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Palästina in der Phase der britischen Mandatsherrschaft 1918/22 bis 1939

Teil 2: Zionistische Reaktionen auf arabischen Nationalismus und britische Kolonialpolitik von der vierten Alija bis zum Eintritt Großbritanniens in den Zweiten Weltkrieg (1924-1939)

Von Daniel L. Schikora

Anfänge des zionistischen 'Revisionismus'

Als Reaktion auf die gewalttätigen Manifestationen des arabisch-nationalistischen Antizionismus zu Beginn der 1920er Jahre, sowie auf eine britische Politik, die – ungeachtet ihres erneuerten Bekenntnisses zum Postulat der Errichtung einer jüdischen Heimstätte westlich des Jordan – auf eine Beschwichtigung der traditionellen arabischen Eliten einschließlich der Al-Husseini-Familie ausgerichtet war, formierten sich nicht-sozialistische Zionisten 1925 zu der Partei der "Revisionisten". Diese rechtsbürgerliche Partei rekrutierte sich primär aus den jüdischen Einwanderern der vierten Alija, in deren Verlauf 1924–1931 etwa 82 000 Juden sich in Palästina ansiedelten. Die meist polnischen Immigranten der vierten Einwanderungswelle trugen maßgeblich zu einer Urbanisierung der jüdischen Gemeinschaft Palästinas bei. So wuchs die Einwohnerzahl der 1909 begründeten jüdischen Hafenstadt Tel Aviv innerhalb weniger Jahre von 3600 (1921) auf 40 000 (1925) an.(1) Als kompromißlose Nationalisten unterwarfen die Anhänger der revisionistischen Partei die aus ihrer Sicht defaitistische, jedenfalls auf reine Selbstverteidigung sich beschränkende Strategie der sozialistischen Mehrheit und der Hagana einer scharfen Kritik.

Vladimir Jabotinsky, der Wortführer der "Revisionisten", proklamierte maximalistische Territorialforderungen, nach denen ein künftiger jüdischer Nationalstaat nicht nur das westlich des Jordan gelegene Palästina, sondern auch rein arabisch besiedelte Gebiete wie "Jordanien" umfassen sollte. Die zentrale Prämisse der radikal-nationalistischen Konzeption Jabotinskys, war die prinzipielle Unvereinbarkeit zwischen dem zionistischen Bestreben, einerseits eine unabhängige jüdische Republik (und keineswegs nur eine durch Fremdherrschaft garantierte "Heimstätte in Palästina" [Hervorhebung durch D. S.], wie in der Balfour-Erklärung vorgesehen [vgl. Teil 1]) ins Leben zu rufen, und den archaischen Vormachtansprüchen des arabischen Nationalismus, der auf Kategorien des Kalifats zurückgriff, andererseits. Jabotinskys Partei wurde von ihren Gegnern als "faschistisch" gebrandmarkt (2), zumal ihre Forderungen an Mussolinis Postulate der extensiven Territorialerweiterung des italienischen Nationalstaates erinnerten.

Kennzeichnend für die prinzipielle Kompromißlosigkeit einer "Politik der Stärke", wie sie Jabotinskys "Revisionisten" gegenüber der arabischen Bevölkerung Palästinas propagierten, war die Berufung Jabotinskys auf die durchaus erfolgreiche Politik der kolonialen Inbesitznahme Australiens durch europäische Einwanderer; dem palästinensisch-arabischen Nationalismus sollte – analog zu etwaigen Unabhängigkeitsbestrebungen der australischen Ureinwohner – das historische Schicksal der (macht-)politischen Bedeutungslosigkeit vorbehalten bleiben. Allerdings vermag die Reminiszenz an koloniale Siedlungsprojekte des 19. Jahrhunderts nicht darüber hinwegzutäuschen, daß Jabotinskys Auffassungen in Einklang standen mit der auch in Europa und Nordamerika vorherrschenden Apologie von "Befriedungs"maßnahmen, wie sie von den verfeindeten Mächten Türkei und Griechenland ergriffen wurden, die sich mittels des erzwungenen Transfers des größten Teils ihrer nationalen Minoritäten entledigten. Die völkerrechtliche Absegnung eines Bevölkerungsaustauschs, in dessen Ergebnis 1,5 Mio. Griechen aus Kleinasien vertrieben wurden und auf der anderen Seite 450.000 Türken ihrer angestammten Heimat durch den Friedensvertrag von Lausanne (24.7.1923) verlustig gingen, rief in der Öffentlichkeit Westeuropas und der Vereinigten Staaten im allgemeinen keinen ernstzunehmenden Protest hervor.

