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Ein Tag mit dem ICAHD:
Systematische Vertreibung?

Entgegen einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Israel, sehen sich einige Palästinenser in ihrer Existenz bedroht. Das Israeli Commitee Against House Demolitions zeigt sich solidarisch.

RealAudio: Sound

Von Andrea Übelhack

Ein kleines Häufchen Interessierter und Freiwilliger findet sich am Shabbat-Morgen am Treffpunkt ein. Auf dem Weg nach Beerscheva kommt noch ein weiteres kleines Grüppchen hinzu. Der kleine Konvoi von sechs Autos biegt von der Hauptstrasse ab, holpert über Kieswege. Ziel ist eine palästinensische Familie, die etwas südlich von Yatta lebt, kurz hinter der grünen Linie.

Organisiert ist diese Fahrt vom Israeli Commitee Against House Demolitions, kurz ICAHD. Amos Gvirz, Gründer der Organisation, erzählt auf der Fahrt die Hintergründe. Die Familie gehört zu jenen Palästinensern, die südlich von Hebron teilweise in Höhlen leben. Trotz einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Israel, sehen sich die Familien in den vergangenen Jahren vermehrt bedroht. Ihre Häuser wurden mehrfach zerstört, Schafe und Ziegen getötet, Wasserlöcher und Brunnen zugeschüttet.

Unglaublich klingt das, wie kommt es, dass sich Regierung und/oder Armee über eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hinwegsetzen? Kann das möglich sein?

Noch etwas ungläubig geht die Fahrt durch die Wüstenlandschaft weiter. Jetzt, Anfang März, sieht man noch erstaunlich viel Grün, Bäume und auch Blumen in den Hügeln. Im Sommer ist alles karger Stein.

Endlich angekommen bemerken wir, daß uns ein Auto gefolgt ist, ein Van. Die Leute vom ICAHD (Israeli Comitee against House Demolition) vermuten sofort, dass es sich hier um Leute des Sicherheitsdienstes handelt. Ein paar gehen hin und fragen die Männer, ob man ihnen irgendwie helfen könne. Sie murmeln etwas von Naturschutz-Organisation und Kibbutz.

Bei unserer Ankunft heißt uns das Familienoberhaupt herzlich willkommen, freut sich über die Solidarität und zeigt uns die Spuren der Verwüstung. Die zugeschütteten Wasserlöcher wurden inzwischen freigeschaufelt, durch Staub und Dreck ist das Wasser aber noch immer nur bedingt brauchbar. Die Familie lebt im Moment gemeinsam in einem Zimmer, zusätzlich wurde ein Zelt aufgestellt.
 

Dieses eine Zimmer ist der Ursprung der "Wohnung", eine langgezogene Höhle, deren Eingang bis auf eine Tür zugemauert ist. Nachdem der Platz mit der wachsenden Kinderzahl zu klein wurde, haben die Männer außen zwei weitere Zimmer angebaut.
 

 

Wäre nicht bereits das Fundament eines dieser Zimmer wieder gemauert, man könnte es sich nicht vorstellen, dass dort jemals etwas stand, denn im September vergangenen Jahres rückten 15 Jeeps mit Soldaten an, zwei große Bagger arbeiteten acht Stunden lang an der Zerstörung des Hauses. Wie ein riesiger Haufen Müll liegen die Überreste unterhalb der Höhle. Außerdem wurde der gesamte Vorrat von Viehfutter für ein Jahr vernichtet. Der Traktor, der für die Landwirtschaft der Familie unerlässlich ist, wurde zerstört und einen Abhang hinunter geworfen.

Das alles passierte trotz einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die genau diese Familie vor solchen Angriffen schützen sollte. Unter anderem wird dort ein landwirtschaftliches Projekt gepflegt, welches die verschiedenen Pflanzen der Umgebung zu Anschauungs- und Lehrzwecken sammelt. Das Projekt wurde nicht nur von der Weltbank, von den USA und europäischen Staaten, sondern auch von Israel mitfinanziert. Diese Tatsache scheint die Regierung jedoch nicht daran gehindert zu haben, die ansässige Familie vertreiben zu wollen.

