Auf Initiative des
Kongresses etablierte das US-Außenministerium im Juli ein Komitee, das
sich mit dem schlechten Verhältnis der arabischen Welt zu Washington
beschäftigen soll. Unter Leitung des ehemaligen US-Botschafters in
Syrien, Edward Djerjian, besuchte die Gruppe aus Politikern und
Wissenschaftlern im August einige Länder des Mittleren Ostens, wo sie
u.a. Persönlichkeiten aus Politik und Kultur, Menschenrechtsaktivisten
und religiöse Führer traf. Diese Reise kommentierte der ägyptische Autor
Jamil Matar am 28. August in der in London herausgegebenen Tageszeitung
Al-Hayat. Wir dokumentieren den Text in leicht gekürzter Fassung:
"Immer wieder fragt sich
Washington: Warum hassen sie uns?"
Als die Gewalt zwischen den
Palästinensern und den Israelis erneut zunahm, reiste gerade eine
amerikanische Delegation unter Leitung von Edward Djerjian durch die
arabischen Staaten. Djerjian wollte in der Region eine Antwort auf jene
Frage finden, die die Amerikaner noch immer verunsichert, in
Wirklichkeit aber gar nicht so verwirrend ist. Denn die Antwort auf die
Frage "Warum hassen sie uns" findet sich darin, wie die amerikanische
Führung über den Mittleren Osten spricht und wie sie mit ihm – und
zuletzt [auch] mit Europa und der gesamten Welt – umgeht.
Bemerkenswert ist dabei
zunächst, dass überhaupt ein Bewusstsein über die Existenz des Hasses
[auf die USA] besteht. Allerdings birgt die Formulierung der Frage eine
Gefahr – dass nämlich [die Amerikaner] darauf beharren, dass der Hass
allgemein sei, also alle Araber alle Amerikaner hassen würden. Deshalb
ist die Frage falsch gestellt. Und deshalb wird auch die Antwort in den
meisten Fällen unzureichend ausfallen.
Es ist schon merkwürdig, dass
die Delegation […] diese Frage in Ägypten und Syrien just zu dem
Zeitpunkt stellte, als der amerikanische Kongress erneut Syrien angriff
und Washington beschloss, die Konten einiger Hamas-Führer bei
europäischen Gesellschaften einzufrieren!! Nun weiß bei uns jeder, dass
ein derartiger Beschluss vom amerikanischen Präsidenten persönlich
gefasst wird und Entscheidungen wie diese im Kern nicht so gemeint sind,
sondern vielmehr der Anbiederung der neokonservativen Regierung bei der
jüdischen Wählerschaft und dem israelischen Likud geschuldet sind […] –
und dies zu einer Zeit, in der die internationale Kritik - nicht der
Hass wohlgemerkt - an der amerikanischen Politik immer schärfer wird.
Es sind die Falken in der
amerikanischen Regierung, die beleidigende Beschlüsse fassen oder den
Präsidenten zu Entscheidungen bewegen, die Araber und Muslime
herablassend zu behandeln. Sie sind in Wirklichkeit darauf aus, die
Situation noch zu verschärfen, die hinter der Frage steht, der Edward in
der Region nachging: Warum hassen sie uns?
Wenn diese Fraktion, die
Präsident Bush berät […], ihm [stattdessen] den guten Rat geben würde,
das Verhältnis nicht weiter zu verschlechtern und nicht dazu
beizutragen, das Blut der Araber noch mehr in Wallung zu versetzen – ja
dann hätte Djerjian in den arabischen Hauptstädten vielleicht mehr
Zuhörer und Gesprächspartner gefunden, die sich verständnisvoller
gegenüber dem gezeigt hätten, was er ihnen zu sagen hatte und die
weniger scharf und wütend in dem gewesen wären, was sie ihm zu sagen
hatten. (Auch wenn sie dieser Wut und Aggressivität nur in einer
höflichen Form Ausdruck verliehen, zu der sie sowohl die Etikette als
auch die allseits bekannten gegebenen Bedingungen zwingen.)
Djerjian und seiner Juden,
Muslime und Christen umfassende Delegation wurde deutlich, dass die
Araber, die sie trafen, ihnen zwar kritisch aber nicht hasserfüllt
begegneten. Und zwischen Kritik und Hass besteht nun einmal ein großer
Unterschied.