Die "revisionistische" Prämisse einer Notwendigkeit der Verwirklichung des zionistischen Projekts gegen den Willen einer dauerhaft intransingenten arabischen Mehrheitsbevölkerung gewann in den Augen vieler Angehöriger des Neuen Jishuv, aber auch der jüdischen Gemeinschaften in der Diaspora an Plausibilität, als die Juden Palästinas im Sommer 1929 mit einer erneuten Welle der Gewalt gegen Zivilisten konfrontiert wurden. Als maßgeblich verantwortlich für diese Kampagne des Terrors kann der Großmufti Amin al Husseini angesehen werden. Dessen Agitation richtete sich nicht ausschließlich gegen die zionistischen Bestrebungen auf dem Territorium Palästinas, sondern vielmehr auch gegen jene orthodoxen Juden, die das zionistische Bestreben, eine souveräne jüdische Entität in Palästina zu begründen, schroff ablehnten und nichtsdestotrotz den gewalttätigen Übergriffen arabischer Nationalisten sich ausgesetzt sahen. Eine Woche nachdem die militante Jugendorganisation der "Revisionisten", Beitar, als Reaktion auf arabische Angriffe auf an der Klagemauer betende orthodoxe Juden für das zionistische Anliegen demonstriert hatten, verübten Anhänger des Großmufti in Hebron ein Massaker an den dort beheimateten nichtzionistischen Juden.(3)

Die britische Reaktion auf diese Greueltat, welche von London als Konsequenz der jüdischen Einwanderung klassifiziert und zunächst zum Anlaß für eine Kehrtwende der Kolonialpolitik Großbritanniens zuungunsten des zionistischen Anliegens genommen wurde, (4) bestärkte einen Teil des Neuen Jishuv, insbesondere die Parteigänger von Jabotinskys "Revisionisten", in der Auffassung, daß das britische Kolonialregime in einem grundsätzlich antagonistischen Verhältnis zu den jüdischen Emanzipationsbestrebungen stehe. Andererseits hielt Weizmann ungeachtet der nachhaltigen Erschütterung über das Massaker von Hebron im August 1929 an seiner prinzipiellen Bereitschaft, mit den Repräsentanten der palästinensischen Araber zu einem Konsens zu finden, fest, in der Hoffnung, die arabische Seite zufriedenstellen zu können, ohne das Ziel der Schaffung einer jüdischen Heimstätte aufgeben zu müssen. Auch David Ben-Gurion, der Repräsentant der sozialistischen Mehrheit der Zionisten in Palästina, ging nach wie vor von der Berechtigung eines Dialogs mit der Zielsetzung einer konsensualen Lösung des zionistisch-arabischen Interessenkonflikts aus, eine Haltung, wie sie sich in dem Festhalten der Hagana an der Prämisse der bloßen Selbstverteidigung manifestierte.(5) Nach dem Ausbruch des arabisch-nationalistischen Aufstands im Jahre 1936 dokumentierte sich die Unvereinbarkeit des politischen Programms der gemäßigten zionistischen Sozialisten mit dem der militanten Nationalisten der revisionistischen Partei, als letztere die militärische Organisation Irgun Zvai Leumi als von der Hagana unabhängige und bald mit ihr in Konkurrenz tretende Untergrundorganisation konstituierten, welche bereit war, ein unabhängiges jüdisches Palästina ohne Rücksicht auf die politischen Interessen des arabischen Bevölkerungsteils sowie der britischen Kolonialmacht zu erkämpfen.

