Die arabischsprachige Tageszeitung al-Hayat aus London berichtete in
den letzten Tagen mehrfach über die ägyptische Fernsehserie "Reiter ohne
Pferd", die im bevorstehenden Monat des Ramadan von einem ägyptischen
Fernsehsender über mehrere Wochen gesendet wird. Die Fernsehserie greift
auf die sogenannten ,Protokolle der Weisen von Zion' zurück, die als
Fälschung des zaristischen Geheimdienstes des späten 19. Jahrhundert zu
den einflussreichsten Texten in der Geschichte des modernen
Antisemitismus zählen. (1)
Die Ankündigung der Serie hatte in den USA und Israel zu Protesten
geführt, in denen ein Verbot der Ausstrahlung durch die ägyptische
Regierung gefordert wurde. Als Reaktion auf diese Proteste erschienen in
den letzten Wochen in ägyptischen Zeitungen diverse Artikel, in denen
die Sendung verteidigt wurde. Beispielhaft erklärte der Chefredakteur
der regierungsnahen Tageszeitung al-Akhbar, Galal Duwaidar, "wir müssen
den barbarischen Angriff, dem die ägyptische und arabische Kunst
ausgesetzt ist, zurückweisen. Bösartig attackieren sie ein Fernsehstück
[...], das einen Teil der Verschwörung, die vom internationalen
Zionismus gewebt wurde und wird", thematisiere. (al-Akhbar, 03. November
2002)
In einem satirischen Artikel von Mark Sayigh, der kürzlich unter dem
Titel " 'Die Protokolle der weisen Araber': Es reicht, Ägypten, es
reicht!" erschien, dreht Sayigh die antijüdischen Vorwürfe aus den
,Protokollen' um und beschreibt eine vermeintlich arabische Verschwörung
zur ,Wiederherstellung der arabischen Herrschaft über die Welt'. Er
schließt seine Satire mit einer ausdrücklichen Kritik der Produktion und
Ausstrahlung der Fernsehserie.
Sayighs Text, der am 03. November 2002 erschien, schließt an
verschiedene Texte und Berichte an, die in den letzten Monaten
erschienen sind. Verschiedene Autoren, darunter Hazem Saghiyh, Ali Salem
und Ibrahim al-Arabi, äußerten sich mehrfach kritisch über
antisemitische Verschwörungstheorien, die in arabischen Medien vertreten
werden:
"Hinter verschlossenen Türen beschloss das israelische Fernsehen die
Produktion einer Fernsehserie, die auf dem israelischen und einigen
amerikanischen Sendern während des kommenden [jüdischen]
Versöhnungsfestes gezeigt werden soll.
Der Inhalt dieser Serie ist besorgniserregend. Der Autor des
Programms behauptet, Juden aus Aleppo hätten ihm ein Dokument übergeben,
über das die Personen und Familien, die es verfassten und umsetzten,
bisher nichts erzählt hätten.
Als Reaktion auf den Angriff des bösartigen Imperialismus, nach dem
Fall der arabischen Monarchie und dem Ende des Traumes von der Einheit,
hätte in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in Aleppo ein Treffen
stattgefunden, welches Vertreter aller arabischsprachiger Länder
zusammenbrachte. Bei dem Treffen wurde nach Wegen gesucht, wie die
arabische Herrschaft über die Welt, wie sie zur Zeit Harun Rashid
bestand, wieder erlangt werden könne, oder wie die Angreifer zumindest
wieder aus unseren Ländern zurück gedrängt werden könnten, so wie es
anschließend unter dem ,Araber' Saleh al-Din al-Ayyubi gelang. Die
Teilnehmer des Treffens, an dem einige Familien aus dem arabischen
Nordafrika und der Levante teilnahmen, beschworen 20 Paragraphen, die es
ihnen ermöglichen sollten, auf den Thron der Welt zu gelangen.
Es geht also um zwanzig Etappen.
Die israelische Sendung wird zeigen, wie diese Paragraphen in den
letzten 80 Jahren trotz aller Rückschläge umgesetzt wurden. [.]
Die Vertreter aus dem arabischen Nordafrika, die immer noch die
Schlüssel für ihre Häuser in Andalusien aufbewahren und voller Schmerz
in Richtung der Straße von Gibraltar schauen, beschlossen, ihre
menschliche Arbeitskraft in Gestalt von einfachen Arbeitern nach Europa
zu schicken, damit die Söhne des arroganten europäischen Volkes keinen
Verdacht schöpften. Nach 80jähriger Förderung dieser Auswanderung gelang
es den Arabern, so die israelische Behauptung, sich der europäischen
Gesellschaft aufzuzwingen und in die Ministerien der französischen
Regierungen und Parlamente anderer europäischer Staaten vorzudringen.
Sie zwangen Staaten wie Frankreich, die arabischen Forderungen zu
respektieren und eine arabische Politik einzunehmen, die den Absichten
Israels und den USA im Nahen Osten entgegentritt.
