Die in London herausgegebene Tageszeitung Al Hayat beschäftigte sich
mit den Folgen der Anschläge von Riad für Saudi-Arabien. In zwei
Kommentaren plädiert der renommierte Kolumnist Daud Shiriyan dafür, dass
sich das Königreich mit seiner Rolle für den Terrorismus
auseinandersetzt und bei dessen Bekämpfung mit den USA zusammenarbeitet.
Die Zeitung Al Hayat ist in Besitz eines Mitglieds der saudischen
Königsfamilie.
"Die Ankunft einer Gruppe von etwa 60 FBI- und CIA-Offizieren, die sich
an den Untersuchungen der Anschläge in Riad am vergangenen Dienstag
beteiligen werden, wird von vielen als [Folge] sicherheitspolitischer
Unzulänglichkeit betrachtet, die es Amerika erlaubt, sich direkt in die
Angelegenheiten der [entsprechenden] Staaten einzumischen. Andere sehen
dies als Beginn für weitere direkte Einmischungen.
Tatsächlich kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Anschläge von
Riad politische Lasten für die [saudische] Regierung mit sich bringen:
Angriffe in den Medien, Fragen zur Erziehung und zu [gesellschaftlichen]
Reformen sowie Forderungen nach Interventionen gegen sie [die Regierung]
und anderes, was bereits nach dem 11.9. aufgekommen war. Vielleicht
liegt dies alles aber auch im Interesse Saudi-Arabiens. Die
amerikanischen Experten kommen diesmal vielleicht nicht als Amerikaner,
sondern einfach weil sie in den vergangenen zwei Jahren viele Kenntnisse
über die Taten von Al-Qaida und anderen Organisationen gesammelt haben
und mit diesen Informationen dazu beitragen können, den Anschläge in
Riad zu verstehen. Dies erfordert es allerdings, dass man die
Kooperation in ihrem politischen Kontext betrachtet, [nämlich] als Teil
einer Zusammenarbeit gegen den Terror und eben nicht so, wie es deren
Kritiker sehen. Auch wissen schließlich alle, dass die [FBI- und CIA-]
Delegation schon seit Beginn des Kriegs gegen den Terror unentwegt die
Staaten der Region durchkreuzt und mit deren Sicherheitsapparaten
verkehrt. Der von öffentlicher Empfindlichkeit geprägte Umgang mit der
sicherheitspolitischen und militärischen Zusammenarbeit mit Amerika
fördert [hingegen] die Aufwiegelung zu Gewalt und Terror seitens einiger
Gruppierungen und radikaler Strömungen und erzeugt auf der anderen Seite
den Eindruck eines saudischen Zögerns [in Sachen Terrorbekämpfung]. Das
schwächt die Position der Regierung und widerspricht wohl auch ihrem
politischen und wirtschaftlichen Interesse. Sechzig Jahre der
Zusammenarbeit mit Washington auf der Grundlage von gemeinsamen
Interessen und gegenseitigen Respekts sollten ausreichen, um solche
Unklarheiten zu überwinden. Ansonsten würden diese mit zunehmender Dauer
das Verhältnis zwischen beiden Ländern nachhaltig beeinträchtigen." (Al
Hayat, 17.5.2003)
"Was wird Saudi Arabien unternehmen?"
"Alle arabischen und ausländischen Journalisten und Analysten, mit
denen ich zuletzt gesprochen habe, stellten dieselbe Frage: Was wird
Saudi Arabien nach den drei Explosionen, die Riad in der letzten Woche
erschütterten und in der Monarchie wieder eine Atmosphäre wie nach dem
11.9. auslöste, unternehmen, um den Terrorismus zu bekämpfen? Werden wie
beim letzten Mal wieder nur ein paar Leute festgenommen und über deren
Ideologie und ihre Attraktivität hinweggesehen? Werden [erneut] andere
beschuldigt und ausländische Gruppierungen für das Denken verantwortlich
gemacht, dass die Jugend in die Irre führt? Oder wird dieser unter dem
Banner des Islam antretenden Strömung jetzt entgegengetreten -
ungeachtet aller Probleme, die eine solche Konfrontation für ein Land
wie Saudi Arabien mit sich brächte?
Saudi Arabien kann eine Menge unternehmen und besitzt alle nötigen
Fähigkeiten, um dem religiös verkleideten Terror zu begegnen. Deutlich
wurde schon, dass Riad diesmal ganz anders reagierte als bei den
vorherigen Anschlägen. Anders als zuvor war in den Reden und Erklärungen
der saudischen Politiker die Vorstellung sehr präsent, dass eine
Ideologie hinter den Attentätern steht. [...]
Das saudische Königreich ist in seinen rühmlichen Taten für den Islam
unübertroffen. Es unterwirft seine Interessen dem Dienst [für den Islam]
und trägt weltweit 90% der Ausgaben für die da'wa [den "Ruf" zum Islam].
Seit etwa 60 Jahren ist es dem Königreich dabei gelungen, die Balance
zwischen seiner weitreichenden Rolle für den Islam und seinen
Beziehungen zum Westen zu halten. Die Anschläge in Riad richteten sich
gegen diese Rolle [Saudi Arabiens] für den Islam - mehr noch als gegen
seine Beziehungen zum Westen. Sie zwingen das Königreich, sich diesmal
mit sich selbst auseinanderzusetzen und die Struktur, das
Gedankengebäude und die Methode, auf der seine Rolle basiert, zu
hinterfragen. Wenn das Königreich sich entschiede, seine Mittel [bei der
da'wa] zu verändern und ihre Auswirkungen zu überdenken, wären
Veränderungen auf vielen verschiedenen Ebenen erforderlich. Und genau
darin liegt die wahre Herausforderung." (Al Hayat, 19.5.2003)