Israel kündigt Liquidierung von Terroristen an:
Naher Osten steht vor Gewaltwelle
Regierung will gezielte Tötungen fortsetzen
Hamas droht mit weiteren Selbstmordattentaten
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem – Nach dem Ende der Waffenruhe im
Nahen Osten zeichnet sich in der Region eine neue Welle der Gewalt
ab. Die israelische Regierung kündigte die gezielte Tötung weiterer
hochrangiger Mitglieder der palästinensischen Terror-Organisationen
an, sollten diese neue Anschläge verüben.
Zuvor hatten Sprecher der Hamas und des
Islamischen Dschihad mit „blutiger Vergeltung“ gedroht für die
Tötung des Hamas-Sprechers Ismail Abu Schanab, der am Donnerstag
durch einen israelischen Raketenbeschuss in Gaza-Stadt getötet
worden war. Schanab galt als einer der ranghöchsten Hamas-Vertreter.
Auf seiner Beerdigung schworen Hamas-Anhänger am Freitag Rache und
forderten den palästinensischen Ministerpräsidenten Machmud Abbas
und dessen Sicherheitschef Mohammed Dachlan auf, die
Palästinensergebiete wegen angeblicher „Kollaboration mit Israel“ zu
verlassen.
Die israelische Armee war zuvor in die Autonomiestadt Dschenin im
Westjordanland vorgerückt. Auch in der palästinensischen Stadt
Nablus fanden Razzien statt. Vom Gaza-Streifen aus feuerten
Palästinenser sechs Mittelstreckenraketen des Typs Kassam II auf
israelische Städte nahe dem Grenzzaun zum Gaza-Streifen. Auch
feuerten Palästinenser 15 Mörsergranaten auf jüdische Siedlungen im
Gaza-Streifen ab, wobei großer Sachschaden entstanden sein soll. Die
israelische Armee sperrte die Hauptverbindungsstraße im
Gaza-Streifen und teilte diese in drei Zonen.
Der israelische Regierungssprecher Avi Pasner sagte, die
Liquidierungen mutmaßlicher Terroristen seien „legitim“, solange es
die palästinensische Regierung unterlasse, gegen die
Terror-Organisationen vorzugehen. Israel hatte Abbas die Schuld
gegeben für den verheerenden Selbstmordanschlag, bei dem am Dienstag
im Zentrum Jerusalems 20 Menschen getötet und weit mehr als 110
Menschen verletzt worden waren. Als Reaktion auf den Anschlag hatte
das Sicherheitskabinett der Regierung Ariel Scharons die
Wiederaufnahme der Liquidierungen beschlossen und Schanab töten
lassen. Ihm wirft Israel unter anderem die Teilnahme an den
Vorbereitungen zum Jerusalemer Anschlag vor.
Die Liquidierung Schanabs hatte international heftige Kritik
ausgelöst. Abbas und Dachlan hatten Israel vorgeworfen, just zu dem
Zeitpunkt, an dem sie gegen die Terrorgruppen hätten vorgehen
wollen, habe Israel durch die Tötung Schanabs die Umsetzung des
Friedensfahrplans des Nahost-Quartetts gefährdet. Israel dagegen
argumentiert, Abbas habe es unterlassen, mit der Entwaffnung und
Auflösung der Terrorgruppen zu beginnen, wie sie im Friedensfahrplan
vorgeschrieben ist.
Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte, den Konfliktparteien
müsse „klar sein, dass am Ende dieser Eskalation eine Klippe steht,
über die beide hinabstürzen werden“. Die EU-Staaten würden nun
zusammen mit ihren transatlantischen Partnern alles tun, „um den
Prozess des Absturzes in die Gewalt zu beenden und die Rückkehr zum
politischen Prozess zu ermöglichen“, sagte Fischer. An erster Stelle
sei es nun Aufgabe der Autonomiebehörde, „entschlossen gegen
Terroristen vorzugehen“. Der französische Außenminister Dominique de
Villepin sagte, Friedensregelungen im Nahen Osten könnten nicht
allein von den USA erreicht werden. Daher sei es erforderlich, dass
sich die Europäer wieder verstärkt einschalteten.
hagalil.com
22-08-03 |