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MEMRI Special Dispatch – 16. August 2004

Al-Jazeera:
Die Frankfurter Buchmesse im arabischen Diskurs

Die arabische Welt ist Gastregion der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. In den arabischen Medien steht die Bedeutung der Messe als Forum eines Dialogs mit den Westen im Vordergrund der Berichte und Kommentare. Immer wieder geht es dabei um die Frage, welche Intellektuellen und Künstler welche Aspekte des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in der arabischen Welt repräsentieren sollen. Kritisch hinterfragt wird die Rolle von offiziellen staatlichen oder überstaatlichen Institutionen wie der Arabischen Liga, die für die Gestaltung des Programms verantwortlich sind.

Diese Fragen waren auch Thema einer Folge des Magazins "Ohne Grenzen" des arabischen Fernsehsenders Al-Jazeera. Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge eines Gespräches zwischen Moderator Ahmad Mansour und seinem Gast Ibrahim al-Muallim, Präsident des arabischen Verlegerverbandes, der maßgeblich an der Organisation der Veranstaltungen in Frankfurt beteiligt ist. Auch Zuschauer wurden mit Fragen und Kommentaren telefonisch zugeschaltet Die Folge wurde ausgestrahlt am 04. August 2004:

Im ersten Teil des Gespräches konfrontiert Mansour seinen Gesprächspartner mit dem Vorwurf, die Veranstalter hätten sich bei der Organisation des Programms und bei der Auswahl der Teilnehmer von folkloristischen Gesichtspunkten leiten lassen: Tanz- und Musikveranstaltungen stünden demnach im Vordergrund der arabischen Präsentation. Zudem hätten sich die Veranstalter auf die Einladung säkularer, westlicher Intellektuelle beschränkt, ohne dabei die Bedeutung 'authentischer' arabisch-islamischer Stimmen zu berücksichtigen.

In seinen Erwiderungen verteidigt Ibrahim al-Muallim das Programm. Mit Hinweis auf die zahlreichen Lesungen, Diskussionen und Buchpräsentationen weist er den Vorwurf zurück, die Organisatoren würden ein oberflächliches Bild der arabisch-islamischen Kultur, das zudem von staatlichen Institutionen vorgegeben sei, präsentieren.

'Planen Sie eine Ausstellung über Sabra und Shatila?'

Im zweiten Teil der Sendung konnten sich Zuschauer mit Fragen an Al-Muallim wenden. Zu ihnen zählte Baraq Abd al-Rahman aus den Vereinigten Arabischen Emiraten:

"Die arabische Kultur ist Gast der Frankfurter Buchmesse. Eine solche Veranstaltung muss man doch vorbereiten!? Die arabischen Intellektuellen haben von dieser Beteiligung der arabischen Welt aber erst vor kurzem erfahren! Manche erst jetzt. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als auf arabische Intellektuelle, die im Westen leben, zurückzugreifen. Wie können wir dorthin fahren, ohne etwas zu sagen zu haben. Unser Problem ist doch nicht der Dialog mit dem 'Anderen'. Das Problem ist, dass wir überhaupt ersteinmal 'da' sein und festen Boden unter den Füssen haben müssen, auf dem wir bauen können. Wie können wir Mitglied im [Internationalen] Verlegerverband sein, während es immer noch viele Fragen über den rechtlichen Rahmen der Verlagstätigkeit [in arabischen Ländern] gibt und es mehr als einem Autoren, mehr als einem Abgeordneten und mehr als einem Denker verboten ist …

Ahmed Mansour: (unterbricht) Danke, Baraq, ich danke Ihnen. Was sagen Sie dazu, Ibrahim?

Ibrahim al-Muallim: Es stimmt, das ist ein wichtiger Punkt. Wir sind tatsächlich mit den zahlreichen Autoren, die im Westen leben, in Verbindung getreten und haben einige ausgewählt und Veranstaltungen und Lesungen für sie organisiert. Unter ihnen sind welche, die in Frankreich England oder Deutschland leben. Sie alle nehmen - trotz der unterschiedlichen Strömungen, die sie repräsentieren - teil. Ihre Teilnahme hat den Vorteil, dass sie im Westen großen Erfolg haben und weltweit bekannt sind. Zu ihnen zählen Amin Maalouf, Rafiq Shami, Tahar Ben Jelloun, Ahdaf Souheif und andere. […]

Ahmed Mansour: Hamza Abd al-Rahim aus Palästina, bitte.

