Querverbindungen:
Jihad als Bewegung
Jüngst wurden Unterstützer des
irakischen Terrors verhaftet. Spekulationen über Verbindungen
zwischen linken Antiimperialisten, der Eta und der al-Qaida machen
die Runde Von Ivo Bozic
Jungle World, 14.
April 2004 Staatliche
Repression ist für die türkische Gefangenenhilfsorganisation Tayad
schon fast Alltag. Seit Februar kam es jedoch verstärkt zu
Festnahmen und Razzien. Tayad gilt ebenso wie die aus der
stalinistischen Dev Sol hervorgegangene Revolutionäre
Volksbefreiungsfront, kurz DHKP-C, als tragende Säule des seit über
drei Jahren dauernden Kampfes politischer Gefangener gegen die F-Typ
genannten Isolationsgefängnisse in der Türkei. Bei Hungerstreiks
starben bereits 110 Häftlinge.
Die Großrazzia am 1. April fiel allerdings aus dem
Rahmen. Denn nicht nur in der Türkei, sondern auch in Griechenland,
Belgien und Italien wurden insgesamt 61 angebliche Sympathisanten
der DHKP-C festgenommen. Gleichzeitig wurden in Deutschland und den
Niederlanden Büros durchsucht. Auf den ersten Blick schien sich die
Aktion nur gegen die DHKP-C zu richten, die sich noch im letzten
Jahr zu Bombenanschlägen auf eine McDonald's-Filiale und auf ein
Hotel in Istanbul bekannte. Es drängt sich allerdings der Verdacht
auf, dass es in Wirklichkeit um einen Schlag gegen den so genannten
irakischen Widerstand ging. Die DHKP-C hatte ihre Anschläge als Teil
des Widerstands gegen den Irakkrieg bezeichnet.
Unter den in Italien Festgenommenen befinden sich
drei führende Mitglieder der Antiimperialistischen Koordination
(AIK), auch ihr Sprecher Moreno Pasquinelli, der sogleich aus
Protest in Hungerstreik trat. Ihnen wird vorgeworfen, die DHKP-C zu
unterstützen. Das wird von der AIK nicht geleugnet. "Es gibt eine
enge politische Zusammenarbeit zwischen uns und der DHKP-C",
erklärte kürzlich Leonardo Mazzei von der AIK der deutschen
Tageszeitung junge Welt. Diese Zusammenarbeit beruht wohl
hauptsächlich auf der Unterstützung der Terrorangriffe im Irak.
In einem Camp im italienischen Assisi trafen sich im
Sommer 2002 antiimperialistische Gruppen aus zahlreichen Ländern,
darunter die AIK, die DHKP-C und baskische Eta-Sympathisanten. Man
beschloss dort einerseits, dass Aktivisten vor dem Beginn des
Krieges als "menschliche Schutzschilde" in den Irak reisen sollten,
und zum anderen, Geld für die militanten "Widerstandskämpfer" vor
Ort zu sammeln (Jungle World, 52/03). "Zehn Euro für den irakischen
Widerstand" heißt die Kampagne, die vor allem von der AIK in
Italien, der AIK in Wien und deutschen Unterstützern getragen wird.
Das Geld fließt an die Irakische Patriotische Allianz (IPA), die
offen vom "Heiligen Krieg" gegen die "amerikanisch-zionistische
Koalition" spricht. Gast in Assisi war auch ein hoher Funktionär der
IPA, Awni al-Kalemji, der als ehemals enger Vertrauter Saddam
Husseins gilt und von der Kommunistischen Partei des Irak offen als
Agent der Ba'ath-Partei bezeichnet wird.
In der Abschlusserklärung des Antiimp-Treffens hieß
es, man werde "die Versuche der antiimperialistischen Kräfte, die
imperialistische Aggression in einen Volksbefreiungskrieg
umzuwandeln, der auf das Ende der Neuen Weltordnung abzielt,
unterstützen". Und IPA-Chef Jabbar al-Kubaysi versicherte bei einem
Besuch der AIK in Wien im Juli 2003, der "Krieg gegen die
Amerikaner" werde fünf bis zehn Jahre dauern, aber es sei "sicher,
dass wir die Schlacht gewinnen". In der jungen Welt betonte
al-Kubaysi noch im Dezember seine Gewaltbereitschaft: "Was soll
›legale Mittel‹ bedeuten in einer Situation illegaler Okkupation?
