[IRAK SPECIAL]
Über die Staatsideologie des Iraks:
Der Ba`thismus
Von M. Koschkin
Ba`th bedeutet
Auferstehung. Der Ba`thismus hat das Ziel der arabischen Einheit,
eines arabischen Reiches, welches Nordafrika, den Sudan, Teile der
Türkei und den kompletten Nahen Osten umfasst - und wenn vom
kompletten Nahe Osten die Rede ist, darf mitten im neuen Reich ein
jüdischer Staat nicht existieren.
Der arabische Pan-Nationalismus verlangt von
vornherein einen ebenso großen arabischer Führer wie das zu
schaffende Reich. Dieser soll die arabische Geschichte in seiner
Person verkörpern. "Die Freiheit muss solange von einigen wenigen
Führern, die den wahren Willen der Nation erkannt haben,
durchgesetzt werden, bis es der Erziehung der Regierung gelungen
ist, allen Arabern 'ihre wahre Natur' bewußt zu machen." (1)
Der irakische Ba`thismus und der seit 1979 von Saddam Hussein
geführte Staat beanspruchen und verkörpern diese Führerschaft. Wie
kein anderer arabischer Staat hat der Irak es geschafft, die Idee
eines großarabischen Reiches und die Entwicklung des irakischen
Nationalismus ideologisch zusammenzuführen. Die Wiederauferstehung
der irakischen Herrschaft war gleichbedeutend geworden mit der
erhofften Auferstehung des arabischen Großreiches. Aus diesem Grund
kann sich Saddam Hussein auf die Solidarität vieler Araber
verlassen.
Die ba`thistische Partei
Der Weg zu diesem neuen Reich ist der Weg der
Partei. Ein Leben außerhalb der Partei soll deshalb nicht möglich
sein - der Idealtypus der ba`thistischen Gesellschaft sieht vor,
dass alle Menschen in absoluter Abhängigkeit zum ba`thistischen
System stehen. So ist es nicht nur unter Strafandrohung Pflicht, in
jede Wohnung ein Porträt des Führers zu hängen, die Partei
kontrolliert auch jede gesellschaftliche Tätigkeit. Die
Gewerkschaften, Berufsverbände, die Freizeit, welche mit
militärischer Erziehung und politischer Schulung verbracht werden
soll, alles wird in die Partei eingegliedert. Fehlverhalten wird mit
brutaler Repression bestraft und ein weit ausgeprägtes Spitzelnetz
sorgt für einen Zustand ständiger Angst. Kinder sind dazu
angehalten, ihre Eltern zu bespitzeln, jeder Verdacht muss umgehend
angezeigt werden.
Nicht nur die neun Sicherheitsdienste, inklusive dem
Supergeheimdienst Mukhabarat, die sich alle gegenseitig bespitzeln,
sondern vor allem die zu Geheimdienstlern verkommenen Idealbürger
sorgen für einen ständigen Zustand der Angst und des Verrats.
Verdächtig ist jeder im System des Iraks, welches seine Kraft aus
der Bekämpfung ständiger Verschwörungen innerhalb und außerhalb des
Landes zieht. Jeder, der sich oppositionell zur Partei verhält ist
Teil der "Verschwörung" und wird automatisch auch aus dem irakischen
Volk ausgeschlossen, er wird zum Feind des Volkes und damit zum
"zweibeinigen Insekt", welches "vernichtet" oder "zertrampelt"
werden muss. Partei und Staat sehen sich in einer "organischen
Einheit mit dem Volk", und wer sich aus diesem Organismus löst oder
ihn verrät, verliert damit auch seine Existenzberechtigung.
Der "Sozialismus der edlen Seelen"
"Sozialismus" bedeutet im Fall des Iraks den
absoluten Machtanspruch der Partei auch über die Wirtschaft. "Mitte
der siebziger Jahre waren beinahe zwei Drittel der irakischen
Bevölkerung mehr oder weniger direkt von staatlichen Löhnen oder
Zuwendungen abhängig, während private Wirtschaftsbereiche nunmehr
gezielt unterdrückt wurden, da sie das ökonomische und soziale
Monopol der Partei untergraben könnten. Die Verteilung des aus der
Erdölrente geschöpften Reichtums lag vollständig in der Hand der
ba`thistischen Staatselite, die nun daran ging, die bestehenden
Klassenstrukturen in einen Massenstaat umzuwandeln, in dem jeder in
gleicher Weise von den Verteilungsstrukturen des Staates abhängig
ist." (2) Der ba`thistische Staat stellt somit ein "repressives
Wohlfahrtssystem" dar, welches sich in seiner Verteilungsweise an
der Mitgliedschaft und der Integrität der Menschen in der Partei
bemisst. Die gesellschaftlichen Rollen der Menschen werden je nach
Loyalität zu Partei und Führer bestimmt.
