Israel verbietet die Bohrung:
Neue Brunnen braucht die Westbank
von Jessica McCallin, The Sunday
Herald, ZNet 28.10.2002
Der israelische ‘Minister für Infrastruktur’,
Effi Eitam, sprach letzte Woche ein Verbot aus, demgemäß es
Palästinensern in Zukunft verwehrt sein wird, in der Westbank nach
Wasser zu bohren. Die Entscheidung, wie mit Bohranträgen künftig
verfahren wird, ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Eitams Erlass
trifft insbesondere die palästinensische Landwirtschaft hart, da sie
zum Großteil von Wasser, das mittels Bohrungen gefördert wird,
abhängt.
Einige
Dörfer werden künftig Schwierigkeiten haben, selbst ihren
Trinkwasserbedarf zu decken. Ohnedies ist die (palästinensische)
Landwirtschaft schwer gebeutelt durch massive israelische
Landkonfiszierungen u. -zerstörungen. In jüngster Zeit wurde es den
Palästinensern sogar verboten, ihre Oliven abzuernten.
Viele (palästinensische) Dörfer - 30 Prozent davon sind an keine
Trinkwasserversorgung angeschlossen -, beziehen ihr Trinkwasser im
Normalfall aus dem Boden. Zum einen liegt das daran, dass die
Menschen es sich nicht leisten können, Tankwagenwasser zu kaufen -
bzw. die Tankwagen gelangen aufgrund der israelischen
Abriegelungspolitik erst gar nicht in die Dörfer. Aber damit nicht
genug, die Sache kommt noch schlimmer: Israelis erhalten zwischen
fünf- bis siebenmal mehr Wasser zugeteilt als Palästinenser u.
werden bevorzugt versorgt.
Wenn während der Sommermonate in dieser halbtrockenen Region das
Wasser knapp wird, schließt die israelische Wassergesellschaft
Mekorot ganz einfach die Schleusen für die palästinensischen Städte
u. Dörfer - sodass die Israelis weiterhin auf hohem Niveau versorgt
werden können.
In der Praxis sieht das dann so aus, dass jüdische Siedler in den
illegalen Siedlungen der Westbank in ihren vollen Swimmingpools
planschen u. den Rasen sprengen, während die Palästinenser in den
umliegenden Dörfern - auf deren Land die Siedlungen ja im
allgemeinen errichtet sind -, nicht mal genug Wasser zum Trinken
bzw. zum Kochen haben. Minister Eitam rechtfertigt sein
Brunnenbohrverbot mit dem Argument, die Palästinensische
Autonomiebehörde (PA) habe eine Art ‘Wasser-Intifada’ gegen den
Staat Israel angezettelt. Die PA würde nicht für den Bau von
Kläranlagen sorgen, nämlich in der Hoffnung, das Grundwasser für die
Israelis dadurch zu verseuchen. Außerdem, so Eitam, würde die PA “es
den Palästinensern - hauptsächlich in ‘Gebiet A’ u. ‘Gebiet B’ -
(gemäß Oslo-Abkommen ja unter gemeinsamer Sicherheitskontrolle von
Israelis u. Palästinensern) erlauben, unbefugte Bohrungen
durchzuführen, um so das Wasser des Staats Israel zu stehlen”. Die
Palästinenser erwidern, diese Argumentation sei ebenso alogisch wie
konfus. Schließlich sei die PA inzwischen sehr effektiv zerstört -
ausgerechnet von jener (israelischen) Regierung, der Eitam angehört.
Hinzu komme, dass die Steuerabgaben der Palästinenser, bestimmt für
die Arbeit der PA, von Israel zurückgehalten werden. Wie die PA
unter solchen Umständen Kläranlagen bauen soll, bliebe ein Rätsel.
Ebenso unverständlich, wie Eitam auf den
Gedanken verfalle, die Palästinenser könnten das Grundwasser
vergiften; schließlich seien die Palästinenser selbst von diesem
Wasser abhängig. Die Krönung, so die Palästinenser, stelle
allerdings die Behauptung dar, die Palästinenser würden Israel u.
den Siedlern das Wasser stehlen - ein geradezu lächerliches
Argument.
Das
internationale Recht sagt hierzu Folgendes: die Wasserressourcen der
Westbank - nämlich ‘Mountain Aquifer’ u. Jordanbecken - stellen
gemeinsame Ressourcen Israels u. der Palästinenser dar u. sollten
dementsprechend einer (zwischen beiden Parteien) ausgewogenen u.
vernünftigen Nutzung zugeführt werden. Demgegenüber behauptet
Yehezkel Lein - Forscher für B’Tselem (israelisches Zentrum für
Menschenrechte in den Besetzten Gebieten) - seit Besetzung der
Westbank im Jahr 1967 habe Israel die Wasservorkommen - zu denen es
ja vorher keinen Zugang hatte -, regelrecht ausgeplündert: zum
Vorteil Israels u. dessen illegaler Siedlungen u. zum Nachteil der
Palästinenser. Nachdem Israel damals die Westbank im
‘Sechstagekrieg’ erobert habe, so Lein, ging Israel als Erstes her
u. konfiszierte sogut wie alle Westbank-Brunnen. Die Bohrung neuer
Brunnen wurde verboten u. die Wasserentnahme aus existierenden
quotiert.
Ungeachtet der Tatsache, dass die palästinensische Bevölkerung
seither stark angewachsen ist, blieb die Wasserzuteilungsquote seit
1967 unverändert u. wurde nicht mehr angehoben. Mittlerweile sieht
die Situation so aus, dass Israel 79 Prozent des
‘Mountain-Aquifer’-Wassers für sich nutzt u. praktisch das gesamte
Wasser aus dem Jordanbecken. Einen kleinen Prozentsatz verkauft
Israel allerdings an die Palästinenser im Gazastreifen. Was aus
dieser Situation resultiert - und die Diskrepanz in der
Wasserversorgung macht dies ja überaus deutlich -, hat mit
‘ausgewogener u. vernünftiger Nutzung’ (wie es das internationale
Recht vorsieht) wenig zu tun.
Kommentatoren haben oft darauf hingewiesen, Israel habe die Westbank
u. die wasserreichen syrischen Golanhöhen 1967 möglicherweise vor
allem deshalb erobert u. besetzt, weil es an das dort vorhandene
Wasser rankommen wollte. Und genau aus diesem Grund sträube es sich
nun auch dagegen, die Gebiete im Rahmen eines
Land-für-Frieden-Abkommens zurückzugeben.
Wie Jad Issac, Direktor des ‘Instituts für angewandte Forschung’
(Applied Research Institute) in Jerusalem angibt, stammt mehr als
die Hälfte des israelischen Wassers aus den Gebieten, die Israel
seit 1967 okkupiert hält. Und erst vor kurzem hat Israel damit
gedroht, Bomben auf Pumpstationen in Südlibanon abzuwerfen, sollte
die libanesische Regierung an Plänen festhalten, den im Libanon
entspringenden Wazzani-Fluss teilweise umzuleiten. Möglich, dass im
Nahen/Mittleren Osten vor allem Öl für Schlagzeilen sorgt, aber
meistens geht der Kampf hier in der Region um eine ganz andere
Ressource: ums Wasser nämlich.
Übersetzt von: Andrea Noll
Orginalartikel:
Israel bans new West Bank wells
hagalil.com
12-11-2002 |