Zur Gush-Schalom Aktion:
Die Blindheit politischer Reinheit
Leitartikel, Haaretz, 06.08.2002
Übersetzung Daniela Marcus
Aktivisten der linken Friedensbewegung "Gush
Shalom" haben Briefe an 15 IDF-Offiziere gesandt, in denen sie
darauf hinwiesen, dass sie Beweise sammeln über Aktionen, die
unter dem Kommando dieser Offiziere in den Territorien
stattfinden. Die Bewegung wies auch darauf hin, dass sie diese
Beweise dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag
unterbreiten werde und zwar unter dem Verdacht, dass die
Offiziere Kriegsverbrechen begangen hätten.
Diese Woche beauftragte der Premierminister den
Generalstaatsanwalt, die Führer von "Gush Shalom" zu überprüfen.
Generalstaatsanwalt Elyakim Rubinstein sagte, dass der
Staatsanwalt erst noch ein Gutachten aufstellen müsse, ob
rechtliche Schritte gegen "Gush-Shalom"-Aktivisten eingeleitet
werden können. Doch ungeachtet rechtlicher Fragen ist es schwer,
diese Aktion von "Gush Shalom" nicht als unklug und falsch zu
betrachten, und der Schaden, den sie anrichtet, wird sicherlich
die reinen Absichten der Aktivisten überschatten.
"Gush Shalom" ist eine politische Bewegung, die
die Kampagne gegen die Besatzung auf verschiedene Arten führt.
Diese beinhalten die Organisation von Versammlungen und
Demonstrationen genauso wie die Beobachtung von IDF-Aktivitäten
in den Territorien und die Veröffentlichung der
Beobachtungsresultate in verschiedenen Medien.
Dies alles ist in jeder Demokratie akzeptabel. Das
Sammeln von anscheinend belastendem Material über Offiziere in
einer Armee, die unter dem Gesetz eines souveränen Staates und
gemäß den Instruktionen einer gewählten Regierung operiert, kann
als eine wertvolle Bürgeraktion betrachtet werden, unter einer
Bedingung – dass die gesammelten Informationen der Vertretung
für den Gesetzesvollzug dieses Staates bekannt gemacht oder
übergeben werden.
Ein Sprecher von "Gush Shalom" teilte Ha‘aretz
mit, dass die Bewegung die Weitergabe der gesammelten
Informationen nach Den Haag nur dann in Betracht zieht, "wenn
unsere Appelle an die Gerichte in Israel erfolglos bleiben".
Doch selbst mit dieser Einschränkung ist die Entscheidung,
IDF-Offiziere zu warnen, problematisch. Die innewohnende
Voraussetzung der Aktivisten und die indirekte Drohung in den
Briefen an die Offiziere ist diejenige, dass die staatlichen
Institutionen, die dazu da sind, die Prinzipien von Demokratie
umzusetzen und die Rechtsstaatlichkeit zu schützen –inklusive
Gerichtshöfe, Parlament und Presse-, in den Augen von "Gush
Shalom" als rechtliche Institutionen ungenügend sind. In
Wirklichkeit stellt die Bewegung klar, dass sie, wenn sie nicht
zufrieden ist (vermutlich mit der Verurteilung), nach
internationalen Foren suchen wird, um das zu bekommen, was ihrer
Meinung nach wahre Gerechtigkeit ist.
Mit dieser politischen Reinheit fügt "Gush Shalom"
dem öffentlichen Leben in Israel –und auch sich selbst- großen
Schaden zu. Denn insbesondere die linken Friedensaktivisten sind
diejenigen, die gebraucht werden, um die Presse zu stärken und
Wege zu finden, die Öffentlichkeit zu überzeugen und den
Staatsanwalt und das Rechtssystem zu ermutigen, jeden
problematischen Vorfall in der Armee zu untersuchen. Wenn man
den Internationalen Gerichtshof –mit all seiner
Strukturproblematik- über das Rechtssystem unseres Staates
stellt, sagt man damit unverblümt, dass man kein Vertrauen in
die Institutionen und die öffentliche Meinung in Israel hat.
Die Entscheidung, Beweismaterial an den
Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu schicken, bringt
denen Geringschätzung entgegen, die ihre Kampagne für ein Ende
der Besatzung und für den Frieden nicht aufgegeben haben –
Menschen, die auch unter schwierigen Bedingungen in dem bitteren
Konflikt arbeiten, der tiefe Enttäuschungen und Krisen in den
linken Reihen hervorgerufen hat. Dennoch sind diese Menschen
daran interessiert, im offenen und legitimen politischen Rahmen
weiterzuarbeiten.
Wenn man Beweismaterial an den Internationalen
Gerichtshof weitergibt, wird dies die öffentliche Meinung in
Israel nicht dazu inspirieren, sich gegen offensichtlich
illegale Befehle, die in den Territorien gegeben oder ausgeführt
werden, zu stellen. Im Gegenteil, man könnte damit genau das
entgegengesetzte Ziel erreichen.
hagalil.com
07-08-02 |