Die britische Kolonialpolitik gegenüber Juden und Arabern

Die Balfour-Erklärung vom November 1917 dokumentiert einerseits das britische Versprechen, die "Errichtung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das Jüdische Volk" zu unterstützen; andererseits wurde in dieser Erklärung allerdings Wert darauf gelegt, "daß nichts getan werden darf, was die Bürgerrechte und religiösen Rechte der in Palästina lebenden nicht-jüdischen Bevölkerung oder die Rechte und den politischen Status der Juden irgendeines anderen Landes nachteilig betrifft".(6) Durch diese Feststellung stellte London nicht nur den Anspruch des Zionismus als einer Nationalbestrebung aller Juden implizit in Frage, indem es vor möglichen Gefahren für nicht dem zionistischen Konzept verpflichtete Juden außerhalb Palästinas warnte und deren Interessen somit als den zionistischen Bestrebungen potentiell zuwiderlaufend charakterisierte. Vielmehr wurde auch, anstelle einer – von den Zionisten erhofften – Anerkennung der Legitimität eines souveränen jüdischen Staatswesens auf dem Territorium Palästinas, eine dauerhafte auswärtige Verwaltung dieses Territoriums nahegelegt, deren Aufgabe darin bestehen würde, zwischen den Interessen des Jishuv und der nicht-jüdischen Bevölkerung zu vermitteln und notfalls die anerkannten Rechte der beiden Entitäten gegenüber den Vormachtansprüchen der jeweils anderen Partei in autoritärer Weise durchzusetzen.

Im Hinblick auf den in der Balfour-Erklärung implizit zum Ausdruck gebrachten Anspruch Londons, als neutrale Ordnungsmacht zu fungieren, mußte Weizmann diese Erklärung in ihrer letztgültigen Fassung als "schmerzvollen Rückzug" (von dezidiert prozionistischen Entwürfen) betrachten, da das Postulat der Gewährleistung von mit zionistischen Hoheitsansprüchen der Tendenz nach kollidierenden (Partizipations-)Rechten der nicht-jüdischen Bevölkerung "als so enge Begrenzung unserer Arbeit interpretiert werden kann, daß sie einer völligen Lahmlegung gleichkommt".(7) Nachdem 1921 Palästina geteilt und "Jordanien" einer arabischen Hoheitsmacht überlassen worden war (8), erklärte Großbritanniens Kolonialminister Winston Churchill im Juni 1922:
"Nicht Palästina als Ganzes sollte eine jüdische National-Heimstätte werden."

