Die Verneinung des Rechts auf Selbstbestimmung des jüdischen
Volkes:
Schlimmer als Antisemitismus
Kommentar von Amnon Rubinstein, Ha'aretz
16.02.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Neil Mackay, einer der Redakteure der
schottischen Zeitung Sunday Herald, veröffentlichte im November 2003
einen Artikel, in dem er Behauptungen aus arabischen Kreisen
aufarbeitete, nach denen Agenten des israelischen Geheimdienstes
Mossad in den Vereinigten Staaten im Voraus von dem Terroranschlag
auf die Zwillingstürme gewusst und nichts zu dessen Verhinderung
getan hätten. Bisher wurde diese geistesgestörte Behauptung nur
unter extremistischen Arabern und Neonazis laut. Die Glasgower
Zeitung fand es jedoch richtig, diese Falschmeldung ohne Angabe der
Quelle zu wiederholen, und drückte damit ihren Glauben an die
Genauigkeit dieser Nachricht aus.
Der Artikel schockierte Parlamentsmitglied Jim
Murphy von der Laborpartei und auch Lord Greville Janner und
jüdische Oberhäupter, die alle protestierten und den Redakteur
aufforderten, eine Korrektur zu veröffentlichen. Der Redakteur
weigerte sich jedoch und sagte, der Bericht basiere auf überprüften
Quellen. In seinem Brief an Lord Janner bat der Redakteur diesen,
nicht in die Falle Ariel Scharons zu treten, und jeden, der anderer
Meinung sei als er, als Antisemiten zu verurteilen, obwohl Janners
vorausgegangener Brief an Mackay keine solchen Beschuldigungen
enthalten hatte.
Als Beispiel für Mackays Selbstgerechtigkeit
zitierte der Redakteur Artikel, in denen er Antisemitismus
verurteilt hatte. Er versäumte aus irgendeinem Grund zu sagen, dass
einige seiner besten Freunde Juden sind. Für den Staat Israel wäre
es die einfachste Art dem Redakteur des Sunday Herald etwas zu
entgegnen, wenn er die Zeitung wegen Beleidigung verklagen würde.
Mittlerweile zieht das Auslandsministerium dies in Betracht.
Doch das Problem ist, dass der Artikel in der
schottischen Zeitung nur ein Extrembeispiel der wilden und
hysterischen Angriffe auf Israel ist. Diese Angriffe geschehen nicht
nur wegen der Besatzung und wegen der Siedlungen. In solchen
Angriffen wird Israel als bösartig porträtiert, als ein grässliches
Land, das nicht nur fähig ist, den Palästinensern Schaden zuzufügen,
sondern das auch Massenmorde in New York nicht verhindert, wenn
diese seinen niederträchtigen Interessen dienen.
Jeder, der Israel auch nur ein bisschen kennt,
weiß, dass das Land natürlich nicht so ist, wie es in manchen
wichtigen Zeitungen beschrieben wird und dass solche Lügen gegen
jede journalistische Regel verstoßen. Die Berichte in diesen
Zeitungen ignorieren die Komplexität der israelischen Gesellschaft
und präsentieren Israel als eine Karikatur. - So wird es übrigens
auch in arabischen Medien dargestellt. Hier ist jeder Israeli ein
Monster, das einen unglücklichen Araber niedertrampelt.
Während einer Antisemitismus-Konferenz, die von
Minister Natan Scharansky vor zwei Wochen organisiert worden war,
erreichten die Dinge ihren Höhepunkt als ein jüdischer Delegierter
aus Schweden seine Befriedigung über den Vorfall ausdrückte, in
welchem der
israelische
Botschafter in Schweden ein Ausstellungsstück zerstört hatte,
das nach seiner Interpretation die Selbstmordattentäterin pries, die
sich im Restaurant Maxim in Haifa in die Luft gesprengt hatte. Er
sagte, er sei zufrieden damit, weil durch diesen Vorfall viele
Schweden zum ersten Mal über den Terror gegen israelische Zivilisten
gehört hätten.
Steckt in all dem Antisemitismus? Antisemitismus
hilft sicher dabei, niederträchtige Dinge über Israel zu schreiben,
doch er erklärt nicht alles. Etwas noch ernsteres mag im Gange sein.
Traditioneller Antisemitismus akzeptierte keine Juden in der
christlichen Gesellschaft, doch normalerweise verneinte er nicht
–zumindest nicht prinzipiell- ihr Recht auf eine getrennte Existenz.
Vor der "Kristallnacht" predigten selbst die Nazis den Slogan "Juden
nach Palästina".
Der antisemitische Ton von Zeitungen wie der
Sunday Herald verbietet den Juden das Recht auf eine separate
Existenz, indem sie den Staat Israel entlegitimieren, den sie –u. a.
mit Hilfe israelischer Akademiker- als Nazi-Apartheid-Staat
beschreiben.
Die logische Schlussfolgerung aus dem
verleumderischen Artikel der Sunday Herald wäre, dass ein
demokratisches Land, das den Plan zur Ausführung eines Massenmordes
in New York kennt und ihn nicht verhindert, keinerlei Recht hat zu
existieren. Dies ist schlimmer als Antisemitismus.
Dies ist die Verneinung des Rechts auf
Selbstbestimmung des jüdischen Volkes. Wenn solche Ansichten von
wachsendem Antisemitismus begleitet werden, werden wir Juden dadurch
in das dunkle Zeitalter zurückgebracht werden.
hagalil.com
16-02-2004 |