General Zinni kann es sich sparen, nach Israel zu
fliegen:
Auf der Schwelle zum Abgrund
Alex Fishman, Jedioth achronoth
Die Tage der Ruhe sind vorbei. General
Zinni kann es sich sparen, nach Israel zu fliegen. Die beiden Chefs,
Arafat und Sharon, haben beschlossen, weiter auf parallelen Gleisen zu
fahren, die sich nie treffen werden. Das ist keine Einschätzung, sondern
ein Beschluss, den beide, jeder für sich, gefasst haben, natürlich ohne
das öffentlich zuzugeben, zumal ja alle nett zu den Amerikanern sein
wollen.
Schon in der letzten Woche ging es wieder
los: die Hamas und der Islamische Jihad erklärten, ihre Abmachungen mit
der PA seien nicht mehr gültig, vier Soldaten wurden bei Kerem Shalom
getötet, die PA machte keine nennenswerten Anstalten, gegen das
Terrornetz vorzugehen, und das alles gipfelte in der Affaire um das
Waffenschiff, das auch den letzten Funken eines irgendwie gearteten
Vertrauens zerstört hat.
Die israelische Regierung beschloss
ihrerseits eine Reihe von Strafaktionen, obwohl von von vornherein klar
war, dass sie damit Öl ins Feuer schütten würde. Offenbar hatte jemand
bei uns beschlossen, dass, wenn ohnehin wieder eine Eskalation fällig
ist, Israel diesmal den Umfang und das Tempo bestimmen wird. Die
Zerstörung der Häuser in Rafiah geschah nicht aus Bosheit. Maßgebend war
dabei die Abstumpfung, die durch die allgemeine Stimmung unter der
Devise: ‘Jetzt werden wir’s ihnen aber zeigen’ erzeugt worden ist.
In den Befehlen für die örtlichen Truppen
hieß es, dass keine Gebäude zerstört werden dürfen, in denen sich
Zivilisten befinden. Doch bei der Debatte beim Verteidigungsminister am
Donnerstag sagte einer der Generäle, möglicherweise seien einige der
Häuser noch bewohnt, was eine PR-Katastrophe bedeuten würde, wenn sie
zerstört würden. Er bekam zur Antwort: ‘Wenn da ein paar Zivilisten drin
sind, geben wir ihnen danach ein paar Ziegelsteine, damit sie ihre
Häuser wieder aufbauen können.’
In einer solchen Atmosphäre ist es kein Wunder, dass die Soldaten, die
die Befehle ausführten, den Eindruck hatten, dass die wenigen
Zivilisten, die sie in den Häusern sahen, bloße Eindringlinge waren, die
sich illegal dort aufhielten. Und das war erst der Anfang.
Danach beschloss Israel, die
Beschränkungen, die es sich in Sachen Liquidierung von Terrorführern
auferlegt hatte, wieder aufzuheben. Die Tötung von Ra’ad al Carmi war
der Auftakt zu einer neuen Runde. Noch können die beiden Chefs die
erneute Terrorwelle bremsen, wenn sie nur wollen. Doch das wird
vermutlich nicht geschehen, weil es niemanden gibt, der sie bremst.
Arafat und sogar seine Leute verstehen wir nicht mehr ganz. Und bei uns
wird morgen das Kabinett darüber beraten, ob man eine neue Strategie der
PA gegenüber anwenden soll. Vermutlich wird die Entscheidung darauf
hinauslaufen, dass man jetzt allen Ernstes auf frühere
Kabinettsbeschlüsse über diese Frage zurückkommt und von nun an viel
härter mit ‘dem Terrorgebilde’ und ‘diesem irrelevanten Mann’ umspringt.
Was uns einen heißen und schmerzlichen Winter verheißt.
Jedioth achronoth, 15-01-02
haGalil onLine
21-01-2002 |