Die jüdische Einwanderung (in das westlich des Jordan gelegene Palästina) könne "nicht über der wirtschaftlichen Aufnahmefähigkeit des Landes liegen" – ein Prohibitiv, der die britische Kolonialverwaltung dazu legitimieren sollte, das zionistische Postulat einer nationalen Heimstätte für alle verfolgten Juden der Diaspora zu konterkarieren und gemäß politischen Opportunitäten die Immigration einzuschränken oder gänzlich zu unterbinden. Das Weißbuch Churchills postulierte zudem die Gründung eines Gesetzgebungsrates, der "durch möglichst allgemeine Wahlen bestimmt werden" solle.(9) Angesichts der überwältigenden arabischen Majorität im Mandatsgebiet Palästina zu Beginn der 1920er Jahre würde eine Beteiligung des Jishuv an der Konstituierung eines solchen Repräsentativorgans – aus zionistischer Sicht – einer Einwilligung in einen dauerhaften Minderheitenstatus gleichgekommen sein; die britische Mandatsmacht ihrerseits würde die Möglichkeit erhalten haben, als unverzichtbare Schutzmacht einer im Status einer Minorität verharrenden jüdischen Gemeinschaft in Palästina aufzutreten. Freilich verwarfen auch die Repräsentanten der palästinensischen Araber die Idee eines Legislativrates, da die arabisch-nationalistisch ausgerichtete Elite die Legitimität der Mandatsherrschaft nicht anzuerkennen bereit war. Während die Repräsentanten des Neuen Jishuv die britische Präsenz in Palästina prinzipiell respektierten und die Briten daher der Jewish Agency als Repräsentanz der Juden Palästinas politische Partizipationsrechte zugestanden, vermochte die (1936 aufgelöste) Arabische Exekutive Palästinas keinen wesentlichen Einfluß auf die Institutionen der Mandatsherrschaft und somit auf einen Entkolonialisierungsprozeß zu nehmen, wie er in der einseitigen Ausrufung Israels 1948 einen aus der Sicht des arabischen Nationalismus unerfreulichen Abschluß fand.(10)

Ungeachtet der scharfen und im Hinblick auf die Intransingenz arabisch-nationalistischer Einrichtungen und Persönlichkeiten durchaus einseitigen Angriffe des britischen Simpson-Berichts von 1930 auf jüdische Institutionen wie die Gewerkschaft Histadrut, denen eine maßgebliche Verantwortung für die ethnische Segregation und die tendenzielle Marginalisierung der arabischen Mehrheitsbevölkerung zugeschrieben wurde (11), und der demonstrativen Bekundung des Willens der britischen Regierung, die jüdische Immigration zu unterbinden, kam es in den folgenden Jahren zu einer verstärkten Einwanderung nach Palästina. Diese fünfte Alija hatte ihre Ursache in erster Linie in dem regierungsoffiziellen Antisemitismus in Polen und, nach der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933, im Deutschen Reich, der die jüdischen Bevölkerungen existentieller Bedrohung aussetzte. So fanden zwischen 1932 und 1938 rund 200.000 Juden aus Deutschland oder Polen in Palästina eine neue Heimat und entkamen so den Konsequenzen des eliminatorischen Antisemitismus der deutschen Nationalsozialisten.

Nicht nur gegen die Immigration von Zehntausenden in Europa verfolgter Juden, sondern auch gegen die britische Kolonialmacht, die sich weigerte, die nach dem Massaker von Hebron offiziell proklamierten antizionistischen Zielsetzungen zu verwirklichen, richtete sich eine im April 1936 ausbrechende arabische Erhebung. Deren Initiatoren rekrutierten sich aus der Anhängerschaft des Arabischen Hochkomitees – eines Gremiums unter dem beherrschenden Einfluß des Großmufti und von dessen panislamischer Konzeption –, welches die Arabische Exekutive Palästinas substituiert hatte. Unter dem Eindruck dieser Insurrektion, die von dem faschistischen Italien und Hitler-Deutschland zeitweilig durch Waffenlieferungen unterstützt wurde, militärisch aber gleichwohl aussichtslos blieb, schlug die britische Royal Commission unter Earl Peel 1937 eine Teilung des Territoriums Palästinas (westlich des Jordan) in drei Teile vor: Im Nordwesten sollte den Zionisten die Schaffung eines kleinen Staatswesens gestattet werden, dessen Territorium die Städte Tel Aviv, Haifa, Nazareth und Tiberias einschließen sollte, wohingegen Samaria, Judäa und der Negev in den Staatsverband der Monarchie Abdullahs in (Trans-) Jordanien integriert werden könnten. Ein Korridor, der Jerusalem, Bethlehem und Jaffa umfassen würde, sollte unter britischer Schutzherrschaft bleiben. Trotz der ablehnenden Reaktion religiöser zionistischer Juden auf den Teilungsvorschlag angesichts der von ihnen erwarteten Zugeständnisse im Hinblick auf den künftigen Status von Judäa und Samaria entschied sich die gemäßigte zionistische Exekutive dafür, den Plan zu unterstützen. Auf der anderen Seite erklärten die Führer der palästinensischen Araber ihre Ablehnung einer Inkorporation Galiläas in einen jüdischen Staat, der in diesem Falle die Hoheitsgewalt über das Siedlungsgebiet Hunderttausender von Arabern erhalten würde.(12)

