Die Wahl der arabischen Welt
als Schwerpunkt der diesjährigen Internationalen Frankfurter Buchmesse
ist in arabischen Medien in den vergangenen Monaten immer wieder
thematisiert worden. Angesichts der fortwährenden Debatten um einen
vermeintlichen "Konflikt der Kulturen" wurde von zahlreichen arabischen
Autoren auf die Bedeutung hingewiesen, die einem solchen kulturellen
Ereignis zur Vermittlung von Informationen über die arabisch-islamische
Welt zukommt.
Der Beitrag des syrischen
Autoren Muhammad Ilyas al-Ahras steht exemplarisch für eine solche
Position. In seinem Beitrag, der von dem jüngst entstandenen syrischen
Internetmagazin Kulluna Shurakaa veröffentlicht wurde, betont al-Ahras
die kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen der westlichen und der
arabisch-islamischen Welt, die aufgrund historischer Konflikte in
Vergessenheit zu geraten drohen.
Das Internetmagazin Kulluna
Shurakaa (www.all4syria.org) ist eines von mehreren Projekten syrischer
Intellektueller und politischer Aktivisten, die in den vergangenen
Monaten in der syrischen Öffentlichkeit Bedeutung erlangten. Angesichts
der strikten Kontrolle und Zensur der Medien stellt das Projekt eine der
wenigen Plattformen dar, auf der Artikel und Kommentare aus
unterschiedlichen, zum Teil oppositionellen Quellen veröffentlicht
werden.
Der folgende Beitrag, der am
27. Juli 2004 erschien, wurde für dieses Magazin verfasst:
"Der arabische Gast wurde von
der Internationalen Frankfurter Buchmesse nicht eingeladen, damit die
arabischen Verleger ihre Bücher in Europa auf der größten Buchmesse der
Welt verkaufen können. Vielmehr war es der Wunsch des Managements der
Buchmesse, das arabische Buch in diesem Umfeld der westlichen Kultur zu
präsentieren. Mit diesem Wunsch, mit dem die Organisatoren einem
allgemeinen Trend in der kulturellen Öffentlichkeit des Westens folgen,
möchten sie das Publikum dazu bewegen, einen ernsthaften Dialog zwischen
dem kulturellen Mainstream […] basiert, und der islamisch-arabischen
Kultur zu beginnen. Bis heute fällt es dieser Strömung [d.h. der
arabisch-islamischen Kultur] schwer, sich mit dem Mainstream zu
vermengen, mit ihm auf positive Weise zu interagieren, in ihm Spuren der
kulturellen Erfahrungen unser Region zu hinterlassen. Der Westen
versucht zu verstehen, was wir ihm sagen wollen. Indem er dem "Anderen"
Raum gewährt und ihm die Möglichkeit zum Dialog bietet, gewinnt dieser
Gerechtigkeit und Gehör.
In dieser Hinsicht ist der Ball
nun in unserer Hälfte. Von uns ist gefordert festzulegen, was wir dem
„Anderen“ sagen wollen. Die Titel, die wir in Frankfurt ausstellen; sind
unsere Botschaft an die menschliche Zivilisation, deren Hauptströme aus
dem Westen kommen. Ich kann mir vorstellen, was unsere Bücher dem
"Anderen" über unsere Kultur, die auf die Erfahrungen einer über
sechstausend jährigen Geschichte zurückgeht, mitteilen können. Wir
werden ihnen sagen, dass wir Botschafter der Liebe und des Friedens
sind, die in den Werten der drei monotheistischen Religionen verkörpert
sind. Der jüdische Monotheismus überlieferte die Vorstellung der einen
Menschheit, mit dem Erscheinen des vollkommenen Menschen in der Person
Christi erklärte das Christentum den Sieg der monotheistischen Religion,
und schließlich folgte der Islam um die christliche Nächstenliebe und
Barmherzigkeit zu realisieren. Wir werden dem "Anderen" den Reichtum
unserer Erfahrungen erklären. […]
In diesem Dialog müssen wir für
das, was der Westen uns mitteilt bereit sein. Die westliche Kultur wird
uns wunderbare Dinge sagen, sie wird von ihrem Humanismus erzählen, der
nicht Eigentum einer bestimmten Gruppen (von Völkern und Nationen),
sondern Eigentum aller Menschen ist. Der Westen wird uns – uns Muslimen
und Arabern - immer wieder versichern, dass wir trotz des kulturellen
Erbes, das der Westen seit dem Mittelalter anhäufte, Teil dieser
Menschheit sind. Dies wird uns verwundern, denn es wird unseren Blick
auf die Anfänge unserer Auseinandersetzungen mit der Welt zurückwerfen.
Denn auch unser kulturelles Erbe geht auf unsere Erfahrungen zurück, die
wir seit dem Mittelalter gesammelt haben. In dieser Zeit befanden wir
uns [nicht im Nahen Osten, sondern] im Osten des Zentrums, und wir
dominierten den Westen Europas, wo wir für die Herrschaft unserer
Version des Monotheismus kämpften. Ohne Zweifel, die Botschaft des
Westens wird uns humanistische Offenherzigkeit fühlen lassen, und wir
werden merken, dass die marginale Position, welche wir aufgrund unserer
Erfahrungen der Vergangenheit ererbten, nicht ideal ist. […]
Im Dialog mit uns versichert
uns der Westen, dass diese Kulturen das gleiche Recht auf Existenz und
Ausdruck haben. Eine jede Kultur ist Teil der Physiologie des einen
Körpers der Menschheit. Jede Kultur ist ein notwendiges Teil zur
Vervollständigung des Ganzen und für sein richtiges Funktionieren. Heute
ist es daher nicht möglich, eine Kultur zu isolieren oder zu verneinen.
Es geht vielmehr um eine Bestätigung des "Anderen" und um einen Dialog.
[…]
Der Westen wird versuchen, uns
das Bild zu zeigen, dass er sich von uns gemacht hat. Dieses Bild wird
uns verwundern, und wir werden uns fragen: Sind wir [tatsächlich] so?
Wir werden feststellen, dass unser Bild im Spiegel des Westens keine
deutlichen Züge hat, es ist verschwommen und es zeigt Dinge, die unserer
Selbstwahrnehmung nicht entsprechen. Diese Feststellung wird uns vor ein
Problem stellen, sie wirft eine deutliche Frage auf. Seht, wie viel Mühe
wir uns gaben, um dem Westen ein [richtiges] Bild von uns zu vermitteln!
Wir werden merken, wie sehr wir diesen Bereich vernachlässigt haben.
Wir werden dem Westen auf der
Frankfurter Buchmesse in Ruhe zuhören, und er wird mit uns in Ruhe
reden. Wir werden versuchen, seinen Worten aufmerksam zu folgen. Das was
er uns sagt, soll uns zu denken geben, es ist keine Sache, die man
einfach austauscht. Von diesem Punkt aus können wir beginnen, uns selbst
der Welt zu präsentieren.
So wird die Internationale
Frankfurter Buchmesse, die dieses Jahr die arabische Literatur als Gast
eingeladen hat, zu einem Erfolg auf ganzer Linie."
Al-Jazeera:
Die Frankfurter Buchmesse im arabischen
Diskurs
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