Die etwa 40 Freiwilligen, die mit ICAHD gekommen sind, machen sich also ans Werk, die Überreste des "Hauses" aufzuräumen, damit Platz für den Neuaufbau entsteht. Wellblech, Draht und Holz liegt ineinander verzahnt, Bettgestelle, Stühle und Kissen dazwischen. Und dann auch persönliche Gegenstände, ein Kopftuch, eine Kinderhose, ein einzelner Schuh. Es ist also wirklich wahr, wird mir in diesem Moment schlagartig bewusst, dieses Haus wurde gnadenlos plattgewalzt, die Familie hat fast ihren gesamten bescheidenen Besitz verloren, es war keine Zeit mehr, etwas zu retten.

Wie oft habe ich im Fernsehen schon Bilder von zerstörten Häusern in den besetzten Gebieten gesehen - weinende Frauen sitzen auf Trümmerhaufen. Doch trotzdem bleibt die Szene seltsam fremd, weil so scheinbar unvorstellbar. Ganz anders hier, die Schuhe und Kleider und Kissen geben den Fakten ein Gesicht.

Dabei hat diese Familie noch "Glück" gehabt, "keiner wurde verletzt oder gar getötet. Ein eher "vegetarischer Fall", meint Teddy Katz, Mitglied der israelischen MeReZ-Partei, der versucht, so oft wie möglich hierher zukommen.

Leider, so erklärt er, sei dies kein Einzelfall. Ganz im Gegenteil, der israelischen Politik scheinen hier im Süden von Hebron arabische Ansiedlungen in den Hügeln missliebig. Regierung, Militär, die lokalen Behörden und Siedler der Umgebung arbeiten Hand in Hand. Das Land ist schwer zu bewirtschaften, nur an wenigen Plätzen ist Landwirtschaft überhaupt möglich, hauptsächlich in den Tälern, den sog. Wadis, die damit sehr "begehrt" sind.

Ein paar Tausend Palästinenser leben in dieser kargen Umgebung, in kleinen Gemeinschaften bis zu höchstens 5-6 Familien. Ursprünglich wurden die Höhlen in den Hügeln nur zeitweise genutzt, seit den 1830er Jahren siedelten die Vorfahren der heutigen Familien jedoch dauerhaft in der Gegend.

Bereits seit den 1970er Jahren gibt es immer wieder Versuche von israelischer Seite, die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben. Immer wieder wurden dabei große Flächen zum militärischen Sperrbezirk erklärt. Gleichzeitig wurden neue jüdische Siedlungen angelegt, die vor allem seit der Errichtung von Farmen zu Konflikten mit Palästinensern geführt haben.

Im November 1999 kam es dann zu einer ersten größeren Aktion, durch die 750 Palästinenser gezwungen wurden ihre Häuser zu verlassen. Im Frühjahr 2000 entschied aber der Oberste Gerichtshof des Staates Israel, dass der Status Quo vor der Vertreibung wieder hergestellt werden müsse. Zahlreiche Familien kehrten daraufhin zurück. Im darauf folgenden Sommer kam es erneut zu ähnlichen Szenen, auch Familien, die ausdrücklich unter dem Schutz des Obersten Gerichtshofes standen, wurden erneut vertrieben, ihre Häuser wiederum zerstört. Bis heute warten die Familien auf die Durchsetzung der israelischen Gerichtsentscheidung, im Mai wird eine erneute Anhörung zu diesem Fall stattfinden.

Unsere Familie hatte also noch relatives "Glück". Wie es weitergehen wird, kann niemand sagen. Sie werden ihre beiden Zimmer neu aufbauen, weiter von Landwirtschaft und Vieh leben und darauf hoffen, dass die israelische Solidarität anhält. Der Akt der Solidarität wird sehr hoch gewürdigt, der Abschied ist herzlich.

Bei unserer Abfahrt bemerken wir, dass inzwischen zwei Vans vor Ort sind. Sie begleiten uns bis auf die Hauptstrasse. Beim Blick in den Rückspiegel hofft Amos Gvirz, dass sie keine Aktivitäten als "Bestrafung" für unseren Besuch starten.

haGalil onLine 03-04-2002

 

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