In Israel weint dem Tansim-Anführer
von Tulkarem niemand eine Träne nach:
Eine Frage des Timing
Chemi Shalev, M'ariw
Kein klar denkender Israeli wird dem
Tansim-Anführer in Tulkarem, Ra’ad al Carmi, eine Träne nachweinen.
Dieser Mann war eine Plage mit viel Blut an den Händen. Nach
Militärangaben hat Carmi letzthin eine ‘Umschulung’ mitgemacht und sich
auf Selbstmordanschläge spezialisiert. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte
man seine Liquidierung fast als eine moralische Pflicht ansehen können.
Doch wie im übrigen Leben ist auch beim Kampf gegen den Terror das
Timing oft entscheidend.
Nach dem ruhigsten Monat seit Beginn der
Intifada erscheint diese Liquidierung nicht als legitimer Akt der
Selbstverteidigung, sondern als absichtliche Provokation, die zum
Zusammenbruch des Waffenstillstands führen soll. Sharon wird die
Weltöffentlichkeit nur mit größter Mühe davon überzeugen können, dass
dies nicht seine Absicht war, und es kann sein, dass diesmal auch in
israelischen Kreisen Zweifel laut werden.
Al Carmi entsprach nicht den Kriterien der
‘tickenden Zeitbombe’. Es gibt keinen Beweis dafür, dass er vorhatte,
einseitig den von Arafat ausgerufenen Waffenstillstand zu brechen. Daher
entsteht der Einndruck, dass Israel der Ruhe, die in den letzten Wochen
erzielt wurde, keinerlei Wert beimisst. Die Entscheidungsträger waren
sich vermutlich der Möglichkeit bewusst, dass die Tötung al Carmis
sofort zu einer Eskalation führen würde.
Was die PR-Wirkung betrifft, so ist die
Tötung Carmis nach der Zerstörung der Häuser in Rafiah das zweite
Eigentor. Das Ansehen, dass die Regierung sich mit der Aufbringung des
Waffenschiffs erworben hatte, verspielte sie binnen weniger Tage durch
eine überflüssige und wenig überzeugende Aktion in Rafiah und jetzt
durch die Liquidierung in Tulkarem. Israel hatte inoffiziell ein
Liquidierungs-Moratorium beschlossen, um Anthony Zinni bei seiner
Mission zu helfen, und wenigstens nach außen hin funktionierte das auch.
Zinni reiste optimistisch ab, trotz der ‘Karine A’-Affäre.
Die israelische Öffentlichkeit ist im
allgemeinen mit jedem entschlossenen Vorgehen gegen die Palästinenser
einverstanden, doch diesmal wird sie möglicherweise anders reagieren.
Vielleicht werden nicht alle Sharon verzeihen, dass er es war, der die
zeitweilige Illusion einer Beruhigung der Lage zum Platzen gebracht hat.
M'ariw, 15-01-02
haGalil onLine
21-01-2002 |