Terrorkrieg:
Wir haben nicht gewonnen! – Oder vielleicht doch?
Kommentar von Amnon Rubinstein, Ha'aretz,
10.07.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Nein, wir haben den Terrorkrieg, den die
Palästinenser uns erklärt haben, nicht gewonnen. Sie haben sich
nicht ergeben und wir feiern nicht unseren Sieg über sie. Im
Gegenteil: die Ängste bezüglich eines erneuten Ausbruch des Terrors
sind genauso groß wie die Chancen klein sind, den Konflikt
tatsächlich zu beenden. Doch es gibt eine zeitweilige Unterbrechung,
und Israel wusste bisher immer, wie es während solcher Pausen an
Stärke gewinnen konnte.
Nein, wir haben nicht gewonnen. Doch Yassir Arafat
hat verloren. Bevor er den Krieg begann, war er als internationaler
Führer anerkannt. Inzwischen führt er die Opposition an gegen die
Vereinbarungen, die er einst unterschrieben hatte. Zugeben, auf der
palästinensischen Straße wird er angebetet. Doch die arabische Welt
ist voll von Diktatoren, die ihr Volk arm machen.
Nein, wir haben nicht gewonnen. Doch Arafats
zweifacher Plan scheiterte: er wollte unseren Geist brechen, um uns
einen Südlibanon-artigen Rückzug aufzuerlegen, und er wollte den
Konflikt zur internationalen Sache machen und ausländische Truppen
an unsere Grenzen entsenden. Arafat hat in seinem Krieg keine
Unterstützung von den arabischen Staaten bekommen. Jordanien und
Ägypten haben zwar ihre Botschafter aus Israel abgezogen, doch sie
kamen Arafat nicht zu Hilfe. Israels Bild wurde in der öffentlichen
europäischen Meinung beschädigt, doch die Europäer schlugen nicht
vor, Truppen hierher zu entsenden. In den Vereinigten Staaten ist
Arafat irrelevant. Und Russland hilft ihm auch nicht.
Nein, wir haben nicht gewonnen. Doch die
israelische Gesellschaft bewies –zum Erstaunen von vielen- eine
außerordentliche Unverwüstlichkeit. Israels Errungenschaft in diesem
Krieg ist einzigartig. In einer Situation, in der sich die Israelis
wahllosem Terror gegen Zivilisten und unerträglich schwerem
Armeedienst in den Territorien gegenüber finden, genehmigte der
Staat seinen Bürgern, das Land zu verlassen. Selbst alteingesessene
Demokratien verboten ihren Bürgern während eines Krieges das Land zu
verlassen oder ihr Guthaben außerhalb des Landes zu deponieren. In
Israel können sowohl Zivilisten wie Reservisten der Gefahr für den
Preis eines Flugtickets entkommen. Trotzdem flohen die Leute nicht
und Aufrufe an Reservisten wurden nicht behindert. Kein anderer
Staat hat dieses Phänomen jemals erlebt: zu Hause ist die Hölle los,
doch niemand benutzt die weit geöffnete Tür.
Und die israelische Gesellschaft hat eine weitere,
nicht unwichtige Prüfung bestanden: Trotz des Terrors, trotz der
Tatsache, dass einige arabische Israelis den Terroristen geholfen
haben und trotz giftiger Provokationen von arabischen
Knessetmitgliedern, brachen hier keine ethnischen Unruhen aus, wie
es in Nordirland oder im früheren Jugoslawien geschehen war. Es gab
auch keine schockierenden Ereignisse wie in Frankreich, wo vor
einigen Jahren arabische Passanten ermordet und in die Seine oder
von den Zügen geworfen wurden, obwohl es dort keine Terrorakte
gegeben hatte. Zugegeben, es gab hier den schlimmen Zwischenfall,
dass die Polizei bei den im Jahr 2000 stattgefundenen
Oktober-Aufständen israelische Araber tötete. Doch dies hatte nichts
mit ethnischen Unruhen zu tun, und es wurde eine Kommission
gebildet, die dieses Ereignis untersucht.
Darüber hinaus ist zu sagen: Obwohl Gewalt und
Terror normalerweise zu einem rechten Radikalismus führen, fand in
Israel das Gegenteil statt. In Belgien, Österreich, Frankreich und
Holland wurden rechte Parteien wegen ihres "Neins" zu moslemischen
Immigranten stärker, obwohl diese Staaten nicht unter dem Terror zu
leiden haben. Inmitten von Terrorakten und antisemitischer Hetze
seitens der Araber schaffte es die Cherut-Partei von Michael Kleiner
und Baruch Marzel in Israel jedoch nicht, bei der letzten Wahl die
1,5%-Hürde zu überwinden. Und die Partei "Nationale Union-Israel
Beitenu", die einen großen Erfolg erwartet hatte, verlor einen Sitz.
Die Bürger wählten in Massen die Likud-Partei, doch erst nachdem
Ariel Sharon seine Bereitschaft für die "schmerzhaften
Zugeständnisse" und die Errichtung eines palästinensischen Staates
angekündigt hatte. Der Likud stellte sich auf eine öffentliche
Meinung ein, die moderater geworden war. In welchem anderen
demokratischen Staat konnte solch ein Prozess während eines Krieges
stattfinden?
Aus diesem Grund kann man sagen, dass wir doch
gewonnen haben. Denn während eines drei Jahre anhaltenden Alptraums
zeigten wir sowohl Durchhaltevermögen wie politische Mäßigung.
hagalil.com
11-07-2003 |