Der ägyptische Vertreter bei diesem Treffen war einer, der Groll
gegenüber der britischen Kolonialmacht und den Taten, die die Soldaten
des hochnäsigen Imperiums in Ägypten begingen, empfand. Soldaten eines
Landes, ,dessen König eine Frau war', wie er in Anspielung auf die
viktorianische Herrschaft lachend erklärte. Er schwor, einen seiner
Nachfahren so zu erziehen, dass er in die Lager der britischen
Prinzessinnen eindringe und dafür sorge, dass der kommende König
Britanniens ein Araber sein würde, oder zumindest einer seiner Brüder.
Diese Rache war niemanden zuvor in den Sinn gekommen, wurde aber sehr
willkommen geheißen, da sie der Welt die Vorzüge der Männlichkeit unter
den Arabern zeigen werde, sollte sie richtig angewandt werden.
Der Libanese, der zu dem Treffen in Aleppo geschickt wurde, war ein
Bauer, da die libanesische Elite zu jener Zeit in den Stricken der
Frankophonie verfangen war. Der Bauer aus der Bekaa-Ebene erklärte mit
einer selbstverständlichen Art, er beabsichtige, die fruchtbaren Bäume
auszureißen und Haschisch anzupflanzen, um damit die Märkte des
zionistischen Projektes [in Palästina] und der Kolonialmächte zu
überschwemmen und in einem nächsten Schritt dem arabischen Willen zu
unterwerfen.
Der Vorschlag stieß nicht automatisch auf Zustimmung, denn die Weisen
der Araber standen dem Einsatz von Verbotenem als Waffe widerwillig
gegenüber. Die Idee wurde aber nicht verworfen, sondern man beschloss,
sie umzusetzen - allerdings im Verborgenen, und nicht im öffentlichen
Rahmen.
Der irakische Vertreter, der Jahrzehnte vor seinen Zeitgenossen die
Bedeutung des Öls erkannt hatte, schwor, das Öl Kurdistans und das
kurdische Volk der arabischen Gewalt zu unterwerfen. Er drängte die
Araber, sich vor den Persern und ihren Söhnen in Acht zu nehmen und
erklärte, allein ein Glaubensmann arabischer Abstammung könne den Schah
des Irans absetzen.
Der bösartigste unter den Teilnehmer aber kam aus dem Jemen, der in
seinem Wunsch, das arabische Ziel zu verwirklichen, beschloss, die
wohlhabenste Gegend auf der arabischen Halbinsel zu verlassen und die
Zerstörung von Städten des Imperiums des Bösen zu planen. Er erläuterte
nicht weiter, ob er Britannien oder Frankreich meinte, vielleicht sprach
er auch von den USA, deren Stern nach dem ersten Weltkrieg aufzusteigen
begann.
Natürlich gab es in israelischen Künstlerkreisen Diskussionen um die
Glaubwürdigkeit dieses ,Dokumentes' und den Rassismus dieser
Beschuldigungen. Viele zweifelten an der Redlichkeit der Juden aus der
Gemeinde in Aleppo, die dieses Dokumentes überbracht hatten.
Der israelische Professor Mustahiq Mabdai beendete diese Diskussion
allerdings, indem er erklärte: Ich weiß nicht, ob dieses Dokument echt
oder eine Fälschung ist. Aber ich weiß, dass die Führer der Araber
versuchen, die Mehrzahl der Paragraphen umzusetzen.
Die Worte des Professors fanden breites Echo, welches vom
Fernsehproduzenten als Werbung für die Sendung genutzt wurde.
Diese Geschichte ist natürlich eine Erfindung meiner Phantasie. Die
Intellektuellen und Künstler Israels - einem Land, das die Rechte des
palästinensischen Volkes bis aufs Äußerste verletzt - erreichen nicht
die Dummheit einiger unserer Intellektueller und Künstler (aber wer
sollte sie auch erreichen können?). Das ägyptische Fernsehen beginnt in
der nächsten Woche die Ausstrahlung einer neuen Fernsehserie während des
Monats Ramadan, die den Namen ,Reiter ohne Pferd' trägt und der
historischen Fälschung der ,Protokolle der Weisen von Zion' entlehnt
ist. Es wurde der Welt zum tausendsten Mal bewiesen, dass dieser Text
von Agenten des russischen Kaisers am Ende des 19. Jahrhunderts verfasst
wurde.
Die historische Wahrheit aber interessiert einen Teil der arabischen
und ägyptischen ,Elite' nicht. Anstatt dass diese Elite beispielsweise
von ihrer Regierung die Aufhebung des Friedensvertrages fordert, der
seit etwa einem Vierteljahrhundert erfolgreich ist, flüchten sich einige
Künstler Kairos zu den Trommeln und Mikrofonen und zu Dummheiten in den
Medien, was die Situation der Palästinenser nur verschlimmert.
Der Held dieser Serie, Muhammad Subhi, beeilte sich zu erklären, ,die
Behandlung der Protokolle der Weisen von Zion als Fernsehdrama ist
Kunst'. Kunst, genauso wie die Symphonie ,Ich hasse Israel!' des
Hemdenbüglers Ludwig Shaaban.(2)
Es reicht, Ägypten, es reicht!"