Regierung getragenen rechtsaußen Partei
"Israel Betenu" kritisierte die Tatsache, dass Sharon die Roadmap weder
der Regierung noch der Knesset zur Debatte vorgelegt habe: "Wir sollten
nicht vergessen, dass das nationalistische Lager bei den letzten Wahlen
einen triumphalen Sieg über die Linke erzielt hat. Das bedeutet ein
klares Votum gegen jede Politik der Verzichte".
Auch Effi Eitam, der Vorsitzende der MafDaL (Religiös-Nationale Partei)
findet die Äußerungen Sharons "sehr beunruhigend", denn dies sei das
allererste Mal, dass Ariel Scharon von der eventuellen Möglichkeit einer
Räumung von Siedlungen spricht. Ein Likudmitglied und Einwohner von
Shilo wird zitiert: "Die Zukunft meiner Siedlung ist sicherer als die
politische Zukunft Sharons". Der Vorsitzende der zweitgrößten
Regierungspartei, Josef Lapid kündigt an, dass die Shinuj-Minister die
politische Linie Sharons unterstützen werden. In der oppositionellen
Arbeitspartei will man Scharon unterstützen, "wenn Sharon es ernst
meint".
In Jedioth achronoth spricht Nachum Barnea von einer "Taube namens Arik"
und kommentiert: "Gestern veröffentlichte HAA einige Tage zu früh sein
Feiertagsinterview mit dem Ministerpräsidenten. Vielleicht sind
die Äußerungen Sharons deshalb so verwirrend. Wer nur die Überschrift
gelesen hat, konnte zu der Annahme gelangen, Sharon sei zu weitgehenden
Verzichten bereit. Wer sich die Mühe gegeben hat, auch die kleinen
Buchstaben zu lesen, erkannte, dass diese die großen wieder aufheben.
Seit über zwei Jahren balanciert Sharon auf diesem dünnen Seil herum.
Das Publikum schaut ihm von unten bewundernd zu: Sharon gelingt es, auf
dem Seil zu balancieren, jedoch ohne dabei einen Schritt vorwärts zu
kommen.
Die Bedingungen Sharons für Verhandlungen sind wie folgt: eine andere
arabische Führung, Terrorbekämpfung, Reformen, Einstellung der Hetze und
Auflösung aller Terrororganisationen. Das sind Bedingungen, die ein
Großteil der Israelis sofort unterschreiben würde. Das Problem liegt in
der Regelung selbst. Für die paar Ländereien, die Sharon den
Palästinensern zu geben bereit ist, wird sich wohl kaum jemand finden
lassen, der andauernde Bemühungen investieren wird.
Sharon hat sich nicht gemäßigt. Er ist noch radikaler geworden. Er nahm
die Bereitschaft zurück, im Rahmen eines Interimsabkommen einem
Palästinenserstaat zuzustimmen. Jetzt macht er seine Zustimmung von dem
Verzicht der Palästinenser auf das Rückkehrrecht abhängig.
Für die Gemäßigsten unter den Palästinensern ist das Rückkehrrecht ihr
größter Besitzwert bei den Verhandlungen über die umfassende Regelung.
Den Verzicht auf diesen Besitzwert zu einer Vorbedingung für
Verhandlungen zu machen, ist die Zauberpille, mit der die Regelung
torpediert werden kann.
Sharon ist ein komplexer Mensch. Ein Teil von ihm will wirklich eine
Regelung. Nicht, weil er vom Friedensvirus angesteckt wurde, sondern
weil er überzeugt ist, dass jeder, der seine Nachfolge antreten wird,
weniger begabt und weniger entschlossen ist, und die wahren Interessen
des Staates Israel weniger kennt. Sharon glaubt, wie viele seiner
Generation, er habe die Gründeraktien in der Hand. Eine ähnliche
Überzeugung hat Rabin nach Oslo geführt.
Was zwischen Rabin und Sharon trennt sind die Siedlungen in der Tiefe
der Gebiete... Er ist nicht bereit, auf sie zu verzichten. Er hat
Vatergefühle für sie. Aber vielleicht meint er auch, dass man, wenn er
sie räumt, auch ihn räumen wird"...
hagalil.com
15-04-03 |