Alle Klassenunterschiede sollen im irakischen
Staat aufgelöst werden. Und obwohl sich der Ba`thismus gerne
Begriffe wie "Sozialismus" zu eigen macht, tut er dies in Abgrenzung
an die Verwendung dieser Begriffe durch die Kommunistischen
Parteien. Der Klassenkampf wird als zersetzendes Moment angesehen,
welches durch seinen schädlichen Einfluss die arabische Einheit
unterminiert. Wie zum Beweis dafür wurden beim ersten ba`thistischen
Militärputsch Februar 1963 im Irak (gegen den der Sowjetunion
freundlich gesonnenen Staatspräsidenten Qasin) weit mehr als
zehntausend Kommunisten ermordet. Wie es nicht nur für den Irak,
sondern auch in anderen arabischen Ländern gang und gäbe ist, wurde
die Leiche Qasins im Anschluss an seine Hinrichtung im Fernsehen
präsentiert.
Es wird vielmehr ein "arabischer Sozialismus"
angestrebt, der im Grunde eine Rückkehr zu einer völlig verklärten
arabischen Vergangenheit darstellen soll. So muss man auch die
"Nationalisierung" der Betriebe nicht einer planwirtschaftlichen
Strategie zuschreiben, sondern vielmehr in das Ideal einer
panarabischen Gesellschaft einordnen. Aus dieser Ideologie des
Kampfes gegen die "Fremdherrschaft" entspringt der gestiegene
Einfluss der Politik über die Ökonomie. Wichtigster Zweig dieser
antiimperialistischen Produktion ist die Ölförderung. Was
europäische "Antiimperialisten" von der PDS bis zur
"Antiimperialistischen Koordination Wien" Saddam Hussein
nachplappern, ist die nichts anderes als die völkische Feststellung
des Ba`thismus, dass nämlich der Westen den Menschen den "Reichtum
ihrer Region raube, der eigentlich ihnen zusteht." (3) Arabisches Öl
den Arabern.
Die nach dem zweiten Golfkrieg verhängten
UN-Sanktionen führten dazu, dass ganze Bevölkerungsschichten
verarmten. Auf massives Betreiben der UN und auch der
Friedensbewegung stoppten die Amerikaner ihren Vormarsch an den
Grenzen des Iraks und anstatt dem ba`thistischem System ein
verdientes Ende zu setzten, konnte Hussein weiter regieren. Die
Sanktionen helfen Saddam Hussein mehr, als dass sie ihm schaden, da
sie den Idealfall ba´thistischer Herrschaft darstellen. Sie schaffen
"eine Bevölkerung, die zur Untätigkeit gezwungen und auf Gedeih und
Verderb von Lebensmittelrationen abhängig ist, deren Verteilung das
Regime kontrolliert." (4)
Hass und Massenvernichtung
Die Konstitution der Macht gegen die Juden findet
sich u.a. im Gesetz No. 35: "Wer für zionistische Ideen, inklusive
des Freimaurertums, wirbt, oder zum Zionismus aufstachelt, zu einer
entsprechenden Organisation oder Institution gehört, sie materiell
oder moralisch unterstützt, ... wird hingerichtet." (5)
Seit Ende der siebziger Jahre, als aufgrund der
sinkenden Ölpreise und der hohen Verschuldung des Iraks die erste
schwere Krise ins Haus stand, reagierte der ba`thistische Staat mit
brutaler Gewalt gegen die "inneren Feinde". Kurden und Schiiten
wurden in öffentlichen Hinrichtungsfesten ermordet.
Seitdem befindet der Irak sich in einer ständigen
Krise. Er funktioniert wie in einem Ausnahmezustand und greift auf
ein ganzes Repertoire von Feinden zurück. Wenn nicht mehr direkt auf
die irakischen Juden, als Inkarnation allen Übels verwiesen werden
kann, nachdem Juden, die nach der "Revolution" 1968 im Land
geblieben waren, als "zionistische Agenten" ermordet wurden (6),
werden Verschwörungen und zionistische Aktivitäten auch bei
Nichtjuden "aufgedeckt."
