
Die Regierung der nationalen Einheit:
Ein Opfer der Taliban?
Jedioth achronoth 15-10-01, Nachum Barnea
Gestern trafen sich die Abgeordneten
nach der Sommerpause wieder einmal in der Knesset. Die einzige Neuigkeit
war, dass sich die Ketten, die die Sharon-Regierung zusammenhalten,
immer mehr lockern. Es ist fraglich, ob die Regierung heil durch den
Winter kommen wird.
Einheitsregierungen sind immer träge und
unbeweglich. Bei der Sharon-Regierung wurden diese Eigenschaften fast zu
einer Ideologie.
Inzwischen wurde jedoch die Welt auf den
Kopf gestellt. Die Bush-Regierung, die sich bei Beginn ihrer Amtszeit so
weit wie möglich von dem Nahostkonflikt fernhalten wollte, wurde mit
aller Gewalt in ihn hineingezogen. Der 11. September brachte eine neue
Prioritätenliste zur Welt. Jetzt ist die arabische und moslemische Welt
der zentrale Austragungsort der Politik Bush´, seine höchste Mission,
seine Lebensaufgabe.
Die Amerikaner investieren große
Bemühungen in die Bildung und Erweiterung ihrer Antiterrorkoalition und
deshalb brüten sie über ein amerikanisches Programm für eine
israelisch-palästinensische Regelung. Mit dem Programm soll der
islamischen Öffentlichkeit gezeigt werden, dass Amerika engagiert und
besorgt ist.
In den allgemeinen Zügen folgt das
amerikanische Programm den Linien Clintons. Der Unterschied liegt in den
Partnern. Die Barak-Regierung stimmte für die Linien Clintons. Die
Mehrheit der Sharon-Regierung lehnt sie mit Nachdruck ab. Und Arafat,
der das Programm Clintons eigentlich abgelehnt hatte, weckt noch zwei
Geister: Den Geist des Tempelbergs und den Geist des Rückkehrrechts. Er
kann sie nicht in die Flasche zurückstecken.
Aber die Avoda, das jämmerliche
Grüppchen, das mit starren Augen durch die Korridore der Knesset
schleicht, wird sich an dem amerikanischen Programm wie an einem
Rettungsring festklammern. Eigentlich an jedem Programm. Am Montag wird
Ehud Barak der Avoda-Fraktion sein Programm der einseitigen Trennung
vorstellen. Shlomo Ben-Ami arbeitet an einem eigenen Trennungsprogramm,
dessen Umsetzung von internationaler Schirmherrschaft begleitet wird.
Gleichzeitig arbeitet Chaim Ramon an einem anderen Trennungsplan.
Peres, der in den letzten Tagen
Pessimismus ausstrahlt, sowohl im Hinblick auf das Schicksal des
Staates, als auch im Hinblick auf die Zukunft der Regierung, deutet in
Gesprächen mit seinem Umfeld an: Sharon hat kein Programm. Er will nur
die jetzige Situation beibehalten und eigentlich einen Zusammenbruch der
PA erwirken. Sollte dies der Fall sein, würde er, Peres, in die
Opposition gehen (und er würde nicht allein gehen: Diese Maßnahme würde
ihm natürlich den Vorsitz der Partei in die Hände spielen).
haGalil onLine
16-10-2001 |