Nachdem Großbritannien bis 1939 weitere bewaffnete Rebellionen, die der Zurückweisung des Peel-Plans durch die arabisch-palästinensische Führung folgten, militärisch niedergeworfen und die koloniale Ordnung im Mandatsgebiet wiederhergestellt hatte, gab es den Teilungsplan offiziell auf. Bis März 1939 hatte die britische Strategie des appeasement (= Beschwichtigung) gegenüber dem aggressiv-expansionistischen NS-Deutschland, das die nationalstaatliche Neuordnung Europas von 1919 unter Berufung auf "großdeutsche" Reichseinigungspostulate in radikaler Weise in Frage stellte, mit einer Politik der militärischen Stärke gegenüber den antikolonialen Bestrebungen der Araber koinzidiert. Nach dem deutschen Einmarsch in Prag (15.3.1939), der eine militärische Auseinandersetzung auf dem Kontinent wahrscheinlich werden ließ, sah sich die britische Diplomatie jedoch zu Konzessionen gegenüber dem arabischen Antizionismus genötigt, um die arabischen Eliten Palästinas (und auch außerhalb dieses Territoriums) wenigstens zu einer neutralen Haltung in einem künftigen kriegerischen Konflikt mit den Achsenmächten zu verpflichten. So beschloß London in einem Weißbuch über Palästina vom 17.5.1939, die Immigration verfolgter Juden aus dem Machtbereich Hitler-Deutschlands in drastischer Weise zu kontingentieren sowie den Landkauf durch Juden Palästinas zu verbieten.

Die arabisch-palästinensischen Rebellionen gegen die britische Mandatsherrschaft, die mit Gewaltakten gegen jüdische Zivilisten einhergingen, wurden von den Revisionisten zum Anlaß genommen, die Untergrundorganisation Irgun Zvai Leumi (Ezel) – National Military Army als militärischen Arm des militanten zionistischen Nationalismus ins Leben zu rufen. Diese Organisation war aus der "Hagana B" hervorgegangen, einer Abspaltung der gemäßigten Hagana, welcher auch angesichts der Erfahrungen von 1920/1 und 1929 und ungeachtet ihres "Defaitismus" von seiten der Mandatsmacht selbst nach dem Ausbruch des arabischen Aufstandes 1936 ein legaler Status verwehrt und deren Strategie von den Parteigängern Jabotinskys und Begins (13) als gescheitert angesehen wurde. In der Phase der Insurrektionen der palästinensisch-arabischen Parteigänger des Großmufti 1936–39 beantwortete der Ezel arabische Provokationen und Gewalttätigkeiten mit militärischen und gegenterroristischen Handlungen, die neben arabischen Kämpfern auch arabische Zivilisten betrafen. Solche Gewaltakte, wie die Bombenanschläge auf arabische Zivilisten im Juli 1938, können freilich als militärisch kaum ins Gewicht fallend eingestuft werden. Demgegenüber beschränkte sich die Hagana auf Hilfeleistungen an die britische Mandatsmacht in Gestalt von Spionage und Gegenspionage.(14)