Hamza Abd al-Rahim: Guten Tag, ich habe eine Frage an Ihren Gast. Planen Sie, im Rahmen der Buchmesse Ausstellungen über die Massaker in Sabra und Shatila zu zeigen? Planen Sie eine Ausstellung über das Massaker von Djenin? Wird es eine Ausstellung über das Massaker im Irak geben, oder über das, was in Abu Ghraib passierte? Oder über die zehnjährige Blockade des Iraks? Planen Sie, die Probleme in der arabischen Welt darzustellen, und das Ausmaß des arabischen Hasses auf die westliche Kultur? Werden Sie die Dimensionen des arabischen Hasses auf die USA und auf diejenigen verdeutlichen, die dem Beispiel der USA folgen? Werden Sie unseren wahren Islam präsentieren? Haben Sie vor, die zentralen Probleme anzusprechen? Werden Sie die amerikanische Tyrannei über das arabische Volk darlegen?

Ahmed Mansour: (unterbricht) Danke. Die Veranstalter wollen sechzig Filme zeigen, die bei verschiedenen Festivals Preise gewonnen haben. Außerdem wird es tolle Tanzgruppen geben, die die arabische Kultur …

Ibrahim al-Muallim: … nein, Entschuldigung Ahmed. Zunächst einmal sind das Filme, die Auszeichnungen des Institut du Monde Arabe [in Paris] gewonnen haben. Darunter sind Filme über Palästina, Algerien und den Libanon sowie über alle Probleme der arabischen Welt. […] Ich schätze natürlich die Gefühle und die Leidenschaft unseres Anrufers. Ich kann ihm [aber] sagen, dass diese Buchmesse keine Bühne für große Reden oder Kämpfe sein wird. Alle Gedanken, alle Dinge, die wir zeigen wollen - ob Ideen, Probleme, oder Unrecht – werden in den Büchern, der Literatur, den Erzählungen und den politischen Schriften thematisiert werden. Die ausgestellten Bücher sind ja aus Palästina und aus den anderen arabischen Ländern. Und viele der Autoren, die diese Themen ansprechen, werden an der Buchmesse teilnehmen, darunter Dichter und Autoren aus Palästina und Personen, die sich mit diesen Problemen beschäftigt haben, z.B. Abd al-Wahab al-Missiri, der an verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen wird, und andere Autoren. Ich denke, die Themen, die angesprochen wurden, werden in der zeitgenössischen arabischen Literatur und Poesie aufgegriffen, sie sind Teil dieser Literatur und werden dort widergegeben. Wichtig ist aber, dass diese Themen auf spannende und produktive Weise behandelt werden…

Ahmad Mansour: Die Welt schaut uns schließlich zu! […] Bitte, Othman Saadi [aus Algerien].

Othman Saadi: Ich möchte Ihren Gast kurz auf ein wichtiges Thema hinweisen: Die arabischen Autoren, die in Europa leben, die von europäischer Seite zu dieser Veranstaltung eingeladen wurden. Sie gehören in den meisten Fällen zu ihnen [zu Europa], und nicht wie Amin Maalouf, den ich sehr schätze und den ich für einen Araber halte, der in Europa lebt, zu uns. Die meisten algerischen Autoren, die in Europa leben, haben sich gegen die arabische Sprache ausgesprochen, und gegen einen arabischen Charakter Algeriens. Oder etwa Asia Djebar, die auf einer internationalen Konferenz von einem israelischen Autor gefragt wurde: 'Wie stehen Sie zu Algerien. Die Sprache Algeriens ist Arabisch, aber Sie schreiben auf Französisch und leben seit der Unabhängigkeit Algeriens in Frankreich!' Muhammad Dib, der bis zu seinem Tod vor einigen Monaten der bekannteste Autor Algeriens war, attackierte die arabische Sprache und erklärte, die arabische Sprache sei so tot wie das Lateinische. Dieser Muhammad Dib wünschte sich, dass sein Körper in Frankreich begraben werde und nicht in Algerien.

Und das Europäische Parlament hat vor drei oder vier Jahren in einem Beschluss gegen die Entscheidung protestiert, das Arabische in Algerien zur offiziellen Sprache zu machen. Das ganze Europäische Parlament griff das entsprechende Gesetz an […]. Ich kann mir also vorstellen, dass die Mehrzahl der ausgewählten Autoren, die in Europa leben, Europa repräsentieren und nicht uns. Danke.

Ahmad Mansour: Danke Othman. Das Thema der Auswahl Beteiligten ist wichtig, und ich habe ja auch schon angesprochen, dass die meisten Teilnehmer, die die Araber repräsentieren werden, das gleiche säkulare, westliche Denken vertreten [wie die europäischen Intellektuellen]. Die eigentliche Vertretung der arabischen Kultur wird daher schwach sein…

Ibrahim al-Muallim: Ja, Sie sprechen damit tatsächlich eines der Probleme der arabischen Kultur an …

Ahmad Mansour: Aber sind Sie als Präsident des arabischen Verlegerverbandes nicht auch selbst dafür verantwortlich?

Ibrahim al-Muallim: Die Frage ist doch, ob wir in der arabischen Welt an die Freiheit des Denkens glauben. Glauben wir an den Pluralismus der Meinungen, an die Unterschiede der Sichtweisen …

Ahmad Mansour: Sicher!

