
Wenn die Kanonen sprechen,
müssen alle schweigen:
Die Kritik und die Moral
In der letzten Woche forderte die Tageszeitung
M'ariw in einem Leitartikel von Ministerpräsident Ariel Sharon eine
Antwort auf die Frage warum der Trennungszaun nicht gebaut werde.
Ein Zaun - sofort:
Sharon muss uns eine Antwort geben
Die Zahl der israelischen Opfer des Terrorkriegs
überschritt inzwischen die 600...
Auf diesen Artikel reagierte Ministerpräsident
Sharon sehr verärgert: "Anstatt die unerschütterliche
Durchhaltemoral des Volkes zu loben, erschüttert man sie nur", soll
Sharon gesagt haben. Sharon war böse, doch man kann nur hoffen, dass
er nach seinem Inspektionsflug im ‘Nahtstellen-Raum’ begriffen hat,
was gemeint ist.
M'ariw erklärt: "Wir dürfen nicht vergessen, dass
Sharon sich lange gegen den Trennungszaun gewehrt hat, bevor er
diesen Vorschlag akzeptierte, und seitdem ist immer noch nichts
Konkretes geschehen. Die Beweislast liegt bei ihm. Und nicht nur in
dieser Frage.
Die Kritik (Sharons) an der Kritik (des M'ariw)
legt die Befürchtung nahe, dass Sharon überhaupt keine Kritik hören
will, nach dem Motto, wenn die Kanonen sprechen, müssen alle
schweigen. Doch Kritik ist ein integraler Bestandteil jeder
funktionierenden Demokratie. Berechtigte Kritik erschüttert die
nationale Moral nicht.
Sharon hat Recht, wenn er sagt, dass wir uns nun
einmal im Krieg befinden und ‘à la guerre comme à la guerre’.
Doch er irrt, wenn er das Ende des Krieges oder den Sieg nicht ins
Auge fasst. Was für eine politische Perspektive stellt er uns in
Aussicht?
Gestern besuchte Sharon IDF-Soldaten und bat sie
um neue Ideen, wie man die palästinensischen Terroristen überraschen
kann. Man kann nur hoffen, dass gute neue Ideen, die an den
Regierungschef herangetragen werden, in Zukunft schneller
verwirklicht werden als die Idee des Trennungszauns und dass bis zu
seiner Fertigstellung wesentlich weniger israelisches Blut vergossen
werden wird, als bisher geflossen ist.
hagalil.com
11-08-02 |