Großbritannien entschloß sich, in Anbetracht der grundsätzlichen Bereitschaft der radikalen arabischen Nationalisten und Anhänger des Panislamismus zur bewaffneten Rebellion, kurz nach dem Triumph der durch Rom und Berlin in entscheidender Weise militärisch unterstützten nationalistischen Aufständischen gegen die linksrepublikanische Regierung Spaniens und der Besetzung der "Rest-Tschechei" durch Hitler-Deutschland zu einer Politik der Zugeständnisse an die potentiellen Verbündeten der Achsenmächte in Palästina, mithin zu einem erneuten, nunmehr in den arabisch-islamischen Raum verlegten appeasement. Ungeachtet dessen kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die strategische Position der Zionisten gegenüber der Mandatsmacht wie ihren arabischen Antagonisten sich infolge der Ereignisse zwischen 1936 und 1939 insofern verbesserte, als einerseits – als Reaktion auf den arabischen Generalstreik – die "Nationalisierungs"-Postulate der sozialistischen Partei und der Gewerkschaft Histadrut zur Geltung gebracht wurden: Der Widerstand jüdischer Arbeitgeber gegen die Anerkennung des Prinzips der "jüdischen Arbeit" wurde aufgegeben.(15) Andererseits sahen sich die Briten durch das militärische Kooperationsangebot der Hagana dazu veranlasst, ein Recht des Jishuv auf Selbstverteidigung anzuerkennen und die gemäßigte jüdische Selbstverteidigungsorganisation aus der Illegalität zu befreien.

Nachdem Großbritannien, Frankreich und die Dominions als Reaktion auf den deutschen Überfall auf Polen im September 1939 Hitler-Deutschland den Krieg erklärt hatten, bekundeten sozialistische und rechtsnationale Zionisten – abgesehen von einer kleinen Minorität unter den militanten Nationalisten, die sich von der Organisation des Ezel trennte und als "Kämpfer für die Freiheit Israels" (Lechi) (16) sich dafür entschied, Großbritannien als Hauptfeind kompromißlos zu bekämpfen – ihre Solidarität mit der Mandatsmacht Großbritannien in deren Konflikt mit NS-Deutschland und dessen "fünfter Kolonne" im Nahen und Mittleren Osten. Während des Zweiten Weltkrieges rückte eine große Anzahl junger Angehöriger des Jishuv freiwillig in die britische Armee ein und sammelte im Kampf gegen die Achsenmächte militärische Erfahrungen, die sich in den späteren militärischen Auseinandersetzungen Israels mit dessen arabischen Nachbarstaaten als nützlich erweisen sollten.

Daniel Leon Schikora, 1977 in München geboren, 1999-2002 B.A.-Studium der Geschichte und der Staatswissenschaften/Sozialwissenschaft an der Universität Erfurt, Erwerb des B.A. im Herbst 2002, anschließend M.A.-Studium der Geschichte.

Dieser Artikel erschien im Magazin "CAMPO de Criptana", Heft 6, III/IV Quartal 2004.

Teil 1: Jüdisch-arabischer Antagonismus in Palästina in den ersten Jahren nach dem Ende der osmanischen Herrschaft

