Wenn's nicht zum Heulen wäre:
Scharon und sein Freund Schim'on
Nach den katastrophalen
Umfrageergebnissen kamen am
Wochenende selbst Außenminister Schimon Peres Zweifel: "Hätte ich
gewusst, dass wir die jetzige Situation erreichen, wäre ich der
Regierung nicht beigetreten", klagte der Nobelpreisträger.
Wenn's nicht zum Heulen wäre, wäre es ja zum Lachen, wie zwei Kommentare
in Jedioth achronoth zeigen.
Peres hat von nichts gewusst:
Warum hat man ihm nichts erzählt?
Auszüge n. Ephraim Sidon
„Wenn ich gewußt hätte, wo das
alles hinführt, wäre ich dieser Regierung nicht beigetreten“, bekannte
Shimon Peres diese Woche, und wir alle haben eine Träne für ihn
vergossen. Hätte ihm doch nur irgendjemand einige grundlegende
Informationen über die Leute geliefert, mit denen er eine Regierung
bildet!
Zum Beispiel Avigdor Liebermann. Warum
hat man ihm nicht gesagt, dass er keine Araber leiden kann, dass er
keine Gespräche mit Palästinensern führen will? Wer hätte auch annehmen
können, dass dieser liebe und sympathische Mann kein Fan von Oslo ist?
.. Oder der selige Rachveam Se’evi. Herr Peres kannte ihn als
erfolgreichen Museumsdirektor und als Führer einer kleinen Partei, die
immer von Transfer und Generatoren, jedenfalls irgendwas mit Strom,
sprach, bei dem sich Shimon nicht so gut auskennt. Oder wenn ihm
irgendjemand heimlich zugeflüstert hätte, dass Jigal Alon und Benni Alon
nicht dieselbe Person sind, aber nein, erst nachdem 30 Israelis in der
Woche abgeschlachtet werden, beginnt Shimon zu begreifen, wer diese
Leute sind.
Besonders leid tut es ihm bei Arik
Sharon. Er hat ihn ja persönlich während des gesamten Wahlkampfs
beobachtet, und ihn als netten Opa kennengelernt, der nichts weiter
will, als Frieden und Sicherheit zu bringen. So hatte Shimon auch nicht
den geringsten Grund zu vermuten, dass Sharon sich weigern wird, Arafat
die Hand zu drücken und einen umfassenden Krieg anstrebt. Wenn sich ein
wahrer Freund gefunden hätte, der ihm etwas über den Libanonkrieg oder
die Siedlungen erzählt hätte, dann hätte er wie ein Löwe gegen den
Beitritt zur Regierung gekämpft.
Oh heilige Unschuld! OK, vor dem
Beitritt zur Regierung hat Shimon nichts gewusst, aber warum hat man ihn
ein ganzes Jahr lang im Unklaren gelassen. Erst jetzt stellt er
plötzlich fest, wo das alles hingeführt hat. Und was wird er mit dieser
Information anfangen? Ist doch ganz klar: Information bedeutet Macht.
Was braucht man mehr. Das genügt.
Wir hätten es doch wissen müssen:
Weder klug noch nüchtern
Auszüge n. Ben Caspit
Vielleicht wäre nicht nur Shimon
Peres der Regierung nicht beigetreten, wenn er gewusst hätte, wohin sie
führen wird, sondern auch Ariel Sharon? Was hat er nur an sich, dieser
Sharon, dass ihm (und uns) das immer wieder passiert. Wie fängt es immer
mit großem Jubel , großer Hoffnung und großen Plänen an, und endet
immer, aber immer, mit denselben Resultaten? Wo macht er immer die
Fehler? Wo machen wir die Fehler?
Man sagt, ein kluger Mann lasse sich
nicht in Situationen ein, die ihn nüchtern machen könnten. Dass Sharon
nicht besonders klug ist, haben wir bereits (am eigenen Leib) erfahren.
Ein kluger Mensch macht nicht ein ganzes Volk, drei Millionen Männer,
Frauen und Kinder, zu potentiellen Selbstmördern. Ein kluger Mensch
erniedrigt den Führer dieses Volkes nicht, wie verhasst er auch sein
mag, und macht ihn dadurch zu einem Mythos. Ein kluger Mann weiß, dass
die Welt immer für den Besetzten (nicht den Besatzer), immer für den
Unterdrückten (nicht für den Unterdrücker) und immer für die Frau am
Checkpoint (nicht für den Soldaten) ist.
Die Frage lautet, ob Sharon nüchtern
ist, und wenn ja, ob er nicht zu spät dran ist. Jetzt, nachdem er bei
den Palästinensern keinen Stein auf dem anderen gelassen hat, und 95%
von ihnen Selbstmordanschläge innerhalb der Grünen Linie befürworten,
jetzt, wo die Stimmen des Friedens im Lärm der Kriegstrommeln untergehen
und Arafat gefährlicher als je zuvor wurde, stellt sich die Frage, ob es
noch jemanden gibt, mit dem man reden kann, und worüber und wozu.
General Zinni wird voraussichtlich
diese Woche hier eintreffen. Kurz vor seiner Ankunft verzichtete Sharon
auf die Überreste seiner Würde indem er bekanntgab, er verzichte auf die
Forderung der sieben Tage Ruhe.
Wenn dies nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. Niemand hat
die leiseste Ahnung, was man jetzt machen soll. Hier und da sind
beängstigende Äußerungen der Entscheidungsträger und
Öffentlichkeitsvertreter zu hören. Die Familien von Selbstmördern
beseitigen. Bomben auf trauernde Familien abwerfen. Autobomben auf
Märkten in die Luft jagen.
Vor über einem Jahr, als noch niemand
wusste, wohin uns diese Intifada führen wird, hat Uri Savir zu mir
gesagt: „Es ist doch klar, wie das enden wird. Sie werden Dutzende von
Selbstmördern hierher schicken. Vielleicht sogar Hunderte. Jeden Tag
werden zwei, drei Selbstmörder in Tel Aviv explodieren, in Jerusalem,
Haifa, Netanjah. Im ganzen Land wird Blut fließen. Wir werden
zurückschlagen. Und dann, wenn Tausende tot sind, werden wir aus den
Gebieten fliehen. Wie wir aus dem Libanon geflohen sind. Mit Scham und
Schande. Und dann haben wir uns die größte Katastrophe überhaupt
zugefügt: Sie werden ihren Staat erhalten, aber nicht nach
Übereinkünften mit uns, nicht mit Würde und Verständnis, sondern mit
Blut, Feuer und Rauch.“
haGalil onLine 14-03-2002 |