Der irakische Antisemitismus darf allerdings nicht
als bloße Sicherung des ba`thistischen Systems missverstanden
werden, er entsprang vielmehr der pathischen Projektion, dass alles
Jüdische böse und alles Böse jüdisch sei. Dass es im Übrigen auch
nicht von Nöten ist, das Objekt des antisemitischen Hasses direkt zu
fassen, sondern dass der Antisemit auch ohne tatsächliche Juden
auskommt, liegt in der inneren (Un)Logik des antisemitischen
Ressentiments.
Der antisemitische Wahn der Ba`thisten, einer
ständigen Bedrohung innerer und weltweiter Verschwörungen ausgesetzt
zu sein, trifft alle tatsächlichen oder eingebildeten
oppositionellen Kräfte. Der Zionismus, gemeint ist alles Jüdische
oder alles was der Antisemit dafür hält, ist der wahre Gegner des
Iraks und der arabischen Nation. So tritt der Zionismus nicht nur
verkörpert im Staat Israel dem Irak entgegen, er unterwandere und
vergifte vielmehr mittels seiner "gekauften Agenten" das Arabische
Volk. So pflege das "Reich des Bösen", die "falschen Propheten des
Islams", "der Iran mit der zionistischen Bewegung tiefe und
intensive Bindungen seit tausenden von Jahren" konstatiert der
Schriftsteller Khayrallah Talfah während des Iran-Irak-Krieges. (6)
Auch die Kurden im Norden des Iraks seien "Zionisten im eigenen
Land" die ein "zweites Israel" errichten wollten.
"Feinde des irakischen Volkswillen und also der
Ba´th-Partei werden als 'Viren', 'Insekten', 'Bakterien', oder
andere Krankheitserreger vernichtet. Vor Giftgaseinsätzen gegen die
iranische Armee, oder kurdische Zivilisten in den 80er Jahren,
pflegte die staatliche Propaganda diese als "zweibeinige Fliegen"
oder Ungeziefer zu dehumanisieren." (7)
Jeder kann als Feind, als unwertes Leben, also als
Zionist erkannt und ermordet werden. Als schlimmster Feind, als
"Krebsgeschwür", als "Aidsviren im Körper der arabischen Nation" (8)
wird jedoch der jüdische Staat gebrandmarkt. Israel ist im
Ba'th-Vokabular der Inbegriff alles Bösen, ein "Fremdkörper" dem der
bedingungslose Vernichtungskrieg erklärt wird. Tel Aviv müsse, so
Hussein im Golfkrieg 1991, "zerstäubt", der heilige arabische Boden
von der jüdischen Präsenz gereinigt werden.
Daher ist der Irak bis zum heutigen Tag der
Hauptsponsor der antisemitischen Selbstmordattentäter in Israel; der
gefährlichste Verbündete des islamischen Djihadismus und der
schlimmste der antizionistischen Staaten weltweit.
Die Option der militärischen Beseitigung einer
Staatsform, die nicht nur die Avantgarde im antisemitischen
Vernichtungsfeldzug gegen Israel und alle Juden weltweit darstellt,
sondern auch die eigene Bevölkerung drangsaliert und zu
Hunderttausenden foltert und vernichtet, ist also durchaus
berechtigt.
"Krieg ist im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle.
... Und so stehe ich vor der Frage: Welches ist das größere Übel -
Faschismus oder Krieg? Die Antwort für mich war und ist:
Faschismus."
Harry Fisher, (2001) US-Interbrigadist im
Spanischen Bürgerkrieg
und US-Soldat im 2. Weltkrieg
M. Koschkin (Antifa
Duisburg)
(1) Andrea Woeldike, Idelogie und Terror, "Brüche"
Okt 2002
(2) Was allerdings die Ba´thisten nach dem zweiten Putsch 1968 nicht
davon abhielt Verbindungen zur Sowjetunion aufzubauen. Dies waren
allerdings keine ideologischen Annäherungen, genauso wenig wurde
sich an die USA ideologisch angenähert, obwohl zu den USA stärker
Kontakt gesucht wurde.
(3) T-34 Dez 2002, Offener Brief des ehemaligen Bundesvorsitzenden
der JD/JL
(4) Thomas Uwer, in: Osten-Sacken/ Fatah (Hg.) Saddam Husseins
letztes Gefecht?, S. 90
(5) Osten-Sacken/ Uwer in: Ebd., S.107
(6) Uwer, in: Ebd,. S. 85
(7) Oster-Sacken/ Uwer, in: Ebd., S. 107
(8) Ebd, S. 109 (9) Ebd., S. 109 (10) Uwer, in: Ebd., S. 95
[IRAK SPECIAL]
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27-01-03 |