Ist Ehud Olmert ein Verräter?
Made in Israel
Die politisch umstrittene Frage, ob Produkte
aus den Gebieten (Westbank und Gazah) für den Export in die EU eine
geographische Kennzeichnung tragen sollen ist auch ein
wirtschaftlich wichtiges Thema.
Die EU fordert eine Unterscheidung der in Israel
hergestellten Produkte, für die erleichterte Einfuhrbedingungen in
die EU gelten, von in den umstrittenen Gebieten hergestellten
Produkten, die diese Vorzüge nicht genießen sollen. Diesem Anliegen
möchte Ehud Olmert, Minister für Industrie, Handel und Arbeit und
stellvertretender Premierminister, nun nachkommen.
Ehud
Olmert (links)
Während die Rechte schon vom Verrat Olmerts an
jüdischen Werten spricht, sehen Kommentatoren der Linken, in der
Tatsache, dass selbst ein Falke wie Olmert die EU-Forderung
akzeptiert, ein Zeichen dafür, dass man langsam auch im Likud
beginnt die Realitäten wahrzunehmen.
Rafi Mann schreibt in M'ariw: "Die USA und Europa
haben immer wieder klar gemacht, dass von ihrem Standpunkt aus die
Grüne Linie (die Grenzlinie vor Juni 1967) leibt und lebt. Mit einer
ansehnlichen Verspätung, versteht nun auch die Likud Regierung, dass
es solch eine Linie gibt und erklärt sich damit einverstanden, den
Herstellungsort von Exportprodukten nach Herkunft von diesseits oder
jenseits eben dieser Linie zu deklarieren.
Es wird wahrscheinlich diejenigen geben, die den
europäischen Schritt einem weiteren Ausbruch von Antisemitismus
zuordnen wollen, wie könnte es auch anders sein. Doch besteht
absolut kein Zusammenhang: das ist die traditionelle Einstellung
Europas, deren Handelsbeziehungen mit Israel einen maßgeblichen
Anteil an der Wirtschaft Israels tragen.
Ein kleinerer Teil der Öffentlichkeit glaubt sogar, und der
Verfasser dieser Zeilen zählt sich zu ihnen, dass ein israelischer
Konsumentenboykott für die Produkte der Siedlungen ein legitimer
Schritt ist.
Doch gibt es einen anderen Teil in der israelischen Öffentlichkeit,
der ohne die störenden Mitteilungen aus Washington und Brüssel sich
seinen Träumen hätte ganz hingeben können, dass Israel noch viele
Jahre lang in den Gebieten sitzen kann, und hoffen kann, dass die
Grüne Linie eines Tages so verschwommen sein wird, bis sie
unerkenntlich wird und verschwindet. Die Tatsache, dass sogar ein
reißender Falke wie Ehud Olmert die Mitteilungen aus Brüssel
begriffen hat, zeugt davon, dass auch der Likud beginnt, in der
Realität aufzuwachen".
Ganz anders schreiben Tuli Pikrasch und Motti Saft
unter Überschriften wie "Die Knesseth wird die Kapitulation Olmerts
vor dem Druck der EU besprechen" oder "Scharfe Kritik an der
Kapitulation vor den Europäern" der nationalreligiösen Tageszeitung
"haZofeh".
Jüdischen Selbsthass diagnostiziert der
Fraktionschef der National-Religiösen Partei bei allen die das
"Brüsseler Diktat" hinzunehmen bereit sind: "Eine Kapitulation, ein
Tag der Schmach und Schande! Noch mehr, als wir beschuldigen,
schämen wir uns!"
Prof. Arie Eldad, national-religiöser Knessetabgeordneter sieht uns
auf dem besten "Weg zu einem neuen Judenstern".
