Nach dem Columbia-Unglück:
Die Schwerkraft unseres Schicksals
Bemerkungen von Ari Shavit, Ha'aretz,
02.02.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Jeder, der hier aufgewachsen ist, hat sie
tausendmal gesehen: die weißen Spuren am blauen Himmel. Und jeder,
der hier aufgewachsen ist, kennt dieses Gefühl: in dieser weißen
Spur ist einer von uns. Ilan Ramon war einer von uns. Er war kein
Yuri Gagarin, kein Neil Armstrong – aber einer von uns.
Er war aus der Bausubstanz der Blich High School
und des Flugtrainings geformt, seine Vergangenheit war mit dem
Holocaust und mit dem Atomreaktor im Irak verknüpft.
Foto: Archiv NASA
TV
Er
hatte ein fesselndes Lächeln und eine reizende Familie. Mit
herausforderndem Patriotismus und der Naivität eines Pfadfinders
nahm er eine kleine Thorarolle, die den Holocaust überdauert hatte,
mit ins Weltall, und eine Zeichnung von einem Jungen, der in
Auschwitz ermordet worden war. Er nahm das Banner des Präsidenten
mit und die Fahne der Blich High School in Ramat Gan, und ein
T-Shirt, auf dem geschrieben stand: "Ein Ende den Straßenunfällen".
Sechzehn Tage lang hatten wir einen von uns im Weltall. Und seit er
Mitte Januar in einer weißen Spur im großen blauen Himmel über Cape
Canaveral verschwunden war, erzählte uns Ilan Ramon, wenn er über
uns kreiste, wie klein und schön wir seien, und wie dünn die
Atmosphäre tatsächlich sei, die unser Leben überhaupt möglich macht.
Und dieses Land, das so sehr an Zynismus gewöhnt ist, sah auf seinen
Mann im Weltraum. Dieses Land, das normalerweise auf sich selbst
herabblickt, hielt mit der Aussicht auf eine andere Realität,
nämlich der, dass sich ein Land der Schwerkraft seines Schicksals
widersetzen kann, den Atem an.
Gestern Nachmittag war der Himmel gefüllt mit weißen Spuren. Und
dieses kleine, chaotische Land war wieder einmal vereint in dem
Gefühl, dass einer seiner Landsleute in diesen weißen Spuren ist.
Und mit ihm die kleine Thorarolle, die Zeichnung, das Banner des
Präsidenten und die Fahne der Blich High School. Und mit ihm die
immer wieder zerbrechende Hoffnung, uns selbst von unserem
erdanziehenden Schicksal zu befreien und in einer schwerelosen
Normalität fliegen zu können, in vollkommener Missachtung der
Schwerkraft unserer Existenz.
haIsranaut - Israels erster
Astronaut:
Ilan Ramon
Ramon deutete an, dass sein
Flug eine willkommene Ablenkung für die Israelis sei. "Ich glaube,
dass die Menschen sehr glücklich sind, durch meinen Flug abgelenkt
zu werden"...
hagalil.com
05-02-2003 |