Was ihnen die große Mehrheit
der arabischen Sprecher in dieser oder jener Hauptstadt erklärte, war
eindeutig – und die Komödie, die als Vierer-Initiative unter dem Namen
"Roadmap" begonnen hatte, gab ein [glänzendes] Beispiel ab: Dieser Plan
sollte ein neues Zeichen setzen; und zeigte doch nur, wie die USA eine
Politik betrieben, die darauf abzielte, die gute Intention, die
vielleicht zu Beginn bestanden hatte, zu sabotieren. Und so schwanden
die Erfolgsaussichten der amerikanisch-europäisch-arabischen Initiative.
Die Frustration, die wir nunmehr in allen arabischen Hauptstädten
erleben, ist Beweis genug für die Tragödie, in der die Initiative
endete.
Ich glaube, dass die
amerikanische Expertendelegation, die mit dem Ziel in die Region kam,
die Ursachen des vermeintlichen Hasses zu verstehen, zu der Erkenntnis
gelangt ist, dass die Araber unter den ständigen "Likud'schen"
politischen Erklärungen und Stellungnahmen zu leiden haben, die
Washington ausgibt. Das Gefühl seitens der großen Mehrheit der Araber,
dass es ihnen an Stärke fehlt, die für einen rationalen Dialog mit den
Vereinigten Staaten nötig wäre, bedeutet nicht, dass sie insgeheim [mit
deren Politik] zufrieden wären […]. [Vielmehr] verschweigen die
arabischen Spitzenpolitiker, was sie bewegt und enthüllen es auch nicht
vor der Bevölkerung. Schließlich wünscht man sich in Washington
keineswegs, dass die Wut der arabischen Völker auf Amerika noch zunimmt.
Ich schnappte eine Bemerkung
auf, die jemand machte, der an einem Treffen mit Djerjian in der Region
teilgenommen hatte. Er berichtete, dass es beinahe zum Abbruch des
Gesprächs gekommen wäre, weil der amerikanischen Gruppe gesagt wurde:
"Bringt uns nicht dazu, euch zu hassen." [Gleichzeitig] wiederholte am
anderen Ende der Welt Präsident Bush unverdrossen seinen berühmten Satz:
"Israel hat das Recht, sich zu verteidigen." Nicht ein Mal sprach er
davon, dass diese Selbstverteidigung Israel nicht das Recht gibt,
palästinensische Kinder zu töten, die Region zu zerstören und die
Beziehungen des gesamten Mittleren Ostens zu den USA zu gefährden.
Immer wieder betont Washington
das Selbstverteidigungsrecht Israels, wenn Israel tief in die Gebiete
der Palästinenser vordringt und deren Bäume ausreißt. Washington
verurteilt palästinensische Terroristen, die sich wütend und mit Gewalt
für all die blutigen Übergriffe rächen, die Israel begangen hat – wie
die Ermordung von Palästinensern, die Zerstörung ihrer Häuser, die
Wiederbesetzung der Städte und die Schließung der Grenzübergänge, die
Blockaden und die Folterung von Männern, Frauen und Kindern. Terroristen
sind [dabei] die Palästinenser, die sich für das Morden rächen und einen
Befreiungskrieg führen, während sie wegen der getöteten Israelis einer
politischen, wirtschaftlichen, militärischen und territorialen Blockade
unterliegen. Die Israelis hingegen, die Palästinenser töten, sind keine
Terroristen, denn sie verteidigen ihr Land.
Ein anderer Teilnehmer am
Djerjian–Treffen meinte, dass die Araber von Amerika ja gar verlangten,
sie zu lieben. Sie wünschten sich lediglich, dass Amerika ihnen Zeit
gebe, damit sie zeigen [könnten], dass ein gerechter und respektvoller
Umgang mit ihnen auch in der [denkbar] freundlichsten Art und Weise
erwidert würde. Doch scheint es, als ob einige Spitzenpolitiker in
Washington den Arabern gar keine Gelegenheit geben wollen, die
Beziehungen zu Amerika zu verbessern. So protestierten einige Amerikaner
arabischer und islamischer Herkunft gegen den Plan, Daniel Pipes in das
zum Kongress gehörige Friedensinstitut zu berufen. Sie warnten vor den
Folgen, die dies für das gegenwärtige Verhältnis der
arabisch-islamischen Community zum amerikanischen Regierungsapparat
hätte. Dennoch bestanden einige Falken auf der Ernennung von Pipes. Ist
sich Präsident Bush denn nicht darüber im Klaren, dass er vor dem
Hintergrund seiner sinkenden Popularität und weltweiter Kritik an seiner
Außenpolitik […] die Probleme mit seinen Entscheidungen nicht noch
vergrößern sollte – zumindest im Mittleren Osten?