Ehud Olmert, der der EU zusagte, dass Produkte aus
den Siedlungen künftig den Namen des Herstellungsortes tragen
werden, fragt Tuli Pikrasch im "Zofeh": "Was werden Sie morgen
machen, sehr geehrter Herr stellvertretender MP, wenn dieselben
europäischen Länder fordern, Produkte aus jüdischen Fabriken zu
kennzeichnen, sonst würden alle Produkte des Staates Israel
boykottiert? Was würden Sie tun, wenn morgen Israel aufgefordert
wird, alle Pässe der Einwohner Jeschas zu kennzeichnen, sagen wir
mit einem kleinen Sternchen, sagen wir ein gelbes. Europa hat sich
einmal für ihren Antisemitismus geschämt, aber jetzt kann kann man
wieder Anti-Israel sein - - und Israel spielt mit. Hier muss man
anhalten und alles, was hier erzeugt wird, groß mit "MADE IN ISRAEL"
beschriften".
Im Siedlerrat von JESCH'A ist man wütend und
spricht vom Ausverkauf nationaler Interessen: "Wir verkaufen unsere
eigene Mutter an die Europäer. Wenn die Waren aus den Siedlungen
jenseits der grünen Linie, keine EU-Zollbefreiung mehr bekommen,
kann dies für viele Unternehmen in den Siedlungen das Aus bedeuten.
Heute erlassen die Europäer Steuern auf die Produkte, und übermorgen
nehmen sie die Produkte von den Regalen".
Der Präsident der Industriellenvereinigung, Oded Tira, sagte
gestern, dass der Export nach Europa von den Fabriken, um die es
geht, bei 130 Mio.$ im Jahr liegt. Die Vereinigung hat vor, von der
Regierung eine Entschädigung zu fordern, die der Höhe der
auferlegten Steuern entspricht – eine Summe, die auf etwa 7 Mio. $
im Jahr geschätzt wird.
Auch wenn in Olmerts Umfeld behauptet wird, der Entschluss sei im
Einvernehmen mit dem Premier und Außenminister Shalom gefasst
worden, geht man im Außenministerium lieber auf Distanz: "Dies ein
unverantwortlicher Schritt. Jahrelang hat sich Israel der
europäischen Forderung erfolgreich widersetzt".
M'ariw widmete dem Thema eine Pro- und Kontraseite. Für Olmerts
Entscheidung plädiert Uri Avnery: "Es zeigt sich wieder einmal, dass
es sich nicht auszahlt auf die Stimmungen im Ausland zu pfeifen.
Schon seit Jahren überlegt man in Brüssel ob man mit den
Zollbefreiungen für Siedlerprodukte nicht auch die Siedlungen
unterstützt, die den Frieden gefährden. Es kann sein, dass es am
Ende die Bilder vom Trennzaun waren, die den Ausschlag gaben. Ein
Trennzaun, der die Siedlungen schützen soll, während er die Existenz
Hunderttausender von Palästinensern zerstört".
Ihm entgegnet Ron Nachman, Bürgermeister von Ariel: "Ich bin gegen
Olmerts Kapitulation. Die Regierung Israels verleiht hier eine
Belohnung des Terrors. Schon die sogenannte "Roadmao", das Machwerk
des EU-US-GUS-UN-Quartetts, hat zwischen Terroristen und Siedlern
Vergleiche angestellt, als ob wir Mörder wären. Wir werden in den
Medien jeden Tag dargestellt, als wären wir das Unheil des Staates
Israel. Und als Reaktion darauf diskriminieren die Europäer gegen
die Juden, 60 Jahre nach dem Holocaust. 60 Jahre nachdem die Juden
in die Krematorien geschickt wurden. Heute ist es soweit: Eine
nationale Regierung gibt der Terrorstrategie Arafats eine
Auszeichnung und vernichtet dafür die wirtschaftliche Lebengrundlage
der Siedler. Aus meiner Warte ist das eine Katastrophe, die ich mir
in meinen schwärzesten Träumen nicht erträumt hatte".
dg /
hagalil.com
02-12-2003 |