Die Ernte der Gewalt
Radikale jüdische Siedler rächen sich an Olivenbauern im
Westjordanland für palästinensische Selbstmordanschläge
Von Thorsten Schmitz
In diesen heißen Spätherbsttagen ernten
palästinensische Bauern im Westjordanland Oliven. Die Einnahmen aus
dem Öl, der Seife und dem Holz der etwa eine Million Olivenbäume in
den Palästinensergebieten halten seit Beginn der Intifada viele
Familien über Wasser. Die israelische Armeeführung hat daher ihre
Soldaten angewiesen, dass Bauern ihre Dörfer verlassen dürfen. Doch
wenn die Palästinenser mit der Ernte beginnen, kommt es vor, dass
jüdische Siedler Steine schmeißen oder mit Gewehrsalven in die Luft
die Bauern verängstigen. Die Siedler haben entweder Angst vor
möglichen Attentätern, die sich unter die Bauern mischen, oder
behaupten, die Bauern befänden sich auf „ihrem“ Land – obwohl viele
Siedlungen auf dem privaten Land der Palästinenser errichtet werden.
Mitglieder der "Internationalen
Solidaritätsbewegung" berichteten der Süddeutschen Zeitung, dass
israelische Soldaten mitunter nicht eingriffen. Die
Friedensaktivisten gehen in diesen Tagen mit den palästinensischen
Bauern auf deren Felder, um mit hoch gehaltenen ausländischen Pässen
jüdische Siedler von Angriffen abzuhalten. In mindestens zwei Fällen
ist dies nicht geglückt. Sami Hayek, ein Schweizer Mitglied der
Solidaritätsbewegung, berichtete, dass am Sonntag kurz nach dem
palästinensischen Selbstmordanschlag in Ariel zehn jüdische Siedler
aus Itamar Olivenbauern mit Steinen beworfen hätten. Ein 74-jähriger
amerikanischer Friedensaktivist sei mit Gewehrkolben ins Gesicht
geschlagen worden. Von den angreifenden jüdischen Siedlern sei
keiner festgenommen worden. Am Montag hätten die israelischen
Soldaten den Bauern die Ernte untersagt, da sie nicht für deren
Sicherheit garantieren könnten.
Polizeisprecher Gil Kleimann erklärte auf Anfrage,
bislang sei ein Israeli festgenommen worden, der am Montag
palästinensische Olivenpflücker nahe der jüdischen Siedlung Kfar
Tapuach angegriffen hatte. Drei weitere, die am Tag zuvor gepflückte
Oliven von Palästinensern gestohlen haben sollen, seien wieder
freigelassen worden. Die Polizei würde seit den Angriffen vermehrt
im Westjordanland patrouillieren. In israelischen Medien wird von
einem Streit zwischen der Polizei und dem Militär berichtet. Die
Polizei werfe den Soldaten vor, sie duldeten schon zu lange das
Treiben der Siedler. Nach dem Besatzungsrecht müssen die Soldaten
die Palästinenser schützen, die Polizei dagegen ist für die Siedler
zuständig.
Die jüngsten Angriffe auf die Olivenbauern sind
keine einzigartigen Ausbrüche von Gewalt seitens jüdischer Siedler.
Seit Oktober 2000 kam es bereits zu 1300 Angriffen durch Siedler.
Oft als Reaktion auf palästinensische Terroranschläge üben jüdische
Siedler immer wieder Selbstjustiz. Gestern halfen deshalb vier
israelische Schriftsteller, darunter Amos Oz, Palästinensern bei der
Ernte.
hagalil.com
31-10-02 |