[…] [Sogar] Madeleine Albright
erklärte, dass Bushs Politik gegenüber der arabischen Welt, dem
Terrorismus sowie in Bezug auf den Irak, von einer Vielzahl von Fehlern
geprägt sei. Was Albright nicht sagte, ist, dass es für Politiker aus
der arabischen und islamischen Welt, die Präsident Bush auf gleicher
Augenhöhe begegnen würden, eigentlich [auch] möglich sein sollte, sich
dem amerikanischen Präsidenten und seiner Politik entsprechend mutig zu
widersetzen – oder zumindest lautstark zu protestieren. Doch will dies
niemand. Offenbar kann niemand Präsident Bush gegenübertreten und ihm im
stillen Gespräch vortragen, was er eigentlich zu hören bekommen sollte.
Jeder einzelne Araber sollte diese Realität erkennen. Denn schließlich
fühlt sich jeder einzelne Muslim auf der ganzen Welt erniedrigt, weil
die Politik und die Positionen, die seine politischen Repräsentanten
verfolgen und einnehmen, sein Verlangen nicht stillen und ihn im
Innersten nicht zufrieden stellen können.
[Vor diesem Hintergrund]
fürchte ich, dass die Roadmap, die von der arabischen Öffentlichkeit als
ein weiterer Betrug empfunden wird, von dem [lediglich] der israelische
Staat profitiert, der expandierte, eine Mauer errichtete, Dutzende
palästinensisches Führer umbrachte und die Würde der Palästinenser und
anderer arabischer Völker mit Füßen tritt…., dass sich also diese
Roadmap sehr schlecht für diejenigen auswirken wird, die sie mittragen.
Mit ihr werden die Palästinenser nicht zu ihrem Recht kommen […].
Vielmehr ist die Roadmap, wie der ehemalige Außenminister Ibn Ami sagte,
ebenso eine Katastrophe wie das Oslo-Abkommen. Beide definieren keinen
klaren Endstatus für dieses [Projekt] des palästinensischen Staates,
[dem hinterher zu rennen] die ausgezehrte und müde palästinensische
Führung so zermürbt, dass sie in der palästinensischen Gesellschaft
allmählich jegliches Ansehen verliert.
Nach den Versuchen Israels, die
wohlwollenden Ziele der Roadmap-Initiative zu vereiteln (wenn es denn
solche gab); nachdem die amerikanische und israelische Politik es
geschafft hat, die palästinensische Führung zu spalten; und nachdem der
Irak unter Zuhilfenahme aller möglichen Irreführungen, Übertreibungen
und Unwahrheiten besetzt wurde – nach all dem glaube ich nicht, dass das
palästinensische Volk immer noch auf einen gerechten Frieden hofft, den
sie [ausgerechnet] aus den Händen über die neokonservative US-Regierung
erhalten sollte. […]
Tatsächlich haben die
Verantwortlichen des neokonservativen Lagers eine Gelegenheit
verstreichen lassen - wenn sie es nicht gar darauf abgesehen hatten, den
Zorn der Menschen oder der Politiker in der arabischen Welt zu
provozieren. Und anschließend bringen sie dann enorme Summen für die
Bildung einer großen Delegation auf, die von einer Hauptstadt des Nahen
Ostens in die nächste reist und nach Antworten sucht: Warum hassen sie
uns?
Es sind nur wenige in der
arabischen und islamischen Welt, ja sogar in der Welt insgesamt, die das
amerikanische Volk, den amerikanischen Staat oder seine Werte hassen.
Und wer Amerika hasst, tut dies nicht immer oder nicht einmal meistens.
Dennoch wollen [die US-Regierenden] der amerikanischen Öffentlichkeit
glauben machen, dass alle Völker Amerika und die Amerikaner rundweg
hassen. Dies ist eine bewusste Irreführung, um Hass zu erzeugen und
Positionen zu rechtfertigen, die Teil eines neuen Plans zur Ausdehnung
des Imperiums und zur Mobilisierung der amerikanischen Nation für
rechtsextreme Ziele sind.
Von Beginn an wunderte ich mich
über die Berichte von den Diskussionen, die zwischen der amerikanischen
Delegation auf der Suche nach den Gründen des Hasses und den zu den
Treffen eingeladenen arabischen Persönlichkeiten stattgefunden haben
sollen. […] Noch mehr wunderte ich mich dann, als sich bestätigte, dass
die amerikanische Delegation von der arabischen Seite verlangt hatte,
keine politischen Themen aufzuwerfen, sondern sich auf "andere" Probleme
zu beschränken, die den Hass gegen Amerika in der Region verursachten.
THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH
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Amerika wird zur Quelle allen Übels, Form und Inhalt dieses Ressentiments weisen
oft erstaunliche Parallelen zum Antisemitismus auf. Auch hier geht es nicht
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