Ibrahim al-Muallim: Oder glauben wir an die eine Wahrheit?

Ahmad Mansour: Aber repräsentiert nicht die Mehrheit [der arabischen Intellektuellen] das verwestlichte säkulare Denken – viele Vertreter der kulturellen Institutionen in der arabischen Welt stehen ja für diese Strömung? Sollte nicht vielmehr die ursprüngliche arabische Kultur und das arabisch-islamische Denken repräsentiert werden?

Ibrahim al-Muallim: Die Mehrheit der Teilnehmer steht für ein echtes, aufgeklärtes arabisches Denken. Denn es ist das aufgeklärte arabische Denken, welches in der arabischen Welt mehrheitlich verbreitet ist, das sich der Probleme [der arabischen Welt] bewusst ist, von der Freiheit des Denkens und von der Meinungsfreiheit überzeugt ist und nach vorne sieht.[…]

'Wir leben im 21. Jahrhundert und es gibt immer noch Zensur'

Ahmad Mansour: Hallo Abu Bakr al-Khiyat aus Saudi Arabien.

Abu Bakr al-Khiyat: Ich möchte über die Bücher zur arabischen Kultur reden, deren Einfuhr in die meisten arabischen Länder verboten ist …

Ahmad Mansour: … die können Sie alle auf der Frankfurter Messe finden, wenn Sie dorthin fahren …

Abu Bakr al-Khiyat: Das werde ich. Hier in Medina lieben wir das Lesen!

Ibrahim al-Muallim: Es gibt tatsächlich Probleme mit der Herausgabe von Büchern in der arabischen Welt. Ich sage in aller Offenheit, dass wir Probleme haben. Obwohl wir schon im 21. Jahrhundert leben, fordern wir als arabischer Verlegerverband und die Medien die Abschaffung der Zensur und die Freiheit, Bücher in der ganzen arabischen Welt zu verbreiten. Wir fordern die Freiheit, Bücher zu veröffentlichen und einen freien Austausch von Ideen, Meinungen und Erkenntnissen. Es gibt immer noch Verbote, obwohl wir im Zeitalter der Satellitensender, des Internets und der Wissensexplosion leben. Aber man muss auch sagen, dass es einen relativen Fortschritt in vielen arabischen Ländern in Richtung einer Öffnung gibt. In einigen arabischen Ländern und auf einigen arabischen Buchmessen gibt es keine Zensur mehr. Dieser Weg muss weiter gegangen werden. Dies ist auch eines der Themen, die wir ernsthaft und sachlich auf der Frankfurter Messe diskutieren werden. So haben wir dort eine Veranstaltung zur Veröffentlichungsfreiheit in der arabischen Welt organisiert.

Ahmad Mansour: Stimmt es, dass Sie Bilder der arabischen Staats- und Regierungschefs im Ausstellungsgebäude aushängen werden?

Ibrahim al-Muallim: Nein, niemals! Es wird keine Bilder von Staats- und Regierungschefs geben! Das wurde auch nicht gefordert. […] Nein, es wird keines dieser Bilder und auch keine Direktiven der Staatschefs geben. Wir fordern diese aber auf, diese Veranstaltung zu fördern, denn Sie sind die Verantwortlichen der arabischen Welt und auch verantwortlich für die arabische Kultur. Aber wir können nicht …

Ahmad Mansour: Immer wenn es ums Denken geht, sind sie nicht verantwortlich. […]

Riddad Ali (Bagdad): Ich möchte dazu aufrufen, solche arabische Intellektuelle auszuwählen, die die arabische Kultur auch repräsentieren können. Egal, ob aus dem Westen oder aus dem Orient - wichtig ist doch, dass sie Stolz auf ihre arabische Kultur sind, damit sie das wahre Bild dieser Kultur zeigen können. Aus unserer Kultur, den alten und den neuen Übersetzungen, sollten die Dinge ausgewählt werden, die reich und schön sind und das wahre Bild der arabischen Kultur wiedergeben - nicht solche, die der Westen sehen will. Wir wollen uns so zeigen, wie wir sind. Wir wollen ihnen nichts vorheucheln, indem wir jemanden auswählen, der zwar säkular oder kommunistisch ist oder eine ganz bestimmte Strömung vertritt, aber nicht stolz auf seine arabische Kultur ist. Wir wollen unser Arabisch-Sein, unsere wirkliche Kultur und unseren rechtgläubigen Islam zeigen, und nicht den Islam derjenigen, die ihn verurteilen und des Terrorismus beschuldigen wollen. Wir wollen ihnen das authentische schöne Bild zeigen, um den anderen Völkern mehr tatsächliches Wissen über unsere Kultur zu vermitteln. Danke."

[http://www.aljazeera.net/programs/no_limits/articles/2004/8/8-8-1.htm]

Frankfurter Buchmesse:
Chance für kulturellen Dialog

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hagalil.com 23-08-04

 

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