Anmerkungen:
(1) Siehe Schreiber, Friedrich – Wolffsohn, Michael: Nahost. Geschichte und Struktur des Konflikts. Opladen 1996, 74.
(2)
Vgl. ebd., 81.
(3)
Vgl. ebd., 78-9.
(4)
So empfahl das Passfield White Paper eine Unterbindung der Einwanderung von Juden nach Palästina, um den Lebensstandard der arabischen Bauern zu garantieren; allerdings nahm Großbritannien von einer strikten Umsetzung dieser Empfehlung Abstand. Vgl. Krämer, Gudrun: Geschichte Palästinas. Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel. München 2002, 274-5, sowie Herz, Dietmar – Steets, Julia: Palästina. Gaza und Westbank. Geschichte, Politik, Kultur. München 2001, 29.
(5)
Vgl. Schreiber – Wolffsohn, a. a. O., 79-80.
(6)
Zit. ebd., 29.
(7)
Said, Edward W. – Abu-Lughod, Ibrahim – Abu-Lughod, Jenet L. – Hallaj, Muhammad – Zureik, Elia: Porträt des Palästinensischen Volkes. Wien 1983, 14-5.
(8)
Die faktische Exkorporation Jordaniens aus dem künftigen Mandatsgebiet Palästina durch Großbritannien erhielt ihre völkerrechtliche Legitimation durch Art. 25 des Völkerbundmandats vom 24.7.1922. Siehe Schreiber – Wolffsohn, a. a. O., 71-2.
(9)
Zit. ebd., 71.
(10)
Vgl. Herz – Steets, a. a. O., 29.
(11)
Vgl. Said u. a., a. a. O., 13-4.
(12)
Die Idee einer Teilung Palästinas in ein jüdisches und ein arabisches Hoheitsgebiet sowie ein (britisch resp. international verwaltetes) corpus separatum, welches die heiligen Stätten in Jerusalem umfassen würde, findet sich in dem Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947 wieder, auf dessen Grundlage die souveräne Republik Israel sich konstituierte. Im Hinblick auf die Grenzziehung erschienen jedoch sowohl der Peel-Plan von 1937 als auch der VN-Teilungsplan aus arabischer wie aus zionistischer Perspektive als mit der Schaffung lebensfähiger unitarischer Nationalstaaten kaum vereinbar. Vor allem der Teilungsplan der UNO legte eher eine Föderalisierung des britischen Mandatsgebiets nahe, also die Bildung einer Föderation oder Konföderation auf der Basis einer ethnopluralistisch konzeptionierten Verfassung. Statt dessen nahm die unmittelbar nach ihrer Gründung am 14.5.1948 von ihren arabischen Nachbarstaaten militärisch angegriffene jüdische Republik den ersten arabisch-israelischen Krieg zum Anlaß, ihr Territorium zu "arrondieren", indem sie auch Territorien inkorporierte, die der VN-Teilungsplan den palästinensischen Arabern zugesprochen hatte. Deren Hoheitsrechte wurden allerdings in eklatanter Weise auch durch das Königreich Jordanien negiert, das im Ergebnis des Krieges gegen Israel 1948/49 das Westjordanland und Ost-Jerusalem entgegen völkerrechtlichen Normen eigenmächtig annektierte.
(13)
Menachem Begin, in den 1920er Jahren Präsident der polnischen Sektion der zionistischen Jugendorganisation Beitar und Bewunderer Jabotinskys, erklärte am 1.1.1944 als Kommandant des Ezel der britischen Mandatsmacht den Krieg und wurde von dieser als "Terrorist" zur Fahndung ausgeschrieben. Die im Rahmen der von Begin proklamierten "Revolte" gegenüber den Briten angewandten Guerrilla-Methoden wurden als durchaus erfolgversprechendes Modell von der Nationalen Organisation Zypriotischer Kämpfer (EOKA) übernommen, die 1955 den bewaffneten Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft mit dem Ziele einer Erzwingung des Rechtes der Zypern-Griechen auf Vereinigung mit dem Mutterland (= Enosis) begann. 1977–83 israelischer Premierminister, erklärte sich der Hardliner Begin unter Vermittlung der US-Regierung Carter zu einem Rückzug Israels von der Sinai-Halbinsel bereit, um im Gegenzug Ägypten zu einer Anerkennung des israelischen Staates zu verpflichten. Der im März 1979 unterzeichnete Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel, für dessen Zustandekommen Begin und Ägyptens Präsident Sadat den Friedensnobelpreis erhielten, brachte das in Art. 2 der VN-Charta postulierte Prinzip der souveränen Gleichheit erstmals in den Beziehungen zwischen der jüdischen Republik und einem arabischen Staat zur Geltung.
(14)
Vgl. Schreiber – Wolffsohn, a. a. O., 103.
(15)
Siehe ebd., 95.
(16)
Vgl. ebd., 118.

hagalil.com 23-09-2004

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