Der Verzicht auf "sieben Tage Ruhe"
Überwiegend positiv bewerten
die Kommentatoren in Israel Scharons Abrücken von der Forderung nach
siebentägiger Waffenruhe, vor Wiederaufnahme der Verhandlungen.
M'ariw: EINE RICHTIGE ENTSCHEIDUNG
MP Sharon handelt bei seinem
Verzicht auf die sieben Tage Ruhe richtig, sowohl aus taktischer, als
auch nationaler und persönlicher Sicht.
Sharon sind zwei Dinge klar: Das
Bestehen auf sieben ruhige Tage ist nicht reell, und nur wenn darauf
verzichtet wird, können Fortschritte erzielt werden. Sollten die
palästinensischen Anschläge auch nach dieser wichtigen Entscheidung
Sharons andauern, dann hätte Israel die Legitimität, seine Maßnahmen zu
verschärfen.
Zweitens beginnt Sharon zu verstehen, dass er nur mit einem
Waffenstillstand und der Umsetzung eines politischen Programms überleben
kann. Auf jedem anderen Weg würde er auf Netanjahu stoßen, der immer
radikaler sein wird. Vielleicht hat sich auch bei ihm am Samstag eine
strategische Veränderung vollzogen. Das wird sich noch herausstellen.
M'ariw: EINE FÜHRUNGSENTSCHEIDUNG
Der Beschluss des MP, auf die sieben
Tage Ruhe zu verzichten, ist nicht nur eine taktische Veränderung. In
der blutigen Realität zwischen uns und den Palästinensern liegt in
diesem Beschluss auch ein Durchbruch,...denn er bedeutet, dass Sharon
endlich die Nachteile der Gewalt und die Vorteile des Dialogs erkannt
hat.
Zum ersten Mal denkt Sharon nicht nur
an seine Chancen, wiedergewählt zu werden, sondern auf die Aussichten,
ein wenig Ruhe in die Region zu bringen. Die Bereitschaft zuzugeben,
dass die Forderung nach sieben Tage Ruhe ein Fehler war, fiel ihm nicht
leicht. Politiker geben Fehler nicht gerne zu... Jetzt sollte man den MP
stärken, denn diese Maßnahme ist vielleicht das erste schwache Licht am
Ende des langen, dunklen Tunnels.
M'ariw: DIE AUSREDEN UND DIE MEINUNGSUMFRAGEN
In ähnlicher Weise kann auch der
Beschluss ausgelegt werden, Arafat aus seinem Hausarrest zu entlassen.
Die Ausrede für die Bevölkerung lautet, dass die Mörder Minister Se’evis
alle verhaftet wurden und somit die Bedingungen für die Freilassung
Arafats erfüllt sind. Aber es war der öffentliche Druck, der zu dieser
Entscheidung geführt hat, und dieser Druck kam in den
Meinungsumfragen zum
Ausdruck. Die Öffentlichkeit hat verstanden, dass der Weg Sharons falsch
ist und nichts bewirkt.
Es ist noch zu früh, um eindeutig zu
sagen, ob es sich um eine strategische Veränderung seitens Sharons
handelt oder nur um eine taktische. Wie auch immer, es handelt sich um
eine positive Veränderung.
Kritisch äußert sich haZofeh: Eine Entscheidung, über der die
weiße Fahne weht
Gonen Ginat schreibt: "Über dem
Beschluss des MP, auf die sieben Tage Ruhe zu verzichten und
Verhandlungen unter Feuer zu führen, weht die weiße Fahne. Dies ist eine
unmoralische Entscheidung, da sie zeigt, dass der Terror sich lohnt.
Sharon gab gestern den Palästinensern bekannt: Es lohnt sich, uns zu
ermorden. Und deshalb wird dieser Beschluss, wie jede Kapitulation vor
Erpressung, zu weiterem Blutvergießen führen.
Der MP sieht müde aus. Das einzige,
wozu er noch imstande ist, ist es, allen, außer sich selbst, die Schuld
zu geben: Peres ist schuld, die Armee ist nicht originell, Ben-Elieser
versteht nichts, und der Generalstabschef- der ist überhaupt ein Freund
Bibis.
Der Ministerpräsident, Omri Sharon,
teilte gestern über seinen Vater, Arik, der Regierung seine Entscheidung
mit. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich mit den Statisten in den
verschiedenen Ministerien zu beraten. Es hat den Anschein, als wollte
Ariel Sharon seinen Wählern gestern beweisen, dass sein Absinken in den
Meinungsumfragen mehr als gerechtfertigt ist.
Jedioth achronoth: Der erste Stein
Shimon Shiffer schreibt: Die
Gesandten Arafats kamen am Samstag Abend mit einer blutigen Botschaft in
die Balfour-Straße, die Straße, in der der Ministerpräsident wohnt.
Sharon war nicht zu Hause, aber die Botschaft hat ihn erreicht: Es
müssen Verhandlungen unter Feuer geführt werden.
Sharon hat sich gestern nach links
gewandt. Es hat genügt, Peres zu hören, der sagte, die Übereinkünfte mit
Abu Ala seien die Grundlage für eine Wiederaufnahme der Dialogs mit den
Palästinensern, um zu der Schlußfolgerung zu gelangen, dass sich Sharon
nun an Peres festklammert, um nicht im stürmischen Meer unterzugehen.
Sharon sucht nach einem Weg, das Feuer zu stoppen, und deshalb hat Peres
eine lange Leine erhalten.
Die ersten, die von dem Schiff Sharons
abgesprungen sind, waren die Vertreter der Rechten. Sie haben nichts zu
verlieren. Ihre Wähler wollten sie draußen, und je mehr Sharon
versuchte, sie zufriedenzustellen, desto höher schraubten sie ihre
Forderungen. Liebermann und Alon verlassen die Regierung auf Druck ihrer
Wähler. „Sharon geht mit der Linken“, sagt Liebermann.
Die Ironie ist, dass Sharon, wie
Arafat, keine strategische Entscheidung getroffen hat. Er hat auch nicht
die Richtlinien Clintons oder die Vereinbarungen in Taba übernommen.
Seine Entscheidung, auf die sieben Tage Ruhe zu verzichten, ist in
erster Linie eine taktische. Vielleicht nimmt er an, dass Arafat nicht
einmal das Mindeste tun und die Anschläge einschränken wird, und dann
wird der militärische Druck auf die PA fortgesetzt.
Was Sharon passierte, ist in der
Vergangenheit auxh seinen Vorgängern passiert. Die Realität vollzog sich
schneller, als sie von der Führung verinnerlicht werden, und sie
beizeiten die erforderlichen Entscheidungen treffen konnte. Was vor
einem halben Jahr noch geklappt hätte, ist heute schon nicht mehr
effektiv. Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass Sharon bei
den Meinungsumfragen weiter absinken wird, und das Schicksal seiner
Amtszeit bereits besiegelt ist.
haGalil onLine 14-03-2002 |