Mein Israel:
Wie Joschka Fischer Nahostpolitik betreibt
Von Matthias Küntzel
Joschka Fischer und die Juden: Im Mai 2002 nimmt
er stolz die Ehrendoktorwürde der Universität von Haifa entgegen. Im
November überreicht ihm die Jüdische Gemeinde in Berlin den
Heinz-Galinski-Preis. Im selben Monat feiert in New York die
Anti-Defamation League "den Verteidiger der Rechte Israels" mit
Standing Ovations. Schließlich ruft im September dieses Jahres auch
Paul Spiegel, der Präsident des Zentralrats der Juden in
Deutschland, den Hoffnungsträger zu mehr Einsatz im Nahen Osten auf.
"Er sollte sich doch viel stärker einschalten, weil er besonders
glaubwürdig ist."
Fischers Renommee kommt nicht von ungefähr.
Wiederholt widersetzte sich Deutschland in der EU der Forderung,
mehr Druck auf Israel auszuüben, oft trat es für einen
privilegierten Status Israels der EU gegenüber ein. "Wir sind der
nach den USA engste Freund von Israel", versichert der deutsche
Außenminister.
Tatsächlich? Eloquenter als jedes andere Mitglied der
Regierung hat sich Fischer in Deutschland von antiisraelischen
Hassausbrüchen distanziert. Unter europäischer Tarnkappe hat er
gleichzeitig den palästinensischen Jihad gegen Israel mitfinanziert.
Bis heute wird Yassir Arafat vom deutschen Außenminister im Glauben
bestärkt, zu mörderischen Terrorakten gegen Israelis ermutigen zu
können, ohne in Berlin sein Gesicht zu verlieren. "Die europäischen
Regierungen und andere professionelle Gutmenschen tragen eine
Mitverantwortung für die Fortsetzung dieses bewaffneten Kampfes, dem
Hunderte auf beiden Seiten zum Opfer fielen. An ihren Händen klebt
ebenfalls Blut", konstatiert Yoel Esteron, der Herausgeber der
israelischen Tageszeitung Ha'aretz.
Seit dem Amtsantritt der rot-grünen Regierung ist
Deutschland zum wichtigsten Geldgeber der Palästinensischen
Autonomiebehörde avanciert. Mit Beginn der zweiten Intifada im
September 2000 wuchs die Bedeutung dieser materiellen Solidarität.
Als Bundeskanzler Gerhard Schröder im November 2000 Arafat besuchte,
gab er dem PLO-Chef grünes Licht. Aus deutschen Delegationskreisen
hieß es damals, "Schröder wolle keinen Druck auf Arafat ausüben,
damit dieser wieder an den Verhandlungstisch zurückkehre", hieß es
im Archiv der Gegenwart. "Es sei nicht sinnvoll, weitere
Entwicklungshilfe an die politische Kompromissbereitschaft der
Palästinenser zu koppeln." Stattdessen wurde Entwicklungshilfe mit
praktiziertem und propagiertem Judenmord in Einklang gebracht. Nach
der Zunahme der Selbstmordattentate wurden auch Arafats Finanzhilfen
weiter erhöht.
Doch erst im April 2002 setzte die deutsche
Nahostpolitik das Image der Ausgewogenheit, das sie bis dahin
akribisch pflegte, ernsthaft aufs Spiel. In diesem Monat, als
Norbert Blüm Israels "Vernichtungskrieg" an den Pranger stellte und
Jürgen Möllemann Solidarität mit suizidalen Massenmördern übte, als
Waffenlieferungen für Israel von der rot-grünen Regierung storniert
und PLO-Repräsentanten wie Abdallah Frangi auf CDU-Veranstaltungen
rhythmischen Applaus erhielten, setzte Fischer die Forderung nach
unverzüglicher und bedingungsloser Ausrufung und Anerkennung eines
Staates Palästina an die Spitze der Tagesordnung der deutschen und
der internationalen Nahostpolitik.
"Bedingungslos" bedeutete die Bestätigung der
Terrorstrategie der al-Aqsa-Intifada und eine Belohnung für Arafats
Kurs. "Unverzüglich" hieß, dass der internationale Druck nicht auf
Arafat und die Hamas, sondern auf Israel zu konzentrieren sei. Nie
zuvor hatte sich die deutsche Nahostpolitik eindeutiger gegen Israel
und für Arafat entschieden, als mit jenem "Ideenpapier", das Fischer
im April 2002 an alle Teilnehmer des späteren "Nahost-Quartetts" –
USA, EU, Russland und die UN – verschicken ließ. Deutschland
betrachte Israel inzwischen als "das Lieblingstierchen der
Amerikaner", konstatierte Israel Singer, der Präsident des Jüdischen
Weltkongresses, und so sei Kritik an Israel Teil deutscher
Bestrebungen, sich politisch von den Vereinigten Staaten zu
emanzipieren.
Und doch hat Joschka Fischer diesen Wendepunkt
erfolgreich kaschiert. Nur eine kleine Veränderung seiner Rhetorik
deutete den Wandel an. Während er sich zuvor lediglich als "Freund
Israels" präsentierte, stellte er sich nun als "wirklicher Freund
Israels" dar, als jemand also, der notfalls "eigentliche"
israelische Interessen auch gegen israelische Regierungen verficht.
Nicht als ein normaler, "als wirklicher Freund Israels" treibe ihn
die Sorge, "dass das Vertrauen Israels in seine militärische Stärke
zur Isolierung führen könnte". Nur weil dies "die beste Garantie für
die dauerhafte Sicherheit Israels" sei, engagiere er sich für den
palästinensischen Staat. "Gerade im Interesse Israels" nehme er da
auch "einen Dissens mit der israelischen Seite in Kauf".
Beinahe unmerklich machte so die deutsche
"Sensibilität" für israelische Belange einer neuen paternalistischen
Grobheit Platz, die am geläuterten deutschen Wesen Israel und den
Nahen Osten genesen lassen will: Liebe Juden, wir wissen besser,
woran es euch fehlt. Wahnhaft wird Auschwitz für neue
Avantgardeansprüche instrumentalisiert: "Gerade Deutschland ist
moralisch verpflichtet, dafür einzutreten, dass Juden und
Palästinenser in Sicherheit leben können", lautet das Motto, mit dem
die Homepage des Auswärtigen Amtes dessen Nahostaktivitäten
überschreibt. Der Umstand, dass der deutsche Außenminister den
Terrorpatron Arafat stets unterstützt und die Geldströme für die
antisemitische Hamas nie verhindert hat, verleiht solcher Fürsorge
jedoch jenen zynischen Unterton, den man sonst nur aus
Gangsterfilmen kennt: "Es ist nur in deinem eigenen Interesse, wenn
du eingedenk der auf dich gerichteten Knarre endlich Zugeständnisse
machst."
Fischers Ruf als "Freund Israels" wirkt jedoch nach.
Bis heute werden auf ihn verzweifelte Hoffnungen gesetzt, wie
Spiegels Appell nach dem Scheitern des Friedenplans (Road Map)
beweist. Es ist höchste Zeit, dass die internationale
Road-Map-Diplomatie und die Rolle, die Fischer als "wirklicher
Freund Israels" darin von Beginn an gespielt hat, öffentliche
Aufmerksamkeit erhalten. Vom
Fischer-Plan zur Road Map:
Zum
deutschen Debüt im Nahostkonflikt
hagalil.com
30-09-2003 |