Unser bewaffneter Widerstand ist vollkommen legal." Die IPA werde es
"niemals akzeptieren", sich selbst zu entwaffnen, und sich "auf
zahnlose friedliche Aktionen zu beschränken". Im deutschen Fernsehen
konnte man Kämpfer der IPA bewundern, die ihre Waffen präsentierten,
und al-Kalemji erklärte vor laufenden Kameras: "Wenn man die
Besatzer schlagen will, gibt es nur einen Weg: einen Guerillakrieg,
bewaffneten Kampf." Wenn man
weiß, dass Geld für die nationalistische IPA gesammelt wird, die
sich offen zum Terrorismus und zur Zusammenarbeit mit Saddams
Ba'athisten bekennt und dabei auch betont, dass ihre "Ziele" nicht
nur Soldaten der Besatzungsmächte seien, sondern auch alle Iraker,
die mit den Besatzern "kollaborieren", dann verwundert es kaum, dass
nun ihre europäischen Unterstützer ins Visier der
Verfolgungsbehörden geraten. In
Deutschland allerdings hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg ein
Ermittlungsverfahren gegen den Buchautor und Aktivisten des
Heidelberger Friedensforums Joachim Guilliard und die Geldsammler
des Duisburger "initiativ e.V." eingestellt, obwohl Guilliard offen
zugibt, zehn Euro für die IPA gespendet zu haben. Der Heidelberger
Staatsanwalt mühte sich offenbar nicht mit aufwändigen Ermittlungen,
sondern surfte auf die Website des Heidelberger Friedensforums, wo
Guilliard in einer Stellungnahme alle Vorwürfe von sich weist. In
der Einstellungserklärung der Staatsanwaltschaft, die der Jungle
World vorliegt, liest sich das dann so: "Das Ermittlungsverfahren
war einzustellen, da aufgrund der Stellungnahme des ›Heidelberger
Forums gegen Militarismus und Krieg‹ und des Beschuldigten Guilliard
ein vorsätzliches strafbares Verhalten der Beschuldigten nicht
vorliegt, beziehungsweise zumindest nicht nachweisbar ist." Ein
anderes Ermittlungsverfahren gegen dieselben Personen wurde von der
Staatsanwaltschaft Duisburg angeblich an die Bundesanwaltschaft
übergeben. Sollte die neue
europäische Offensive gegen die IPA-Unterstützer der DHKP-C und der
italienischen AIK auch in Deutschland und Österreich Fuß fassen,
müssten sich über 274 Menschen ernsthafte Sorgen machen, die sich
öffentlich zu ihrer Zehn-Euro-Spende bekannt haben.
Der renommierte arabisch-italienische Journalist
Magdi Allam hat zudem in den liberalen
Tageszeitungen Corriere della Sera und New York Times
behauptet, es gebe Verbindungen zwischen al-Qaida, der IPA und,
vermittelt durch die AIK-Camps, der Eta. So sei auf einer
Internetseite des irakischen Widerstands bereits im Dezember eine
"Botschaft an das spanische Volk" veröffentlicht worden, in der ganz
offen gedroht wurde: "Wenn das spanische Volk das Blut seiner Söhne
retten will, dann muss es sich aus dem Irak zurückziehen." Kurz
zuvor waren sieben spanische Agenten im irakischen Swaira umgebracht
worden. Daran sollen laut Allam Militante der Eta beteiligt gewesen
sein. Allam sieht auch Verbindungen zu den Terroranschlägen von
Madrid. Al-Kalemji sei am 14. März, drei Tage nach den Anschlägen,
in Barcelona aufgetreten und habe für die Nationale Befreiungsfront
im Irak, die auch die Schiiten umfassen müsse, geworben. Außerdem
seien die beiden Eta-Militanten, die im Februar mit einem
Kleinlaster voller Sprengstoff auf dem Weg nach Madrid festgenommen
wurden, zuvor als Kämpfer im Irak gewesen. Die vermutlich von
Geheimdiensten stammenden Quellen legt Allam allerdings nicht offen,
so dass alle seine Behauptungen zunächst nur als Spekulation
angesehen werden können. Doch
so hypothetisch echte logistische Verbindungen sein mögen, ideell
gibt es jede Menge Schnittpunkte. Wenn deutsche linke
Antiimperialisten im Internet T-Shirts mit dem Aufdruck "Enjoy
al-Qaida" vertreiben, wundert das schon lange niemanden mehr. Auch
dass sich vor dem Irakkrieg bei Saddam Hussein deutsche Neonazis und
linke Antiimps die Türklinke in die Hand gaben, zeigt die Breite
dieser neuen "Bewegung", die da im Entstehen ist und die, allein im
Antiamerikanismus und Antizionismus vereint, den Jihad nach Europa
bringt.
hagalil.com
16-04-2004 |